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Body-Mass-Index

Nicht das Maß aller Dinge

Datum 08.04.2008  17:22 Uhr

Body-Mass-Index

<typohead type="3">Nicht das Maß aller Dinge

Von Brigitte M. Gensthaler

 

Wer stark übergewichtig ist, hat laut Statistik ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen. Doch wie misst man das Gesundheitsrisiko in der Praxis? Der Body-Mass-Index (BMI) ist nicht das Maß aller Dinge. Favorisiert wird heute der Taillenumfang.

 

Eine Reihe gesundheitlicher Störungen und Erkrankungen tritt bei Menschen, die zu viele Pfunde auf die Waage bringen, häufiger auf als bei Schlanken. Dazu zählen beispielsweise Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes und Gallensteinleiden. Bei einem BMI über 30, der definitionsgemäß die Grenze zwischen Übergewicht und Adipositas markiert, verdoppelt sich das Risiko, an Krebs zu sterben, und verfünffacht sich das Risiko, einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erliegen.

 

Wichtig für das Gesundheitsrisiko ist aber nicht allein der Gesamtfettanteil, sondern vor allem das Fettverteilungsmuster des Körpers. Gefährlich ist das viszerale Fett (Bauchfett), da es endokrin hoch aktiv ist und viele Botenstoffe ausschüttet, die metabolische, thromboembolische und kardiovaskuläre Abläufe beeinflussen. Bislang sind rund 100 Sekretionsprodukte des Fettgewebes bekannt; man bezeichnet viele Produkte als Adipokinine und Adipozytokine (siehe dazu Fettgewebe: Größtes endokrines Organ des Körpers, PZ 29/06). Im Gegensatz dazu sind Polster an Hüfte, Gesäß und Oberschenkeln zwar unschön, gelten aber gesundheitlich eher als unproblematisch).

 

Die viszerale Fett wird heute als Schrittmacher des metabolischen Syndroms angesehen. Gerade bei mäßigem Übergewicht, das heißt einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m², ist daher die Fettverteilung ein entscheidendes Kriterium, ob das Krankheitsrisiko überhaupt erhöht ist. Bei einem BMI ab 35 ist die Gesundheit in aller Regel gefährdet; dann spielt die Fettverteilung kaum noch eine Rolle.

 

BMI wenig geeignet

 

Wie wird die Adipositas erfasst? Der BMI ist in der Praxis beliebt, weil er einfach und gut reproduzierbar zu berechnen ist, erklärte Dr. Anja Bosy-Westphal vom Kieler Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde beim 5. Ernährungstherapie-Update, das Ende Januar vom Institut für Qualitätssicherung in der Ernährungstherapie und -beratung e. V. (QUETHEB) in München veranstaltet wurde. Allerdings gibt der BMI die Zusammensetzung der Körpermasse nicht wider. Auf Populationsebene korreliere er zwar gut mit dem Gesundheitsrisiko, aber nicht im Einzelfall, so die Ernährungswissenschaftlerin. Der Anteil des Bauchfetts kann bei Menschen mit gleichem BMI stark schwanken.

 

Außerdem ist bekannt, dass ältere Menschen mit einem Körpermasseindex, der laut Statistik bereits Übergewicht anzeigt, eine höhere Lebenserwartung haben als schlankere Senioren. Einige Pölsterchen tun im Alter also gut. Es gibt aber keine altersadjustierte Skala, sodass Junge und Alte nach der gleichen BMI-Tabelle eingestuft werden.

 

Eine Alternative bietet die Berechnung des Taille-Hüfte-Quotienten (Waist-hip-Ratio, WHR), der sich als gutes Maß für das Herzinfarktrisiko und die kardiovaskuläre Mortalität erwiesen hat. Er sollte laut Weltgesundheitsorganistion (WHO) für Männer unter 1 und für Frauen unter 0,85 liegen. Die Fettverteilung wird aber auch beim Taille-Hüft-Quotienten nicht genau erfasst.

 

Maßband zur Risikobestimmung

 

Viele Fachgesellschaften favorisieren den Taillenumfang (waist circumference, WC), der eng mit dem Bauchfett korreliert. Dabei ist zu beachten, dass man mit dem Maßband sowohl das subkutane wie auch das versteckte viszerale Fett am Bauch erfasst. Somit ist der Taillenumfang nur ein indirektes Maß der intraabdominellen Fettdepots. Im Jahr 2000 legte die WHO Grenzwerte für die Leibesfülle (unabhängig von der Körpergröße) fest: für Frauen maximal 88 cm und Männer maximal 102 cm. Bei größeren Werten sei das metabolische und kardiovaskuläre Risiko deutlich erhöht. Laut WHO steigt die Gefahr bereits ab 94 cm Umfang (Männer) und 80 cm (Frauen).

