| Lukas Brockfeld |
| 24.09.2024 16:42 Uhr |
Fehlende Arzneimittel bedeuten für die Apotheken viel Mehrarbeit. / Foto: ABDA
Seit Sonntag ist der Sommer auch offiziell vorbei. Doch kurz vor Beginn der Erkältungssaison fehlen noch immer viele Arzneimittel. Auf der offiziellen Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden etwa 500 Medikamente als nicht lieferbar gekennzeichnet.
Zahlreiche Apotheker, Mediziner und Verbände warnten in den vergangenen Tagen vor dem Mangel an wichtigen Arzneimitteln. »Ein Ende der Lieferprobleme ist nicht absehbar. Besondere Sorgen bereitet uns, dass jetzt schon sehr viele Antibiotika nicht lieferbar sind. Und die kalte Jahreszeit mit vielen Atemwegsinfektionen hat noch gar nicht begonnen. Auch viele Antibiotikasäfte für Kinder sind betroffen«, sagte beispielsweise Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), im Gespräch mit der PZ.
Doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht die Lage offenbar entspannter. Gegenüber der »Bild« erklärte ein Sprecher des Ministers, dass es in der Bundesrepublik »keine Versorgungsknappheit« gebe, sondern lediglich »punktuelle Lieferengpässe in einem sehr komplexen Markt«. Die Patientinnen und Patienten hätten »fast immer« Zugriff auf wirkstoffgleiche Alternativen. Auch das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Lieferengpassgesetz (ALBVVG) zeige bereits Wirkung, die Zahl der Lieferengpässe habe sich halbiert.
Mathias Arnold ist Vizepräsident der ABDA sowie Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt und weist Lauterbachs Aussagen zurück. Nach Arnolds Einschätzung ist die Zahl der Lieferengpässe in den vergangenen Monaten nicht zurückgegangen und er rechnet auch nicht damit, dass sich das in naher Zukunft ändern wird. Besonders betroffen seien wichtige Arzneistoffe wie Antibiotika oder Mittel zur Behandlung von Diabetes.
»Auch ein punktueller Lieferengpass ist ein Problem für die, die davon betroffen sind. Ein fehlendes Medikament ist immer eine Belastung für die Patienten und die Apotheken. Jedes Problem sieht aus der Adlerperspektive klein aus«, erklärte Arnold gegenüber der PZ. Das Ausweichen auf andere Präparate sei ein erheblicher Mehraufwand für die Apotheken, da sie mit den verschreibenden Ärzten Rücksprache halten müssten. Die Lieferengpass-Pauschale von 50 Cent sei für diesen Aufwand viel zu gering.
Als kurzfristige Maßnahme zur Bewältigung von Lieferengpässen bräuchten die Apotheken daher unbedingt mehr Beinfreiheit. Arnold wünscht sich, dass Apotheker eigenmächtig andere Packungen oder Wirkstoffe abgeben dürfen, ohne dass dafür Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt gehalten werden muss. »Wir wollen unsere pharmazeutische Verantwortung auch tragen und unsere Kompetenz nutzen«, betonte der ABDA-Vize.
Arnold ist mit seiner Kritik an den Aussagen Lauterbachs nicht allein. Schon in der vergangenen Woche warf das Aktionsbündnis Patientenversorgung dem Minister ein Verleugnen der Realität vor. »Die Lieferengpässe von Arzneimitteln sind eine bittere Realität in der täglichen Versorgung unserer Patienten. Die andauernden Beschwichtigungen aus dem Bundesgesundheitsministerium und auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach selber zeigen, wie fernab von der Versorgungswirklichkeit dort Gesundheitspolitik betrieben wird«, hieß es in einer Mitteilung des Bündnisses.