Aus dem Gleichgewicht durch Arzneimittel |
Johanna Hauser |
20.02.2024 18:00 Uhr |
Neben Schwindel kann eine Arzneimitteltherapie auch Tinnitus oder Hörminderung hervorrufen. Ursächlich ist eine Schädigung des Innenohrs (Ototoxizität). Dabei können sowohl das Gehör (Cochleotoxizität) als auch das Gleichgewichtsorgen (Vestibulotoxizität) in Mitleidenschaft gezogen werden. Bekannte ototoxische Arzneimittel sind Aminoglykoside, die irreversible Schädigungen verursachen können. Zu Gleichgewichtsstörungen und Hörverlust kommt es bereits bei geringem Übertritt dieser Wirkstoffe in die Haarzellen. Streptomycin und Gentamicin wirken toxisch auf das Gleichgewichtsorgan, Kanamycin und Neomycin auf die Cochlea. Ebenfalls irreversibel schädigen Zytostatika (platinhaltige Alkylanzien und Taxane) das Innenohr. Durch eine Haarzelldegeneration mit nachfolgender Apoptose kommt es zu Tinnitus und Hörschwäche.
Reversible Schädigungen können unter anderem durch Chinin, Schleifendiuretika oder nicht steroidale Antirheumatika entstehen. Während Chinin eine Ischämie in bestimmten Bereichen der Hörschnecke verursacht, beeinflussen Schleifendiuretika – insbesondere bei Überdosierung – die Zusammensetzung der Endo- und Perilymphe im Innenohr. Die Folge sind Hörstörungen. Auch Makrolidantibiotika können dosisabhängig zu Hörverlust, Schwindel und Tinnitus führen. Die Schädigungen sind nach Absetzen meist reversibel. Für Azithromycin hingegen gibt es auch Berichte über irreversible Schädigungen.
Prinzipiell muss beim Einsatz ototoxischer Arzneimittel darauf geachtet werden, Grenzdosierungen einzuhalten. Bei Anwendung mehrerer solcher Arzneimittel gilt es, die Verstärkung dieser Nebenwirkungen im Blick zu haben (Beispiel: Schleifendiuretika und Aminoglykoside). Bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte eine Dosisanpassung erfolgen.
Da diese Arzneimittel teils irreversible Schädigungen hervorrufen, ist es wichtig, erste Anzeichen frühzeitig zu erkennen. Berichtet ein Patient über neu aufgetretenen Schwindel, Tinnitus oder Hörstörungen lohnt daher immer die Frage nach neu verschriebenen Präparaten oder geänderter Dosierung bereits verordneter Arzneimittel. Klagen Patienten zu Beginn oder nach Anpassung einer Antihypertonika-Therapie über Schwindel, kann der Apotheker durch Beratung zur Therapietreue beitragen.