 

Die strengeren Werte bestätigt die International Diabetes Federation (IDF) in ihrem Consensus-Papier 2007 (www.idf.org): 94 cm sind die Grenze für Männer und 80 cm für Frauen (Europäer). Bei der Erfassung und Beurteilung des Diabetes-Risikos legt die IDF noch weitere Kriterien zugrunde wie eine gestörte Glucosetoleranz, Bluthochdruck, erhöhte Triglyzeridwerte, reduziertes HDL-Cholesterol, bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine familiäre Veranlagung zum Diabetes.

 

Erstaunlicherweise ist bis heute nicht einheitlich definiert, wo die Taille eigentlich gemessen wird. Laut WHO und IDF soll das Maßband in der Mitte zwischen unterem Rippenbogen und Beckenkamm liegen. Es gibt aber auch die Messung am Beckenkamm oder auf der Höhe der unteren Rippe, was anatomisch eindeutiger ist. »Je nach Messpunkt resultieren verschiedene Werte und damit unterschiedliche Einstufungen in Risikoklassen«, monierte Bosy-Westphal. Eigene Untersuchungen am Kieler Institut zeigten, dass auch geschultes Personal mitunter zu recht unterschiedlichen Taillenwerten beim gleichen Probanden kommt. Dennoch: Die Maßbandmethode ist einfach, billig und praktikabel.

 

Mit steigendem Taillenumfang steige das relative Risiko für ein metabolisches Syndrom und sogar das Sterblichkeitsrisiko, sagte Bosy-Westphal. Interessant: 11 Prozent der Frauen haben einen erhöhten Taillenumfang trotz normalem BMI. Etwa 3 Prozent der übergewichtigen Frauen haben eine Taille unter 88 cm. Im letzteren Fall sprechen die Wissenschaftler von »übergewichtigen Stoffwechselgesunden«. In der Regel sind BMI und Taillenumfang aber positiv korreliert, das heißt mit steigendem BMI weitet sich der Bauch und umgekehrt.

 

Taille plus Triglyzeride

 

Eine exakte Quantifizierung des viszeralen Fetts gelingt nur mit der Bildgebung: Im Computertomogramm oder MRT lässt sich das versteckte Bauchfett visualisieren. Hiermit werden auch schlanke Personen mit hohem Fettanteil, sogenannte TOFI (thin outside, fat inside), erkannt. Für die tägliche Praxis sind CT und MRT aber viel zu aufwendig.

 

Die Ernährungswissenschaftlerin empfahl in München für die Risikoabschätzung in der Praxis ein gestaffeltes Vorgehen. Man könne zunächst den etablierten und den Kunden vertrauten BMI bestimmen. Wer hier als »normal« oder »übergewichtig« abschneidet, misst seine Taille. Liegt der Wert im Normbereich, bestehe keine erhöhte Gesundheitsgefahr. Zeigt das Maßband aber zu viele Zentimeter an, sollten die Triglyzeridwerte im Blut gemessen werden. Gleiches gilt für Personen, die laut BMI adipös sind. Sind die Triglyzeride erhöht, besteht erhöhte Gesundheitsgefahr.

 

In Studien hatten ein Viertel bis ein Drittel der Personen mit starker Taille auch erhöhte Triglyzeridwerte. Diese Menschen sind metabolisch besonders gefährdet: Sie haben das höchste Risiko für Insulinresistenz und Diabetes mellitus.

Übergewicht in Deutschland

Die Nationale Verzehrsstudie hat in den vergangenen Wochen das Thema Übergewicht wieder in alle Medien gebracht. Jeder zweite Deutsche ist übergewichtig, jeder fünfte sogar adipös: »Deutsche werden immer dicker« oder »Deutschland wächst in die Breite« - so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen. Doch ganz so stimmt das nicht. Die Zahl der Übergewichtigen ist in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen, sondern geringfügig zurückgegangen. Schon beim Bundesgesundheitssurvey von 1997/98 waren 67 Prozent der Männer und 52,2 Prozent der Frauen übergewichtig. In der aktuellen Studie, also zehn Jahre später, sind dies 66 Prozent der Männer und 50,6 Prozent der Frauen, die einen BMI über 25 aufweisen. Grund zur Entwarnung ist dies allerdings nicht, denn immerhin jeder fünfte Deutsche ist mit einem BMI über 30 fettleibig. Wenn man den aussagekräftigeren Taillenumfang betrachtet, so weisen 27,4 Prozent der Männer und 31,8 Prozent der Frauen zu hohe Werte auf. Das bedeutet, dass knapp ein Viertel der Männer und fast ein Drittel aller Frauen so dick sind, dass sie ihre Gesundheit gefährden.

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