Auf Warnsymptome achten |
Juliane Brüggen |
28.01.2025 09:00 Uhr |
Kleinkinder sind infolge ihrer kürzeren, gerade verlaufenden Ohrtrompete (Tuba auditiva) häufiger als Erwachsene von Mittelohrentzündungen betroffen. Die Infektion breitet sich meist vom Rachen her aus. / © Getty Images/ozgurcankaya
Bei Ohrenschmerzen helfe laut Zenk ein einfacher Trick dabei, die Entzündung zu lokalisieren: Verstärkt sich der Schmerz, wenn man auf den Tragus drückt (der Teil der Ohrmuschel, der vor dem Eingang des Gehörgangs liegt), ist meist der äußere Gehörgang betroffen. Ist dies nicht der Fall, sitzt die Entzündung tiefer. Neben Schmerzen kann Juckreiz als Symptom auftreten, vor allem bei chronischen Zuständen oder Ekzemen. »Otorrhö, das heißt Ausfluss aus dem Ohr, erschreckt die Patienten oft«, berichtete Zenk. Sie sei ein Anzeichen der Entzündung.
»Wenn Symptome wie Schwindel und insbesondere Drehschwindel auftreten, dann ist äußerste Vorsicht geboten«, warnte Zenk. Dann könnte das Innenohr betroffen sein. Auch Hörminderung oder Tinnitus sollten abgeklärt werden. Absolute Warnzeichen sind Lähmungen des Gesichtsnervs und Bewusstseinsstörungen, die darauf hindeuten, dass die Entzündung auf das Gehirn übergreift.
»Bei Ohrenschmerzen muss man nicht nur ans Ohr denken«, ergänzte Zenk. So können beispielsweise Mandelentzündung, Pharyngitis oder Kiefergelenkschmerzen in die Ohren ausstrahlen. Der HNO-Arzt wies darauf hin, dass Ohrenschmerzen das erste Symptom maligner Tumoren im Kopf-Hals-Bereich sein können; darauf sei besonders bei älteren Erwachsenen zu achten.
Professor Dr. Johannes Zenk, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Augsburg / © PZ/Alois Müller
Die Entzündung des gesamten äußeren Gehörgangs (Otitis externa diffusa) wird unter anderem durch Wasser begünstigt und tritt daher oft in Form der Badeotitis auf. Leitkeim sei Pseudomonas aeruginosa, aber auch Staphylococcus aureus oder Pilze könnten beteiligt sein, erklärte Zenk.
Bei gesunden Patienten stehe die topische Therapie im Vordergrund, zum Beispiel antibiotisch mit Ciprofloxacin-Ohrentropfen. Auch eine lokale antiseptische Behandlung ist möglich. So habe eine Übersichtsarbeit gezeigt, dass diese einer antibiotischen Therapie bei unkomplizierten Infekten nicht unterlegen ist (DOI: 10.1111/coa.14084). Bei Pilzinfektionen wird kausal zum Beispiel mit Ciclopirox behandelt. Laut Zenk mindert ein niedriger pH-Wert die Entzündungsaktivität: Mit diesem Ziel werden beispielsweise hypochlorige Säure und essigsaure Isopropanol-Tropfen eingesetzt.
Eine gefährliche Komplikation ist die Otitis externa necroticans, bei der die Infektion auf Knochen und Hirnnerven übergreift. Risikofaktoren sind Diabetes und Immunsuppression. Zenk: »Diabetiker mit juckenden, nässenden Ohren müssen dringend zum Arzt geschickt werden.«
Die besonders bei Kleinkindern auftretende akute Mittelohrentzündung (Otitis media) kann sowohl bakteriell als auch viral bedingt sein; oft liegen Mischinfektionen vor. Erreger sind etwa Streptococcus pneumoniae oder das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). »Deshalb ist die RSV-Prophylaxe so wichtig«, betonte Zenk. Dasselbe gelte für die Pneumokokken- und die Influenza-Impfung.
Bei einseitiger, unkomplizierter Otitis media ohne weitere Risikofaktoren wie Immunsuppression oder Trommelfellperforation werde nicht pauschal mit Antibiotika behandelt, sondern zunächst mit Analgetika und nach zwei Tagen ärztlich kontrolliert. Die deutsche Leitlinie befinde sich in aktuell Überarbeitung, aber voraussichtlich werde die Altersgrenze zur Indikation der primären Antibiotikatherapie von unter zwei Jahren auf unter sechs Monate herabgesetzt. Keine Evidenz gebe es für systemische Corticoide und abschwellende Nasentropfen. Topisch können Lokalanästhetika die Schmerzen lindern, jedoch nur bei intaktem Trommelfell.
Eine schwerwiegende Komplikation ist die Mastoiditis, die sich durch Symptome wie hohes Fieber, abstehendes Ohr und Apathie zeigt. Hier sind eine intravenöse Therapie und gegebenenfalls ein operativer Eingriff notwendig. Nach der Covid-19-Pandemie habe sich das Auftreten deutlich erhöht. »Wir wissen nicht genau, warum«, sagte Zenk. Vermutet werden etwa Rebound-Effekte, aggressivere Bakterien oder ein verstärktes Sozialverhalten.