Arbeitgeber wollen Prämie und Fremdbesitz |
16.01.2006 12:10 Uhr |
<typohead type="3">Arbeitgeber wollen Prämie und Fremdbesitz
von Thomas Bellartz, Berlin
In die Debatte um eine Neuausrichtung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) greifen gerne Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände ein. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt schlug in Berlin jetzt die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes bei Apotheken vor und fordert die Einführung eines Prämienmodells.
Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) verlangte in Berlin von der Bundesregierung, dass die sich weniger Zeit lasse mit der anstehenden Reform. Bemerkenswert ist, dass Arbeitgeber-Chef Hundt auf der Kostenseite einmal mehr die Aufhebung des Mehr- und Fremdbesitzverbotes bei Apotheken fordert. Dies sei auf der Ausgabenseite zur Systemrenovierung notwendig.
Die schnelle Umstellung der GKV auf ein Prämienmodell sei aus Sicht der Unternehmer der einzig gangbare Weg. Mit einem eigenen Konzept befeuert der BDA eine Debatte, die in der Hauptstadt auf der Suche nach einer Lösung irgendwo zwischenBürgerversicherung und Gesundheitsprämie gegangen ist. Indes scheint der Vorschlag des BDA dem der Union sehr nahe zu kommen.
Demnach soll künftig jeder Versicherte eine Prämie von durchschnittlich 180 Euro im Monat bezahlen. Im Gegenzug sollen die Gesundheitskosten innerhalb des Systems deutlich gesenkt werden. Das sei der einzig erkennbare Weg, die Sozialbeiträge aus Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung dauerhaft auf unter 40 Prozent des Bruttolohns senken. Der BDA greift damit eine Kernaussage der großen Koalition auf, die während ihrer Klausur in Genshagen das Unterschreiten der 40-Prozent-Marke zum Maßstab ihres politischen Erfolges erklärte.
»Die letzte Gesundheitsreform hat eine kurze Atempause verschafft, aber nicht mehr«, sagte Hundt. Nach dem Prämienmodell würden die 56 Millionen gesetzlich krankenversicherten Erwachsenen die monatliche Gesundheitsprämie unabhängig von der Höhe ihres Einkommens bezahlen. Die 14,5 Millionen Kinder würden prämienfrei mitversichert. Für einkommensschwache Versicherte gäbe es einen Sozialausgleich.
Der Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung soll nach dem BDA-Modell als Teil des Bruttolohns ausgezahlt werden. Auch diese Forderung ist nicht neu, sondern findet sich in zahlreichen anderen Papieren von Industrie- und Unternehmensverbänden längst wieder. Um die Gesundheitskosten zu verringern, schlagen die Arbeitgeber unter anderem vor, den Wettbewerb zwischen den Kassen zu stärken. Außerdem soll der Arzneimittelvertrieb liberalisiert, die Preisbindung beseitigt und das Mehrbesitz- und Fremdbesitzverbot für Apotheken vollständig aufgehoben werden. Durch mehr Selbstbeteiligung und einen besseren Einblick in die Kosten soll die Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt werden. Statt zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal sollen die Patienten fünf Euro pro Arztbesuch zahlen.
Die Arbeitgeber kritisieren, dass Deutschland im internationalen Vergleich die dritthöchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung aufweise, beim medizinischen Leistungsstand aber nur einen mittleren Platz belege. Dies sei ein Zeichen für Ineffizienz. Freilich gibt es auch Studien, die das deutsche Gesundheitswesen auf einem besseren Platz im internationalen Vergleich sehen.
Während weder aus dem Ministerium noch von den Leistungserbringern Reaktionen auf den BDA-Vorschlag kamen, wies der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Forderung nach einem Prämienmodell zurück. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer: »Ich warne Herrn Hundt davor, die Schlachten von gestern erneut schlagen zu wollen.«