Die Zeit drängt |
02.02.2010 17:43 Uhr |
Natürlich müssen sich nicht alle Mitglieder einer Koalition in allen Fragen einig sein. Ein bisschen mehr Einigkeit als derzeit dürfte es aber schon sein.
Die Bundesregierung hatte zu Beginn ihrer Amtszeit den richtigen Weg in der Gesundheitspolitik eingeschlagen: Mehr Eigenverantwortung sollten die Versicherten übernehmen. Der überbordenden Bürokratie und den sich teilweise widersprechenden Regulierungen wurde der Kampf angesagt. Die Freien Berufe
sollten wieder ein Stück mehr Freiheit bekommen und eine tragende Rolle in der Versorgung der Patienten übernehmen. Das hörte sich damals nach Konsens an. Die Zeiten der großen Koalition, in der SPD und Union um jeden Kompromiss rangen und es wie beim Gesundheitsfonds oft doch nur zu einem Nichtangriffspakt reichte, schienen überwunden.
Also zu früh gefreut? Vielleicht ist das so. Die aktuellen Diskussionen unterscheiden sich kaum von den regierungsinternen Differenzen der letzten Legislaturperiode. Das gilt auch für die Zusatzbeiträge. Erst ist die Union dagegen, dann bemerkt sie, dass man sie selbst eingeführt hat. Jetzt möchten Teile der FDP sie wieder abschaffen (siehe dazu Zusatzbeiträge: Acht Euro spalten die Politik). Ähnlich läuft es bei der Gesundheitsprämie. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler knüpft sein politisches Schicksal an deren Einführung. CSU-Chef Horst Seehofer kämpft mit aller Macht dagegen. In der CDU halten sich Befürworter und Gegner in etwa die Waage. Dabei interessiert es kaum, dass renommierte Gesundheitsökonomen die Prämie keinesfalls für unsozial halten und ihr auch sonst Vorzüge bescheinigen (siehe dazu GKV-Finanzierung: Zankapfel Gesundheitsprämie).
Das ist bedauerlich, denn tatsächlich scheinen die Koalitionspartner in ihren Vorstellungen deutlich näher beieinander, als es SPD und CDU waren. Im politischen Dauerwahlkampf ist für Einigkeit aber kaum Platz. Profilierung funktioniert wie es scheint nur über Abgrenzung. Doch die Zeit rennt der Regierung davon. Wenn es den angekündigten Neustart in der Gesundheitspolitik noch geben soll, müsste man bald die Reset-Taste drücken. Die Zeit drängt.
Es wäre aber falsch, die Hoffnung jetzt schon aufzugeben. In Kürze soll die Regierungskommission ihre Arbeit aufnehmen und ein Konzept für eine neue Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung entwickeln. Wenn dann im Mai die für die Bundesratsmehrheit wichtige Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen gelaufen ist, könnte sich die Regierung endlich auf das Wesentliche konzentrieren. Gelingen kann das ehrgeizige Projekt aber nur, wenn alle Beteiligten endlich parteitaktische Überlegungen und persönliche Profilierung zurückstellen. Für unpopuläre Entscheidungen braucht es Geschlossenheit. Die Opposition braucht keine Unterstützung. Für ausreichenden Gegenwind kann sie allein sorgen.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur