Veraltet, ungenau oder fehlerhaft |
17.01.2006 12:17 Uhr |
<typohead type="3">Veraltet, ungenau oder fehlerhaft
von Kerstin A. Gräfe, Eschborn
Die zur Verfügung stehenden Fachinformationen zu Arzneimitteln sind häufig nicht aktuell, unvollständig oder zumindest nicht präzise genug. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Professor Dr. Walter Haefeli und seinen Mitarbeitern vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Bei zwei Dritteln der untersuchten Arzneimittelkombinationen entsprachen die Fachinformationen nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. 16 Prozent der klinisch relevanten Wechselwirkungen wurden in den Fachinformationen überhaupt nicht erwähnt.
Ausgangspunkt der Studie waren die Antworten von 1216 Allgemeinmedizinern auf die Frage, welche Arzneimittelkombinationen ihrer Ansicht nach Wechselwirkungen hervorriefen. Die 65 Substanzen, die dabei mindestens dreimal genannt wurden, bildeten die Basis der Studie.
579 Zweierkombinationen dieser Substanzen, deren Wechselwirkungen als klinisch relevant beschrieben sind, wurden schließlich in die Studie einbezogen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass bei 91 Kombinationen, also bei etwa jedem sechsten Präparat, ein entsprechender Hinweis fehlt: 25-mal in beiden Fachinformationen und 66-mal in einer der beiden Fachinformationen. So ist zum Beispiel die bekannte Wechselwirkung von Diltiazem und Simvastatin in der Fachinformationen von Simvastatin (zum Beispiel Zocor®) erwähnt, nicht aber in einigen von Diltiazem (zum Beispiel Dilzem®). Bei gleichzeitiger Gabe kommt es zu einer fünffachen Erhöhung der Konzentration des Lipidsenkers, da der Calciumantagonist dessen Abbau hemmt.
Des Weiteren werden häufig Wechselwirkungen in verfälschender Weise auf die gesamte Substanzklasse statt auf deren einzelne Vertreter bezogen, die sich oft erheblich in ihrer chemischen Struktur unterscheiden. So warnen entsprechende Fachinformationen etwa vor gefährlichen Wechselwirkungen von Warfarin mit Lipidsenkern. Aus der Literatur ist jedoch bekannt, dass Warfarin durchaus mit Pravastatin verträglich ist. Grobe Verallgemeinerungen wurden in insgesamt 102 Fällen festgestellt.
Auf Grund dieser Erhebung haben die Heidelberger Forscher anhand von Verschreibungsdaten für rund 5000 Patienten errechnen können, dass 224 davon Medikamentenkombinationen erhalten, die als fehlerhaft einzuschätzen sind. Sie fordern deshalb die verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaft, pharmazeutischer Industrie und Gesundheitsbehörden, um die Fachinformationen zu verbessern und zu aktualisieren.