Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Herz-Kreislauf-System

Geregelte Bahnen für das Blut

Datum 01.02.2010  14:00 Uhr

Von Sven Siebenand, Bettina Sauer und Brigitte M. Gensthaler / Lebenslang pumpt das Herz das Blut auf geregelten Bahnen durch den menschlichen Körper. Doch das System ist anfällig für zahlreiche Krankheiten, die den Schwerpunkt beim diesjährigen Pharmacon in Davos bilden. Zur Einstimmung informiert der Titelbeitrag über physiologische Grundlagen und stellt seltene, rätselhafte und unterschätzte Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.

Blut ist ein Multitalent. Ein Leben lang strömt es durch den Körper, um sämtliche Organe und Gewebe mit Sauerstoff aus der Lunge und Nährstoffen aus dem Magen-Darm-Trakt zu beliefern.

Umgekehrt befreit es die Körperzellen von Kohlendioxid und anderen Abbauprodukten, die es der Entsorgung über Lunge, Leber und Niere zuführt. Zudem befördert es Hormone, Komponenten des Immunsystems und weitere physiologische Substanzen zu ihren Einsatzorten und spielt eine wichtige Rolle bei der Thermoregulation.

 

Das Herz ist der Motor

 

Dabei folgt das Blut geordneten Bahnen. Grob lassen sie sich in einen Körper- und einen Lungenkreislauf unterteilen. Schnittstelle und Motor des Systems ist das Herz. Es befindet sich im Innern des schützenden Herzbeutels (Perikard) hinter dem Brustbein, ist ungefähr so groß wie die geballte Faust seines Besitzers und wiegt bei Erwachsenen etwa 320 g (Männer) oder 280 g (Frauen). Seine Wand setzt sich aus drei Schichten zusammen. Außen liegt eine Epithelschicht (Perikard), gefolgt vom Myokard, bestehend aus einer Sonderform von Skelettmuskelgewebe, und einer Endothelschicht (Endokard). Das Innere gliedert sich in vier separate Hohlräume, zwei kleinere Vorhöfe und zwei größere Kammern (Ventrikel). Funktionell lässt sich das Herz in eine rechte und eine linke Hälfte unterteilen, die jeweils mit dem Körper- und dem Lungenkreislauf in Verbindung stehen. Dabei führen arterielle Gefäße das Blut vom Herzen weg, venöse bringen es zurück (siehe dazu Grafik).

So empfängt der rechte Vorhof über die obere und untere Hohlvene sauerstoffarmes kohlendioxidreiches Blut aus dem Körperkreislauf und leitet es in die rechte Kammer weiter. Diese befördert es über die Lungenarterie in den Lungenkreislauf, wo es Sauerstoff anreichert und Kohlen­dioxid abgibt. Das »durchlüftete« Blut gelangt über die Lungenvenen in den linken Vorhof und von dort in die linke Kammer. Diese presst es über die Aorta in den Körperkreislauf, wo es seine vielfältigen Aufgaben erfüllt und über Venen zurück zum rechten Vorhof strömt.

 

Um diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, erfüllt das Herz Zeit seines Lebens eine einzige Aufgabe: pumpen. Dabei leisten die Muskeln in den Kammern die Hauptarbeit, unterstützt durch die beiden Segelklappen zwischen Vorhöfen und Kammern (Trikuspidal- und Bikuspidal-/Mitralklappe) sowie die beiden Taschenklappen zwischen Kammern und nachgeschalteten arteriellen Gefäßen (Aorten- und Pulmonalklappe). So sind alle vier Klappen zu Beginn jeder Kontraktionsphase (Systole) geschlossen. Dadurch nimmt mit der Muskelarbeit der Druck im Kammerinnern stark zu. Wenn er den in den nachgeschalteten Gefäßen übersteigt, öffnen sich die Taschenklappen und das Blut wird bis auf ein Restvolumen ausgetrieben. Bei der nun folgenden Erschlaffungsphase (Diastole) sinkt der Druck im Kammerinnern wieder. Wenn er niedriger liegt als in den arteriellen Gefäßen, schließen die Taschenklappen; bei Unterschreitung des Vorhofdrucks öffnen die Segelklappen. Nun strömt solange Blut weitgehend passiv in die Kammern, bis der Druckunterschied ausgeglichen ist. Dann schließen die Segelklappen, und die Kammern sind bereit für die nächste Systole.

