Aus dem Gleichgewicht durch Arzneimittel |
Johanna Hauser |
20.02.2024 18:00 Uhr |
Wenn sich alles plötzlich dreht, können auch Arzneimittel dahinter stecken. / Foto: Getty Images/jdwfoto
Durch Medikamente hervorgerufener Schwindel tritt häufig auf. So häufig, dass arzneimittelinduzierter Schwindel Eingang in die DEGAM-Leitlinie »Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis« gefunden hat. Diese definiert Schwindel als vom Patienten wahrgenommene Unsicherheit im Raum, also den Verlust der sicheren räumlichen Orientierung. Je nach Erscheinungsform unterscheidet man zwischen gerichtetem Schwindel, zu dem Dreh- (wie Karussellfahren) und Schwankschwindel (wie Bootfahren) zählen, und ungerichtetem Schwindel. Zu Letzterem zählen Benommenheit und orthostatischer Schwindel.
Warum wird uns schwindelig? Schwindel entsteht immer dann, wenn es irgendwo in den Gleichgewichtssystemen eine Störung gibt. Beteiligt sind hier das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, die Augen sowie die Sensoren an Gelenken, Muskeln und Sehnen. Diese drei Sinnessysteme melden kontinuierlich dem Gehirn die Position im Raum sowie die Bewegungsrichtung. Das Gehirn verarbeitet diese Informationen und stimmt dementsprechend die Körperhaltung darauf ab. Treffen widersprüchliche Informationen ein, kommt es zu Schwindel (peripherer Schwindel). Auch im Gehirn selbst kann Schwindel entstehen; wenn es zum Beispiel schlecht durchblutet ist (zentraler Schwindel).
Die DEGAM-Leitlinie führt zahlreiche Arzneimittel unterschiedlicher Wirkstoffgruppen auf, unter deren Einnahme Schwindel gehäuft auftritt (siehe Kasten). In den meisten Fällen kommt es zu ungerichtetem Schwindel.
Von Bedeutung sind Arzneimittel mit Wirkung auf den Blutdruck sowie Antikonvulsiva und Psychopharmaka. Bei Antihypertonika kann vor allem zu Therapiebeginn Schwindel auftreten, insbesondere bei Betablockern und Sartanen. Phosphodiesterase-5-Hemmer können durch die Entspannung der Blutgefäße ebenfalls Schwindel hervorrufen. Es gibt aber auch Arzneimittel, bei denen eine orthostatische Hypotonie nicht auf den ersten Blick vermutet wird. Zu diesen zählen Trizyklika, Mirtazapin und der MAO-Hemmer Tranylcypromin.
Bei Antikonvulsiva wird das Schwindelgefühl durch Gangunsicherheit oder Doppeltsehen hervorgerufen. Eine durch Polyneuropathien bedingte Gangunsicherheit kann auch unter Zytostatika auftreten. Antidepressiva weisen wegen ihrer Heterogenität ebenso heterogene Ursachen für die Entstehung von Schwindel auf. Neben einer orthostatischen Dysregulation (plötzlicher Blutdruckabfall nach dem Aufstehen) wird das Schwindelgefühl bei SSRI, SNRI, SSNRI sowie Dopamin-Antagonisten (Bupropion) zentral im Gehirn ausgelöst. Hervorzuheben ist Lithium: Hier stellt Schwindel ein
Symptom einer potenziell tödlichen Überdosierung dar. Muskelrelaxanzien können durch die sedierende Wirkung ebenfalls Schwindelgefühle hervorrufen.