Schnell handeln, langfristig vorbeugen |
16.02.2010 17:29 Uhr |
Bei Verdacht auf Herzinfarkt zählt jede Minute. In der akuten Therapie spielt inzwischen die Ballondilatation eine herausragende Rolle. Zusätzlich und zur langfristigen Prophylaxe weiterer Infarkte kommt eine Fülle an Medikamenten zum Einsatz.
»Die Zahl der Koronartoten in der westlichen Welt hat sich zwischen den 1970er-Jahren und der Jahrtausendwende nahezu halbiert.« Diese positive Nachricht stellte Professor Dr. Heinz Völler, leitender Kardiologe im Reha-Zentrum »Klinik am See« in Rüdersdorf, an den Beginn seines Vortrags. Er führte diese Entwicklung vor allem auf die bessere Arzneimittelversorgung von Patienten mit koronaren Erkrankungen zurück. »Allerdings dürfen wir uns auf dem Erfolg nicht ausruhen«, sagte er. Denn ungefähr seit dem Jahr 2000 steige die Zahl der tödlichen Herzinfarkte wieder, sicherlich im Zusammenhang mit der Zunahme des Übergewichts.
Völler appellierte an jeden Einzelnen, sein Herz-Kreislauf-Risiko durch einen gesunden Lebensstil so gering wie möglich zu halten und bei Verdacht auf einen Infarkt nicht allzu lange zu warten. Denn in den ersten anderthalb Stunden sei die Schädigung des Herzmuskelgewebes meist noch relativ gering. Sein Rat: »Lieber einmal zu oft in die Notaufnahme als einmal zu spät.« Als typische Warnhinweise nannte er heftige, mitunter in die Umgebung ausstrahlende Schmerzen oder Engegefühl in der Brust, Atemnot, Übelkeit und Brechreiz. Die letzten beiden, leider nicht besonders auffälligen Symptome träten besonders häufig bei Frauen auf.
Die Diagnostik stütze sich vor allem auf das Elektrokardiogramm (EKG), möglicherweise ergänzt durch einen Herz-Ultraschall, eine Herzkatheter-Untersuchung sowie die Bestimmung von Biomarkern im Blut, die beim Abbau von Herzmuskelgewebe ansteigen. »Besonders aussagekräftig ist dabei Troponin«, sagte Völler. Anhand des EKG-Befunds unterschied er grundsätzlich zwischen einem ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) und einem Nicht-ST-Hebungs-Infarkt (NSTEMI). Letzterer umfasst die eher milden Formen sowie die instabile Angina Pectoris. »Beim STEMI ist die Lage noch bedrohlicher und erfordert unverzügliches Handeln.«
Die Therapie bei STEMI und NSTEMI besteht darin, den gestörten Blutstrom in den Herzkranzgefäßen wieder in Gang zu setzen. Grundsätzlich eignen sich dazu eine Lyse mit fibrinolytischen Medikamenten wie Streptokinase oder Alteplase, eine Bypass-Operation sowie eine Ballondilatation mithilfe eines Katheters (auch als perkutane Koronarintervention bezeichnet). Bei Letzterer bekommen viele Patienten zusätzlich röhrenförmige Gefäßstützen (Stents) mit oder ohne Medikamentenbeschichtung eingesetzt, um eine erneute Verengung der Gefäße zu verhindern. Die Ballondilatation nimmt Völler zufolge inzwischen eine herausragende Stellung ein und hat die Lyse-Therapie fast vollkommen ersetzt. Doch ließen sich beide Verfahren auch kombinieren. Zusätzlich verwendeten Ärzte in der Akuttherapie antithrombozytäre Medikamente (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Prasugrel sowie GPIIb/IIIa-Hemmer) und Antikoagulanzien (Heparin, Enoxaparin, Bivalirudin). Bei der Auswahl spiele die Art des Infarkts und die ausgewählte koronare Therapie eine Rolle.
Foto: Pixelio/Richter
Auch nach der Akutbehandlung brauchen Patienten in der Regel Medikamente. So bringen Stents eine erhöhte Thrombosegefahr mit sich, weil sie mitunter Einrisse in den Gefäßwänden verursachen, beziehungsweise ihre Oberfläche Blutplättchen anlockt und aktiviert. »Deshalb ist nach Stent-Implantation eine duale Therapie mit den Thrombozytenaggregationshemmern ASS und Clopidogrel unumgänglich«, sagte Völler. Diese dauere bei nicht beschichteten Stents vier Wochen, bei beschichteten sogar zwölf Monate. Als Alternative zu Clopidogrel sei auch Prasugrel zugelassen.
Infarkt-Patienten, die zusätzlich an Vorhofflimmern oder einem Klappenfehler leiden, benötigen Völler zufolge eine Tripel-Therapie aus Clopidogrel, ASS und Vitamin-K-Antagonisten. »Diese Behandlung führt aber häufig zu teilweise lebensbedrohlichen Blutungen«, warnte Völler. Einer aktuellen großen Studie aus Dänemark zufolge sei das Blutungsrisiko unter der Dreifach-Kombination etwa fünfmal so hoch wie unter ASS allein. Deshalb empfahl Völler, die Vitamin-K-Antagonisten nur in den ersten vier Wochen nach der Stent-Implantation einzusetzen. Auch nach Ablauf der Tripel-, beziehungsweise der dualen Therapie sei ASS als Thromboseschutz weiter einzunehmen, und zwar in der Regel das ganze Leben lang.
Zudem benötigten Patienten zur Sekundärprophylaxe nach einem Herzinfarkt viele andere Medikamente. »Eine frühzeitige Therapie mit Statinen und ACE-Hemmern ist obligat«, sagte Völler. Unverzichtbar sei die Gabe von Betablockern. Denn sie beugten gefährlichen Herz-Rhythmus-Störungen vor, die infolge der infarktbedingten Gewebeschädigung auftreten und bis zum plötzlichen Herztod führen können. Auch diese Prophylaktika müssen Patienten meist langfristig einnehmen und sich zudem um einen herzgesunden Lebensstil bemühen. Doch das lohne sich, sagte Völler: »Inzwischen leben viele Menschen nach einem überstandenen Herzinfarkt genauso lange wie die Allgemeinbevölkerung.« Allerdings sei es dabei eine gut erhaltene Pumpfunktion des Herzens wesentlich. Also noch ein Grund, bei Alarmzeichen möglichst schnell den Rettungswagen zu rufen.