 

Aorta und Lungenarterie gleichen die Druckwellen, die bei der Herzarbeit entstehen, durch ihre elastische Wand aus. Durch deren Dehnung »speichern« sie bei jeder Systole einen Teil des ausgeworfenen Blutes, um ihn während der nächsten Diastole wieder freizugeben (Windkesselfunktion). Auf diese Weise entsteht in den nachgeschalteten Arterien ein relativ gleichmäßiger Blutstrom. Dennoch herrscht dort ein messbares Druckgefälle. Am Oberarm beträgt der höchste Druck während der Anspannungsphase des Herzens, der systolische Blutdruck, normalerweise etwa 110 bis 130 mmHg. Der niedrigste Druck während der Entspannungsphase des Herzens, der diastolische Druck, liegt zwischen 70 bis 85 mmHg.

 

In körperlicher Ruhe schlägt das Herz etwa 70-mal pro Minute und wirft dabei jeweils rund 70 ml Blut aus. Das Produkt beider Werte, das Herzzeitvolumen (HZV), beträgt somit etwa 5 l/min. Das Herz benötigt also ungefähr eine Minute, um das gesamte Blut eines Menschen einmal durch den Kreislauf zu pumpen.

 

Im eigenen Takt

 

Den Rhythmus, in dem es schlägt, gibt sich das Herz selber vor, indem es spontan elektrische Impulse erzeugt und weiterleitet. Dies lässt sich mit der Elektrokardiografie darstellen. Als Schrittmacher dient in erster Linie der Sinusknoten, eine besonders erregbare Muskelgewebsregion an der Einmündung der oberen Hohlvene in den rechten Vorhof. Hier entsteht normalerweise 60- bis 80-mal pro Minute spontan ein Aktionspotenzial. Dabei erhöht sich kurzfristig die Durchgängigkeit der Muskelzellmembran für Natriumionen, was zu einem raschen Anstieg des Membranpotenzials von etwa -90 mV auf etwa +30 mV führt. Dieses Signal stimuliert benachbartes Muskelgewebe im rechten Vorhof, ebenfalls ein Aktionspotenzial zu erzeugen. Auf diese Weise wandert der Impuls zum Atrioventrikularknoten (AV-Knoten) auf Höhe der Segelklappen. Von dort gelangt er innerhalb von Sekundenbruchteilen über das His-Bündel, den Kammerschenkel und die Purkinje-Fasern zum Myokardgewebe und breitet sich dort aus. Dabei verlängern die Herzmuskelzellen das Aktionspotenzial um die sogenannte Plateauphase, die durch eine veränderte Membranleitfähigkeit für Calcium- und Kaliumionen zustande kommt, auf etwa 300 ms. Das gibt dem Gewebe genug Zeit für eine kräftige synchrone Kontraktion, bevor die Rückbildung des Aktionspotenzials und damit eine Erschlaffung folgt.

 

Auch AV-Knoten und Kammermyokard können spontane Erregungen bilden und somit das Herz zum Schlagen bringen, wenn auch in niedrigeren Frequenzen. Das dient als Sicherungssystem gegen einen Herzstillstand, falls der Sinusknoten ausfällt.

 

Oberkommando im Oberstübchen

 

Um das Herz an den aktuellen Bedarf anzupassen, befindet es sich unter ständiger Kontrolle des vegetativen Nervensystems. Bei Aktivierung des Sympathikus, zum Beispiel aufgrund einer körperlichen Belastung, nehmen Schlagfrequenz und Muskelkraft zu, sodass das Herz bis zu 25 l Blut pro Minute durch das Kreislaufsystem pumpt. Umgekehrt dämpft eine erhöhte Aktivität des Parasympathikus das Herzzeitvolumen.

