Pharmazeutische Zeitung online

Beunruhigende Mutation entdeckt

17.01.2006  16:41 Uhr

Vogelgrippe-Virus

<typohead type="3">Beunruhigende Mutation entdeckt

von Christina Hohmann, Eschborn

 

In der Türkei haben Forscher ein H5N1-Virus isoliert, das genetisch verändert ist. Durch die Mutation ist es nun besser an den Menschen angepasst als an Vögel. Wie weit sich dieser Erreger bereits verbreitet hat, ist noch unklar.

 

Der Erreger der Vogelgrippe hat sich in der Türkei rasant ausgebreitet. In drei Wochen erkrankten 18 Menschen, vier von ihnen starben. Bei einem der Todesopfer haben Forscher nun ein Virus mit einer beunruhigenden Mutation entdeckt. Forscher am National Institute for Medical Research in London, das eng mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammenarbeitet, haben das Erbgut des Virus sequenziert. Die Untersuchung hat ergeben, dass in dem fürs Andocken an Wirtszellen verantwortliche virale Protein ein Serin gegen ein Asparagin ausgetauscht wurde. Diese Veränderung erhöht bekanntermaßen die Affinität des Erregers für menschliche Rezeptoren, und zwar vor allem für Rezeptoren im Nasen-Rachenraum. Wenn das Virus den oberen Respirationstrakt befällt, kann es sich leichter durch Husten und Niesen verbreiten, als wenn es die Lunge infiziert. Durch die Mutation steigt somit die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragbar wird.

 

Genau diese Mutationen ist bereits zweimal aufgetreten, berichtet die Fachzeitschrift »Nature« auf ihrer Nachrichtenseite. Im Februar 2003 wurde sie bei einem Vater und seinem Sohn in Hongkong beobachtet und vergangenes Jahr bei einem Todesopfer in Vietnam. Diese Veränderungen seien kein Grund zur Panik, sagte die Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts, Elke Reinking. Solche Mutationen treten häufiger auf, ohne die Ausbreitung der Viren zu beeinflussen, wie frühere Fälle zeigen.

 

Um die Verbreitung des mutierten Erregers abschätzen zu können, muss die Analyse der restlichen Proben abgewartet werden. Wenn die Mutation in vielen Proben nachgewiesen wird, könnte dies vielleicht mit ein Grund dafür sein, warum sich der Vogelgrippe-Ausbruch in der Türkei so rasch ausgedehnt hat.

 

Eine Mutation allein führt nicht zu einer effizienten Übertragung von Mensch zu Mensch. Dafür sind mehrere genetische Veränderungen nötig. Dies ergab auch die genetische Analyse des Erregers der Spanischen Grippe. Das Influenzavirus, das 1918 zwischen 20 und 50 Millionen Menschen getötet hat, ist einer neuen Untersuchung zufolge ein reines Vogelgrippevirus, das sich durch Mutationen an den Menschen angepasst hat. Hierfür sind etwa 25 bis 30 Veränderungen in der Aminosäurefolge der viralen Proteine notwendig. Die jetzt entdeckte Mutation ist somit nur ein erster Schritt zu einer verbesserten Übertragbarkeit.

 

Infektionen häufiger als gedacht

 

In der Türkei sind Wissenschaftler auf eine Gruppe von ungewöhnlichen Fällen gestoßen: Insgesamt vier Kinder und ein Erwachsener sind mit dem H5N1-Virus infiziert, zeigen aber keine beziehungsweise nur schwache Symptome. Alle bisher bekannten Infektionen verliefen schwer, mehr als die Hälfte endete tödlich. Die Mediziner spekulieren derzeit, ob es sich um frühe Stadien der Erkrankung oder um milde Verläufe handelt.

 

Einen Hinweis darauf, dass Vogelgrippe-Viren zu leichten Infektionen führen könnten, liefert auch eine aktuelle Studie. Ihr zufolge infiziert H5N1 sehr viel häufiger Menschen als gedacht, führt aber nur selten zu schweren Erkrankungen. Forscher um Anna Thorson vom Karolinska-Institut in Stockholm hatten im Frühjahr 2004 insgesamt 45.000 Vietnamesen aus 12.000 Haushalten zu Grippesymptomen und Kontakt zu erkranktem Geflügel befragt. Die Bewohner stammten aus der ländlichen Region Fila-Bavi, die zur Zeit der Untersuchung stark von der Vogelgrippe betroffen war. Etwa 8100 Personen, also 18 Prozent der Befragten, gaben an, Grippesymptome (definiert als Kombination aus Husten und Fieber) gehabt zu haben. 84 Prozent der Befragten lebten in Haushalten mit Geflügelhaltung und bei 26 Prozent war Geflügel erkrankt. Dabei war Geflügelhaltung selbst kein Risikofaktor für eine Grippeerkrankung, direkter Kontakt mit toten oder kranken Tieren dagegen schon.

 

Die Forscher folgern aus diesen Ergebnissen, dass etwa 650 bis 700 der Erkrankungen auf den Vogelgrippe-Erreger H5N1 zurückgehen. Serologische Nachweise für eine Infektion wurden allerdings nicht vorgenommen. Die schwedischen Wissenschaftler vermuten, dass es deutlich häufiger zu Infektionen beim Menschen kommt, als bislang angenommen. Diese heilen aber in den meisten Fällen aus, weshalb die Patienten nicht im Krankenhaus und damit nicht in den Statistiken landen. Wenn die Annahmen der Forscher stimmen, wäre die Mortalität der Vogelgrippe deutlich geringer als nach bisheriger Datenlage.

 

Der Frage, ob H5N1 auch milde Infektionen hervorruft, gehen nun Experten der WHO in der Türkei nach. Der Vogelgrippe-Ausbruch dort bietet die Gelegenheit, den Erreger zu untersuchen und die Wirksamkeit antiviraler Medikamente zu testen. Die WHO plant derzeit verschiedene Studien, um die Epidemiologie der Erkrankung und die Möglichkeit einer Übertragung von Mensch zu Mensch zu untersuchen. Laut Angaben der WHO sind in der Türkei bislang keine Fälle einer solchen Ansteckung aufgetreten. Alle Infizierten hatten direkten Kontakt mit kranken oder toten Tieren.

 

Bis in die EU ist die Vogelgrippe bislang nicht vorgedrungen. Meldungen von Erkrankungen, eine in Köln und eine in Belgien, haben sich als Fehlalarm herausgestellt. Die Bundesregierung sieht Deutschland bei der Abwehr der Vogelgrippe als gut aufgestellt. Falls ein Pandemie-Virus bei Menschen festgestellt werden sollte, sei man « darauf vorbereitet», sagte der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums Klaus Vater. Alle Maßnahmen, die der Bundesregierung zur Verfügung stünden, seien ergriffen worden.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa