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Herzinfarkt-Patienten

Auf der Suche nach dem idealen Entzündungshemmer

Kann die Gabe eines Entzündungshemmers kardiovaskuläre Komplikationen bei Herzinfarkt-Patienten verhindern? Theoretisch müsste das so sein. Ein geeigneter Wirkstoff ist aber noch nicht gefunden. Auch Colchicin überzeugte in einer aktuellen Studie nicht wirklich.
Annette Mende
02.12.2019  08:00 Uhr

Entzündliche Vorgänge spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen, darunter auch die Atherosklerose. Die Evidenz hierfür ist gut, wie Dr. Göran Hansson vom Karolinska Institut in Stockholm 2005 im »New England Journal of Medicine« zusammenfasste. Entzündungs-Botenstoffe sind demnach an der Entstehung, Ausbreitung und Aktivierung von atherosklerotischen Läsionen beteiligt. Die nachgewiesen positiven Effekte von Acetylsalicylsäure und Statinen in der Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen, die ja Komplikationen der Atherosklerose darstellen, werden daher auch auf eine antientzündliche Wirkkomponente dieser Arzneistoffe zurückgeführt.

Versuche, kardiovaskulären Ereignissen mit einer gezielten Entzündungshemmung vorzubeugen, fielen aber bislang nicht überzeugend aus. So senkte zwar in der CANTOS-Studie (Canakinumab Antiinflammatory Thrombosis Outcomes Study) die Gabe des Interleukin-1β-Hemmers Canakinumab (Ilaris®) die Rate solcher Ereignisse um 15 Prozent, allerdings um den Preis einer höheren Inzidenz von tödlichen Infektionen. In der CIRT-Studie (Cardiovascular Inflammation Reduction Trial) hatte dagegen Methotrexat keinen Einfluss auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse.

Vor diesem Hintergrund und mit dem vielversprechenden Ergebnis aus einer kleinen, nicht placebokontrollierten Studie im Rücken sollte nun in der COLCOT-Studie (Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial) die Wirksamkeit von niedrig dosiertem Colchicin in dieser Indikation getestet werden. Das ursprünglich aus der Herbstzeitlose isolierte Alkaloid wirkt als Spindelgift und Mitosehemmer. Zudem wird ihm eine Verhinderung der Zelladhäsion sowie eine Beeinflussung von proinflammatorischen Chemokinen und des Inflammasoms unterstellt. Zugelassen sind Colchicin-haltige Präparate derzeit zur Behandlung des aktuen Gichtanfalls sowie des familiären Mittelmeerfiebers. Darüber hinaus empfiehlt die entsprechende Leitlinie den (Off-Label-) Einsatz bei Perikarditis.

An der COLCOT-Studie nahmen 4745 Patienten teil, die in den 30 Tagen vor Studienbeginn einen Herzinfarkt erlitten hatten. Rund die Hälfte der Teilnehmer erhielt täglich 0,5 mg Colchicin, die andere Hälfte Placebo. Während der Beobachtungszeit von median 22,6 Monaten wurden die kardiovaskulären Todesfälle, Wiederbelebungen bei Herzstillstand, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Notfall-Revaskularisationen aufgrund von Angina pectoris als zusammengesetzter Endpunkt und auch jeweils einzeln erfasst.

Der primäre Endpunkt trat im Colchicin-Arm signifikant seltener auf (5,5 versus 7,1 Prozent). Die Risikoreduktion verteilte sich jedoch ungleich auf die verschiedenen Komponenten des zusammengesetzten Endpunkts: Bei kardiovaskulärem Tod (Hazard Ratio 0,84), Wiederbelebung bei Herzstillstand (HR 0,83) und Herzinfarkt (HR 0,91) fiel sie deutlich geringer aus als bei Schlaganfall (HR 0,26) und Notfall-Revaskularisation aufgrund von Angina pectoris (HR 0,5). Nebenwirkungen, die bei mit Colchicin behandelten Patienten häufiger auftraten als im Placebo-Arm, waren Durchfall und Lungenentzündung.

Unter dem Strich lässt sich daraus keine Empfehlung für Colchicin bei Herzinfarkt-Patienten ableiten, kommentiert Professor Dr. Kristin Newby von der Duke University in Durham. Sie spricht von einem lediglich moderaten Vorteil, der vor allem auf dem weichen Endpunkt Notfall-Revaskularisation aufgrund von Angina pectoris beruhe. Den bemerkenswert starken Effekt auf das Schlaganfall-Risiko gelte es in weiteren Studien zu untersuchen.

Das alles in allem doch enttäuschende Ergebnis stellt aus ihrer Sicht zwar nicht die entscheidende Rolle der Entzündung bei der Athersoklerose infrage. Hinterfragt werden solle aber, ob die Entzündung an sich in diesem Fall das geeignete Target ist oder ob sich durch weitere Forschung vielleicht physiologische Prozesse oder Mediatoren finden lassen, die die Entzündung verursachen und die Atherosklerose aufrechterhalten. Indem man diese dann ins therapeutische Visier nehme, könne man dann womöglich pathophysiologisch früher ansetzen.

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