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Pusteln schon bei den Kleinsten

23.01.2006  12:15 Uhr

Akne

<typohead type="3">Pusteln schon bei den Kleinsten

von Conny Becker, Berlin

 

Bei Akne denkt man in der Regel zunächst an Teenager, denen die Hormonumstellung auch im Gesicht zu schaffen macht. Akne kann jedoch schon bei Neugeborenen und Kleinkindern auftreten und muss gegebenenfalls behandelt werden.

 

Bereits im ersten Lebensjahr kann die Babyhaut von unschönen und zum Teil belastenden Akneveränderungen übersät sein. »Hier unterscheiden Dermatologen zwischen der Acne neonatorum, der Neugeborenenakne, und der Acne infantum, der Kleinkindakne«, erklärte Professor Dr. Bodo Melnik aus Osnabrück, auf dem interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer.

 

Die Acne neonatorum kann bereits vor der Geburt bestehen oder sich in den ersten Lebenswochen entwickeln. Ihre Inzidenz liegt bei etwa 20 Prozent, Hebammen sprechen laut Melnik von noch höheren Zahlen. Die meist männlichen Säuglinge - die Erkrankung tritt im Verhältnis 4:1 (m:w) auf - weisen auf den Wangen, seltener auf Stirn und Kinn, nicht entzündliche geschlossene Komedonen auf. Bei klinisch stärker in Erscheinung tretenden Erkrankungen sind auch offene Komedonen, Papeln und Pusteln (mit Eiter) vorhanden. »In der Regel verläuft die Neugeborenenakne mild und heilt ohne Narben meist innerhalb von drei, selten sechs Monaten spontan ab«, sagte der Dermatologe. Diese Harmlosigkeit gelte es besorgten Eltern zunächst zu vermitteln.

 

Ist die Akne jedoch stärker ausgeprägt, kann sie topisch mit 20-prozentiger Azelainsäure-Creme oder 0,025- bis 0,05-prozentiger Tretinoin-Creme behandelt werden. Gegen eine stärkere Entzündung setzt der Mediziner auch Cremes oder Gele mit 2 Prozent Erythromycin oder 2,5 Prozent Benzoylperoxid (BPO) ein. Wichtig für die Beratung: Eltern sollten bei der Gesichtspflege des Säuglings keine Babyöle oder andere fettige Präparate verwenden. Nützlich ist auch der Hinweis, dass BPO farbige Textilien bleichen kann.

Möglicher Therapieansatz

Bei der Entwicklung der Akne spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle. Involviert sind hier auch die so genannten PPARs (Peroxisome Proliferator-Activated Receptors). Diese im Zellkern befindlichen Hormonrezeptoren, vor allem PPARγ, regulieren die Talgdrüsendifferenzierung und die Lipidbiosynthese in den Sebozyten. Für den natürlichen Liganden, ein Prostaglandin-J2-Derivat, konnte die Stimulation der Triglyceridsynthese in Sebozyten nachgewiesen werden. Ein Antagonist könnte daher als mögliches Aknetherapeutikum dienen. Bereits am Patienten getestet wurde der 5-Lipoxigenasehemmer Zileuton, der die Bildung von Leukotrien B4 hemmt - dem natürlichen Liganden des PPARα, der ebenfalls eine Rolle bei der Lipogenese spielt. Die Gabe reduzierte signifikant die Sebumbildung und besserte das klinische Bild der Acne vulgaris.

Die Neugeborenenakne kann leicht mit anderen Hauterkrankungen verwechselt werden und muss differenzialdiagnostisch von diesen getrennt werden. Ist das Babygesicht von Papeln und Pusteln gezeichnet, ohne dass Komedonen vorhanden sind, spricht das für eine neonatale zephale Pustulose. Diese Hautkrankheit wird durch die lipophile Hefe Malassezia sympodialis hervorgerufen und kann laut Referent topisch mit 2-prozentigem Ketokonazol behandelt werden. Auch komedogene, fettende Externa oder eine Medikation der Mutter (Lithium, Steroide, Diphenylhydantoin und Halogene) seien mögliche Gründe für eine Akne bei Neugeborenen.

 

Akne infantum frühzeitig behandeln

 

Die Akne infantum plagt zumeist männliche Säuglinge ab dem dritten bis neunten Lebensmonat und kann dann über mehrere Monate bis Jahre andauern. In einigen Fällen hält sie Melnik zufolge auch bis zur Pubertät an und geht dann in eine Pubertätsakne über. Generell ist die etwas später und seltener auftretende Hautkrankheit stärker ausgeprägt als die Neugeborenenakne und somit häufiger behandlungsbedürftig. Sie verläuft oft entzündlich und die Effloreszenzen, zu denen neben Papeln, Pusteln und Komedonen auch Knoten und Zysten zählen können, sind über größere Hautareale an Wangen, Stirn und Kinn ausgedehnt. In der Regel heilt die Akne infantum innerhalb von vier bis fünf Jahren ab, bei stärker entzündlichen Verläufen können Narben zurückbleiben.

