Medikamentenfülle richtig nutzen |
| 16.02.2010 17:19 Uhr |
Inzwischen gibt es eine Fülle an Therapiestrategien gegen Bluthochdruck. Wie die Medikamente leitliniengerecht zum Einsatz kommen, erläuterte Dr. Eric Martin. Demnach fruchten die Therapien am besten auf Basis einer Lebensweise, die das Herz-Kreislauf-System schützt.
Diuretika, Calciumkanalblocker, ACE-Hemmer, Sartane, Betablocker, Alphablocker, Antisympathotonika, arterielle Vasodilatanzien – inzwischen gibt es eine Phalanx an blutdrucksenkenden Medikamenten. Wann und wie sie am besten zum Einsatz kommen, erörterte Martin, Apothekenleiter aus Marktheidenfeld. Dabei stützte er sich vor allem auf die aktuelle Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga aus dem Jahr 2005.
Viele Antihypertensiva zeigen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen. Zur Gewährleistung der Therapietreue ist die Beratung des Apothekers gefragt.
Foto: KKH
Demnach erfordern Blutdruckwerte über 160/100 mmHg unverzüglich eine medikamentöse Therapie. Diese ist auch bei mildem Bluthochdruck (> 140/90 mmHg), mitunter selbst bei noch niedrigeren Werten (> 120/80 mmHg) erforderlich, wenn der Patient weitere Herz-Kreislauf-Risiken oder -Erkrankungen zeigt. Dazu zählen unter anderem Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, ein gehobenes Alter (Männer über 55, Frauen über 65 Jahre), Rauchen, Atherosklerose, Niereninsuffizienz, diabetische Folgeschäden, Angina Pectoris und durchlittene Herzinfarkte und Schlaganfälle. »Die Entscheidung über Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Therapie ist inzwischen außerordentlich differenziert«, kommentierte Martin. Grundsätzliches Behandlungsziel sei eine dauerhafte Blutdrucksenkung auf Werte unter 140/90 mmHg, bei Patienten mit Typ-2-Diabetes oder Niereninsuffizienz sogar unter 130/80 mmHg.
»Die Basis jeder Therapie ist ein Lebensstil, der den Blutdruck senkt und auch die anderen Risikofaktoren für Herz und Kreislauf positiv beeinflusst«, betonte Martin und nannte die wesentlichen Maßnahmen: Ein absoluter Rauchverzicht, eine Einschränkung des Alkoholkonsums, eine Gewichtsreduktion (BMI < 25 kg/m2), regelmäßige Bewegung (90 bis 180 min pro Woche, Schwerpunkt Ausdauersport) und eine kalorien- und natriumarme, dafür kalium- und calciumreiche Ernährung. Letzteres gelinge, wenn viel Obst, Gemüse, Fisch, Geflügel, Vollkorn- und fettarme Milchprodukte auf den Tisch kommen. »In der Summe bewirken diese Maßnahmen eine deutliche Blutdrucksenkung und unterstützen damit die medikamentöse Therapie wesentlich.«
Als Mittel der ersten Wahl gelten bei dieser laut Leitlinie Diuretika, Calciumkanalblocker, ACE-Hemmer, Sartane und Betablocker. »Diese Substanzklassen erzielen in Standarddosierungen eine vergleichbare Blutdrucksenkung«, sagte Martin. Doch seien bei der Auswahl patientenbezogene Faktoren bedeutsam. »So sprechen Menschen unter 55 Jahren eher auf ACE-Hemmer und Betablocker an, Ältere dagegen auf Diuretika und Calciumkanalblocker.« Zudem seien kardiovaskuläre Begleiterkrankungen sowie mögliche Wechselwirkungen und Gegenanzeigen zu berücksichtigen.
Zeigt eine ausgewählte Monotherapie nach zwei bis sechs Wochen keine ausreichende Wirkung, erfolgt in der Regel die Zugabe weiterer Wirkstoffe. »Dadurch lassen sich oft auch die Dosierungen der Einzelsubstanzen senken und damit die Verträglichkeit verbessern«, sagte Martin. Grundsätzlich sei die Zweierkombination aller Erst-Wahl-Mittel möglich. Martin nannte auch mehrere sinnvolle Dreierkombinationen.
»Allerdings stellt sich manchmal selbst unter Ausschöpfen aller therapeutischen Möglichkeiten kein langfristiger, ausreichender Erfolg ein«, sagte Martin. Das erfordere eine Überprüfung aller Medikamente, die der Patient sonst einnimmt. »Eine ganze Reihe von Arzneimitteln wirkt blutdrucksteigernd, schwächt also die Wirksamkeit der Antihypertensiva.« Dazu zählten Mineralo- und Glucocorticoide, hormonelle Kontrazeptiva, die Immunsuppressiva Ciclosporin und Tacrolimus, Sympathomimetika wie Appetitzügler und Bestandteile von Grippe-Kombinationspräparaten sowie mehrere Analgetika, darunter Piroxicam, Ibuprofen, Naproxen und zu einem geringeren Ausmaß Acetylsalicylsäure. »Gerade bei Medikamenten aus dem Bereich der Selbstmedikation ist die Achtsamkeit des Apothekers besonders gefragt«, betonte Martin.
Oft lasse sich die unzureichende Wirkung der Antihypertensiva aber auch auf eine schlechte Therapietreue der Patienten zurückführen. »Bluthochdruck verläuft lange symptomlos, verursacht also keinen Leidensdruck. Dagegen zeigen die meisten Antihypertensiva belastende Nebenwirkungen, wie etwa Kopfschmerzen, Müdigkeit, Husten und erektile Dysfunktion.« Solche Verträglichkeitsprobleme seien bei der Auswahl der Blutdrucksenker individuell zu berücksichtigen. »Um die Therapietreue zu verbessern, benötigen Hypertoniker zudem eine umfassende Aufklärung über die Risiken ihrer Erkrankung und den Nutzen der verordneten Medikamente.« Auch in diesem Bereich leiste die Beratung des Apothekers einen wertvollen Beitrag.