 

Letzteres bestimmt zusammen mit dem Strömungswiderstand, den die Arterien dem Blut entgegensetzen, den sogenannten arteriellen Mitteldruck. Dieser liegt bei herznahen Gefäßen zwischen dem systolischen und diastolischen Druck und wird laufend vom Körper überwacht. Als Messfühler dienen sogenannte Pressorezeptoren, die im Aortenbogen und an der Teilungsstelle der Halsschlagader sitzen. Ihre Messwerte übertragen sie über Nerven an das Kreislaufzentrum im zentralen Nervensystem, genauer in der Medulla oblongata und dem benachbarten Hirnstamm. Dort erfolgt der Abgleich mit einem gespeicherten Sollwert und gegebenenfalls die Korrektur, woran abermals das vegetative Nervensystem beteiligt ist. So führt eine Erregung des Sympathikus bei den meisten arteriellen Gefäßen zu einer Verengung und damit zur Erhöhung des Blutdrucks. Viele weitere Botenstoffe sind an der Blutdruckregulation beteiligt.

 

Grundsätzlich müssen Arterien und die nachgeschalteten kleineren Arteriolen hohe Drücke aufbauen und aushalten. Deshalb enthält ihre dreischichtige Wand sehr viele Glattmuskelzellen. Dagegen besteht die der hauchdünnen Kapillaren, die auf die Arteriolen folgen, nur aus einer dünnen Endothelschicht, bedeckt von einer Basalmembran. Das ermöglicht einen leichten Übertritt von kleinen Molekülen, Botenstoffen und Immunzellen, also den eigentlichen Sinn des Kreislaufsystems. Schätzungsweise 40 Milliarden Kapillaren durchziehen als engmaschige Netzwerke sämtliche Organe und Gewebe.

Nach deren Passage fließt das Blut zunächst in die kleineren Venolen und von dort in die größeren Venen. Diese verfügen wieder über dreischichtige Wände, aus denen an vielen Stellen paarig angeordnete Klappen herausragen. Sie verhindern, ähnlich wie die Herzklappen, den Rückfluss des Blutes gegen die Strömungsrichtung. Unterstützt wird die Klappenfunktion durch die Arbeit der Skelettmuskulatur in der Umgebung der Venen, die sogenannte Muskelpumpe. Zudem begünstigt eine Art Saugfunktion, die das pumpende Herz und die atmende Lunge ausüben, den Rückstrom des Blutes auch gegen das Schwerkraftgefälle. Mit dessen Eintritt in den rechten Vorhof beginnt die nächste Runde des Blutkreislaufs.

 

Bei vielen Menschen arbeitet das System über viele Jahrzehnte vorbildlich. Jedoch ist es anfällig für eine Fülle von Erkrankungen, die das Hauptthema beim diesjährigen Pharmacon in Davos bilden. Ergänzend dazu stellt die PZ in dieser Ausgabe seltene, rätselhafte und unterschätzte Leiden des Herzens und der Gefäße vor. Die Übersicht finden Sie hier.

Die Autoren

Brigitte M. Gensthaler studierte Pharmazie in München und erhielt 1984 die Approbation als Apothekerin. Nach mehrjähriger Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke wechselte sie in die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung. Seit Anfang der 1990er-Jahre arbeitet sie im Münchener Redaktionsbüro der Pharmazeutischen Zeitung. Sie leitet das Ressort Titel.

gensthaler(at)govi.de

 

Dr. Bettina Sauer studierte in Marburg Pharmazie und erhielt 1999 die Approbation als Apothekerin. 2003 wurde sie am Institut für Pharmazie (Pharmakologie) der Freien Universität Berlin promoviert. Anschließend absolvierte sie ein Aufbaustudium Wissenschaftsjournalismus an der Freien Universität Berlin. Seit 2007 arbeitet sie als Redakteurin im Hauptstadtbüro der PZ.

sauer(at)govi.de

 

Sven Siebenand studierte Pharmazie an der Martin-­Luther-Universität in Halle. Die Approbation als Apotheker erfolgte 2001 im Anschluss an das praktische Jahr in einer öffentlichen Apotheke und in der pharmazeutischen Industrie bei der Merck KGaA in Darmstadt. Nach einem Volontariat bei der Pharmazeutischen Zeitung arbeitet er seit 2006 als Redakteur bei der PZ.

siebenand(at)govi.de

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa