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HIV-Forschung

Aus der Sojasoße ins Implantat

Das Pharmaunternehmen MSD hat mit Islatravir einen spannenden HIV-Wirkstoff in der Entwicklung. Ein neuer Wirkmechanismus, die lange Halbwertszeit und die Wirksamkeit in niedrigen Dosierungen machen die Substanz interessant. Hinzu kommt die ungewöhnliche Herkunft aus der Soßen-Verfeinerung.
Sven Siebenand
29.11.2019  17:00 Uhr

Nukleoside kommen in der Lebensmittel-Branche gerne als Geschmacksverstärker zum Einsatz. Deshalb testet auch dieser Industriezweig neue Substanzen. Islatravir hieß früher MK-8591 und stammt aus der Pipeline des japanischen Unternehmens Yamasa, das als Sojasoßen-Hersteller weltweit bekannt ist. Im Jahr 2012 erwarb MSD die Rechte an MK-8591, nicht um einen Quereinstieg in die Soßenküche zu wagen, sondern um daraus einen neuen Wirkstoff für die HIV-Behandlung zu machen. Dass das glücken wird, ist recht wahrscheinlich.

Islatravir zeichnet sich durch einen neuen Wirkmechanismus aus. Es handelt sich um einen sogenannten nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Translokations-Inhibitor (NRTTI). Bisher verfügbaren nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern (NRTI) wie Lamivudin oder Emtricitabin fehlt eine wichtige 3´-Hydroxylgruppe im Molekül. Wenn sie nach Aktivierung in den wachsenden DNA-Strang als falscher Baustein eingebaut werden, macht das eine Kettenverlängerung unmöglich. Anders sieht es bei Islatravir aus, das diese OH-Gruppe im Molekül besitzt. Damit kann sie an den Primer, der als Startpunkt für die Nukleinsäure-Synthese dient, binden. Danach ist allerdings Schluss. Weitere Nukleotide können nicht mehr angehängt werden, weil die Verlagerung (Translokation) des Primer-Strangs nun blockiert wird und so die Bindestelle für weitere Nukleotide nicht mehr erreichbar ist.

Implantat zur PrEP

MSD testet den neuen Wirkstoff derzeit für unterschiedliche Anwendungsgebiete. Eines davon ist die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP). Diese könnte eines Tages vielleicht auch mithilfe eines Islatravir-Implantats erfolgen. In einer kleinen Proof-of-concept-Studie der Phase I wurde 16 Probanden für zwölf Wochen ein Implantat unter die Haut am Oberarm eingesetzt. Die Verträglichkeit war – auch gegenüber denjenigen, die ein Implantat ohne Wirkstoff erhalten hatten – gut und über einen Zeitraum von 12 Wochen wurde sowohl aus dem 54-mg-Implantat als auch aus des 62-mg-Implantat genügend Wirkstoff abgeben, um effektiv vor einer HIV-Infektion zu schützen. Ferner wurde errechnet, dass das 64-mg-Islatravir-Implantat sogar ein Jahr vor der Infektion schützen könnte, wenn es über diesen Zeitraum im Körper belassen würde.

Die lange Halbwertszeit von Islatravir, die zwischen 150 und 160 Stunden liegt, macht nicht nur eine geringe Dosis für ein Jahresimplantat möglich, sie erlaubt es auch, über die einmal monatliche orale Einnahme des Wirkstoffs für die PrEP nachzudenken. Für eine Phase-II-Studie mit 250 Probanden hat im September 2019 die Rekrutierung begonnen. Neben einer Placebogruppe ist ein Arm mit der oralen Dosierung von einmal 60 mg Wirkstoff pro Monat und einer mit einmal 120 mg Islatravir pro Monat vorgesehen.

Als Duo mit Doravirin zur HIV-Behandlung

Nicht nur eine Zulassung für die PrEP wird im Falle von Islatravir anvisiert, sondern auch die Anwendung zur Behandlung bereits Infizierter. Basierend auf den Ergebnissen einer Phase-II-Studie plant MSD, die oral einzunehmende Zweierkombination aus Islatravir und Doravirin für die Behandlung HIV-1-infizierter Patienten in Phase III der klinischen Entwicklung weiter zu untersuchen.

In der vorangegangenen Phase-II-Studie hatten therapienaive Patienten täglich entweder eine Dreierkombination aus Islatravir, Doravirin und Lamivudin oder eine tägliche Tripeltherapie mit Doravirin, Lamivudin und Tenofovir erhalten. In Woche 24 wurden Patienten unter der Nachweisgrenze auf eine duale Therapie mit Islatravir und Doravirin umgestellt oder sie fuhren mit der Dreierkombi aus Doravirin, Lamivudin und Tenofovir fort. Nach weiteren 24 Wochen wurde wieder überprüft, wie viele Patienten sich unter der Nachweisgrenze befanden. Dabei wurden in den verschiedenen Studienarmen ähnliche Ergebnisse erzielt. Unter Doravirin, Lamivudin und Tenofovir erreichten 83,9 Prozent der Patienten dieses Ziel, unter Islatravir und Doravirin zwischen 89,7 und 100 Prozent, je nachdem, wie hoch die eingesetzte Islatravir-Dosis war.

Grundsätzlich zeichnet sich die neue Substanz dadurch aus, dass sie in relativ geringen Dosierungen effektiv gegen HI-Viren wirksam ist. In der beschriebenen Phase-II-Studie betrug die tägliche Dosierung nur 2,25 mg, 0,75 mg oder gar nur 0,25 mg Islatravir. Im Vergleich zu anderen HIV-Wirkstoffen sind das tatsächlich Minidosen. 

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