 

Ist die Erkrankung leicht ausgeprägt, reicht in der Regel die topische Behandlung mit Tretinoin (0,025 bis 0,05 Prozent) oder Azelainsäure (20 Prozent), BPO (2,5 bis 5 Prozent) und Erythromycin (1 bis 2 Prozent) aus. Laut Melnik bietet sich hier eine Kombination an: Abends sollte mit einem primär komedolytisch wirkendem Externum etwa mit Tretinoin gecremt werden, morgens mit einem in erster Linie antimikrobiellen Präparat, das etwa Benzoylperoxid oder Erythromycin enthält. Bei stärker entzündlichen Effloreszenzen sollten auch die Säuglinge zweimal täglich ein orales Antibiotikum erhalten (je 125 bis 250 mg Erythromycin, bei resistenten Bakterien je 100 mg Trimethoprim). »Orale Tetrazykline sind bis zum achten Lebensjahr auf Grund der dauerhaften Zahnverfärbung kontraindiziert«, erinnerte der Mediziner seine Kollegen.

 

In seltenen Fällen kann die Erkrankung in eine acne conglobata infantum übergehen. Diese ist durch ineinander fließende Knoten und Zysten, meist an den Wangen gekennzeichnet. Die betroffenen Kinder sind häufig prädisponiert (Eltern mit schwerer Akne) und haben ein erhöhtes Risiko für eine schwere Akne in der Pubertät. »Konsens in der Therapie ist hier die orale Isotretinointherapie«, sagte der Mediziner. Das Retinoid gilt als Mittel der Wahl, wenn der kleine Patient auf orales Erythromycin nicht anspricht. Die Dosierung beträgt dabei 0,3 bis 0,7 mg/kg Körpergewicht über zunächst vier bis sechs Monate. Vor Beginn der Therapie sollten die Eltern darüber aufgeklärt werden, dass Isotretinoin das Wachstum auf Grund verlangsamten Knochenwachstums (zeitlich) verzögern kann. »Das Risiko ist aber im Wesentlichen vernachlässigbar«, urteilte Melnik. Während der Behandlung müssten jedoch das Blutbild, die Leberfunktion und die Serumlipide alle zwei bis vier Wochen kontrolliert werden. Anschließend wird eine Nachbehandlung mit topischen Isotretinoin- oder Tretinoin-Präparaten empfohlen.

Weshalb auch Babys Akne bekommen können

Ganz erforscht sind die Pathogenesemechanismen noch nicht. Doch man nimmt an, dass die Gründe für die Ausbildung der Akne im Säuglingsalter dieselben sind wie die in der Pubertät: die von Androgenen gesteigerte Sebumproduktion, die follikuläre Hyperkeratose, die durch dieses Milieu begünstigte Besiedlung der Talgdrüsenfollikel mit Popionibacterium acnes sowie dadurch angestoßene immunologische und inflammatorische Prozesse. Ausgangspunkt ist auch hier ein erhöhter Androgenspiegel, doch wie kommt der zustande?

 

Betrachtet man die Bedingungen im Mutterleib, wird einiges klar: »Der Fetus braucht eine Schutzschicht gegen den eigenen Urin, die Vernix caseosa«, veranschaulichte Melnik. Und so fängt der Fetus zwischen der achten bis zehnten Gestationswoche an, DHEAS (Dehydroepiandrosteronsulfat) zu produzieren, und etwa fünf Wochen später, Talgdrüsen zu entwickeln. Sebozyten verfügen über Enzyme, die das Androgen zu Testosteron und Dihydrotestosteron, dem eigentlichen Trigger der Seborrhö, umwandeln. Zwar kann auch Testosteron die Talgproduktion anstoßen, DHT hat jedoch eine 5- bis 10fach höhere Affinität zum zytoplasmatischen Androgenrezeptor, der als Komplex mit dem jeweiligen Androgen in den Zellkern wandert und eine erhöhte Proliferation von Talgdrüsen bewirkt.

 

Zur Zeit der Geburt bis zum zweiten, dritten Lebensjahr ist die Expression der für die Umwandlung zu DHT essenzielle 5-α-Reduktase vom Typ 1 gesteigert, ebenso wie während der Pubertät. »Die Androgenbildung in der Haut läuft in zwei Wellen ab«, so Melnik, und zwar als Reaktion auf das hohe Hormonangebot. Da Sebozyten in Kopf- und Gesichtshaut verglichen mit anderen Hautarealen das Enzym verstärkt exprimiert, erklärt sich auch das primäre Auftreten in diesen Körperregionen.

 

»Die Perinatal- und Postnatalzeit sind Phasen exzessiver adrenaler Androgensynthese«, fasste Melnik zusammen. Androgenquellen vor der Geburt seien außer der Nebennierenrinde des Fetus, die Testes sowie die mütterliche Nebennierenrinde und die Ovarien. Neben der gesteigerten Hormonproduktion wird auch eine genetisch bedingte hohe Androgensensitivität sowie ein gestörter Androgen-Metabolismus in der Talgdrüse als Akneursache diskutiert.

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