Baby aus künstlich gereiften Eizellen |
16.01.2006 12:10 Uhr |
<typohead type="3">Baby aus künstlich gereiften Eizellen
von Sven Siebenand, Eschborn
Mithilfe der In-vitro-Maturation erfüllte sich für eine 31-Jährige der lang gehegte Kinderwunsch. Sie brachte in der Universitätsfrauenklinik Lübeck einen gesunden Sohn zur Welt. Bundesweit ist es das erste Kind, das nicht nur künstlich im Reagenzglas gezeugt wurde, sondern auch aus künstlich gereiften Eizellen hervorgegangen ist.
Bei der In-vitro-Maturations-Behandlung (IVM) werden noch unreife Eizellen aus dem Eierstock der Frau entnommen. Diese reifen dann im Reagenzglas über Stunden bis Tage in einem Nährmedium heran. Dann werden sie wie bei der herkömmlichen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Samenzellen befruchtet. Der daraus entstehende Embryo wird wie üblich in die Gebärmutter eingesetzt.
Bei der IVM ist nur eine kurze und niedrig dosierte Hormongabe nötig. Dagegen wird bei der herkömmlichen IVF das Heranreifen von Eizellen im Körper der Frau durch eine hoch dosierte, oft nebenwirkungsreiche und kostenintensive Hormongabe stimuliert, erklärte Professor Dr. Klaus Diedrich, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).
Bei bis zu 8 Prozent aller Frauen tritt durch die 10- bis 14-tägige Hochdosis-Hormonbehandlung während der IVF ein Überstimulationssyndrom auf. Hierbei tritt auf Grund der Hormongaben vermehrt Wasser aus den Gefäßen ins Gewebe über. Die Eindickung des Blutes begünstigt das Entstehen von Thrombose oder Embolien. Auch Nebenwirkungen wie Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Wasseransammlungen im Bauch, Atemnot oder sogar lebensbedrohliches Organversagen können die Folgen sein. Bei der neuen IVM-Technik dagegen werden die Frauen nur vier Tage mit geringen Hormondosen behandelt. In Deutschland bieten nach Angaben der DGGG nur die Universitätskliniken Lübeck und Heidelberg dieses Verfahren an. Die Kosten dafür liegen etwa um die Hälfte niedriger als für eine herkömmliche IVF-Behandlung (pro IVF circa 3000 Euro). Geeignet sei IVM für Frauen im Alter bis 37 Jahre.
Ein weiterer Vorteil der Methode ist, dass sich krebskranke Frauen vor einer die Eierstöcke schädigenden Chemotherapie unreife Eizellen entnehmen und einfrieren lassen können. Zu einem späteren Zeitpunkt können diese dann für die Erfüllung des Kinderwunsches genutzt werden.
Risiken noch ungeklärt
Obwohl bereits weltweit zwischen 400 und 500 Kinder dank IVM zur Welt kamen, ist das Verfahren immer noch als experimentell zu bewerten. Die Eizellreifung lässt sich im Labor bislang anscheinend noch nicht perfekt nachahmen. Das zeigen insbesondere auch die Ergebnisse von Dr. Peter Farin von der North Carolina State University in Raleigh. Im Fachmagazin »Theriogenology« (65, Seite 178) weist er darauf hin, dass sich 50 bis 80 Prozent der in einem Organismus heranreifenden Eizellen nach einer Befruchtung teilen. Im Labor schaffen das nur 15 bis 40 Prozent der Eizellen. Die Folgen für die Wachstumsvorgänge im Embryo und Fetus seien bislang nicht abschätzbar.
Untersuchungen an menschlichen Embryonen haben ergeben, dass diejenigen, die aus einer im Labor gereiften Eizelle entstanden sind, zu circa 80 Prozent Chromosomenschäden aufweisen. Biopsien an einer Kontrollgruppe von Embryonen, die ebenfalls künstlich befruchtet worden waren, ließen dagegen nur in rund 60 Prozent der Fälle Chromosomenfehler erkennen. Den Wissenschaftlern zufolge sollten Paare mit Kinderwunsch über dieses höhere Risiko aufgeklärt werden.
Nach dem Einverständnis der Ethikkommission startete Anfang vergangenen Jahres am Universitätsklinikum Lübeck die erste deutsche Studie mit 35 Patientinnen. Bislang erfüllte sich nur der Kinderwunsch der 31-Jährigen. Die Arbeit an IVM wird fortgesetzt. »Nach den bisherigen Erfahrungen stellt diese Methode langfristig eine Alternative zu den heute etablierten Behandlungskonzepten der Reproduktionsmedizin dar«, sagte Diedrich.