Pharmazeutische Zeitung online

Würmer als Multiple-Sklerose-Therapie

23.01.2007  10:57 Uhr

<typohead type="3">Würmer als Multiple-Sklerose-Therapie

Von Christina Hohmann

 

Ein Löffel voll Wurmeier könnte Patienten mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose helfen. Eine aktuelle Studie weist darauf hin, dass Infektionen mit Parasiten das Immunsystem davon abhalten, körpereigenes Gewebe anzugreifen.

 

Vorangegangene Tierversuche hatten gezeigt, dass Infektionen mit Parasiten den Verlauf von Autoimmunerkrankungen beeinflussen können. Um zu testen, ob dies auch auf Menschen zutrifft, verfolgten Forscher um Jorge Correale und Mauricio Farez vom Raúl-Carrea-Institut für Neurologische Forschung in Buenos Aires, Argentinien, den Krankheitsverlauf von 24\x0fMS-Patienten. Die Hälfte der Patienten hatte sich nach der Diagnose Multiple Sklerose mit einem Parasiten (wie Band- oder Fadenwürmer) infiziert, die andere Hälfte litt auch an der Autoimmunerkrankung, war aber nicht infiziert. In der insgesamt 4,5 Jahre dauernden Untersuchung unterzogen sich die Patienten alle drei Monate einem neurologischen Test und alle sechs Monate einer Gehirn-MRI. In den letzten 12 bis 18 Monaten der Studie wurde auch die Immunzell-Aktivität der Patienten gemessen.

 

Das Ergebnis war eindeutig: In der Gruppe der infizierten Patienten traten nur drei Krankheitsschübe auf, während es in der uninfizierten Gruppe 56 Schübe waren. Nur zwei der infizierten Patienten zeigten minimale Veränderungen des Expanded Disability Status Scores (EDSS), der krankheitsbedingte Behinderungen anzeigt. Dagegen wiesen elf der zwölf Patienten aus der Kontrollgruppe eine Verschlechterung des EDSS auf, berichten die Mediziner in der Januarausgabe des Fachjournals »Annals of Neurology« (Doi: 10.1002/ana.21067). Da es sich bei Multipler Sklerose um eine Erkrankung handelt, bei der Cytokine eine Immunattacke bewirken, maßen die Forscher auch die Zahl der Immunzellen, die Cytokinsuppressiva produzieren. Diese war bei infizierten Patienten signifikant höher als bei uninfizierten.

 

Den Medizinern zufolge legen ihre Studienergebnisse nahe, dass die Immunreaktion auf eine Parasiteninfektion die mit MS assoziierten Autoimmunreaktionen dämpft. Der Grund hierfür könnten regulatorische T-Zellen (Treg) sein. »Parasiten könnten zu einer Erhöhung der Zahl an regulatorischen T-Zellen führen, entweder indem neue Zellen entstehen oder indem existierende aktiviert werden«, schreiben die Forscher in der Publikation. Diese regulatorischen T-Zellen steuern bekanntermaßen die Immunreaktionen, die durch TH1- und TH2-Zellen bedingt werden. Die Hypothese der Forscher ist, dass bestimmte Bakterien und Parasiten im Laufe der Evolution Strategien entwickelt haben, regulatorische T-Zellen zu stimulieren, um die Immunreaktion des Wirtes zu verringern und ihr Überleben im Wirtsorganismus zu verlängern.

 

Durch die modernen Hygienestandards infizieren sich Menschen seltener mit diesen Bakterien und Parasiten, sodass die regulatorischen T-Zellen inaktiv werden und TH1- beziehungsweise TH2-Zellen die Oberhand gewinnen. Diese Hypothese könnte auch eine Erklärung dafür liefern, warum die Zahl von Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes und Multiple Sklerose sowie von Allergien in den letzten Jahrzehnten in den Industriestaaten ständig gestiegen ist. Denn Allergien entstehen durch eine überschießende TH1-Reaktion und Autoimmunerkrankungen durch eine überschießende TH2-Reaktion.

 

Bevor MS-Patienten Wurmeier zu sich nehmen, sind aber noch weitere Untersuchungen notwendig. Die Ergebnisse sind zwar interessant, aber mit Vorsicht zu betrachten. Denn die Studie war nicht verblindet und die Probandenzahl außerordentlich klein. Correale ist sich dessen bewusst und will seine Untersuchungen weiterführen: »Eine bessere Kenntnis der Immunreaktion bei Autoimmunerkrankungen und Parasiteninfektionen kann uns helfen, die beste Behandlungsstrategie zu finden.« Andere Forschergruppen untersuchen den Nutzen der »Wurmtherapie« bereits bei Patienten mit einer anderen Autoimmunerkrankung, dem Morbus Crohn.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa