Arzneimittelversorgung im Fokus |
Lukas Brockfeld |
21.02.2024 18:14 Uhr |
Der Gesundheitsausschuss traf sich im Paul-Löbe-Haus, um über die Arzneimittelversorgung zu beraten. / Foto: Getty Images/Achim Thomae
Monitoring, bessere Rahmenbedingungen für Hersteller oder Bürokratieabbau – es gibt viele Ideen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Trotz der bereits ergriffenen Maßnahmen, beispielsweise im Rahmen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), bleibt die Lage kritisch. Das Fehlen vieler Medikamente ist für die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland noch immer ein alltägliches Problem. Erst gestern warnten die Kassenärztlichen Vereinigung, die Kassenzahnärztliche Vereinigung und der Landesapothekerverband aus Niedersachsen gemeinsam vor einer Verschärfung des Arzneimittelmangels. Heute beriet auch der Gesundheitsausschuss des Bundestags über das Thema.
Die öffentliche Anhörung fand auf Antrag der Union statt. Die Christdemokraten werfen der Bundesregierung vor, dass sie bisher nicht in einen angemessenen Dialog mit den an der Arzneimittelversorgung Beteiligten getreten sei. Daher haben CDU und CSU 21 Punkte zur Verbesserung der Versorgung vorgelegt. Die Vorschläge beinhalten beispielsweise die Wiederaufnahme des Pharmadialogs, ein EU-Frühwarnsystem für Lieferengpässe und eine Abschaffung des Schulgeldes in der PTA-Ausbildung.
Edgar Gräf ist Leiter einer Berufsfachschule für PTA und erklärte als Sachverständiger im Gesundheitsausschuss, wie groß der Mangel an PTA-Nachwuchs mittlerweile ist: »Wir haben inzwischen eine Abbruch-Quote von etwa 40 Prozent und es gibt immer weniger junge Menschen, die sich überhaupt für eine PTA-Ausbildung entscheiden. Leider sind die Rahmenbedingungen der Ausbildung deutlich schlechter als in anderen Ausbildungsfeldern.« Um mehr junge Menschen für den PTA-Beruf zu gewinnen, müsse das Schulgeld abgeschafft werden. Außerdem sollte die Ausbildung vergütet werden.
Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening war als Sachverständige eingeladen. Auf Nachfrage der FDP erklärte sie, welche Punkte notwendig seien, um die Apotheken wirtschaftlich zu stabilisieren: »Die Apotheke vor Ort geht nur mit Apothekerinnen und Apothekern. Als unabhängiger Experten sorgen sie dafür, dass die Menschen sicher versorgt werden. Daher muss weiterhin eine Apothekerin oder ein Apotheker vor Ort zugegen sein.«
Bei der Finanzierung der Offizinen sah Overwiening ebenfalls große Probleme: »Die Apotheken werden heilberuflich und unabhängig geführt. Dafür brauchen sie eine angemessene Honorierung. Wir sind seit vielen Jahren abgeschnitten von der wirtschaftlichen Entwicklung.« Das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs habe das Problem noch verschärft. Außerdem bräuchten die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten die Möglichkeit, ihre Expertise auszuleben. Dazu sei ein Abbau der »überbordenden« Bürokratie nötig.
Eine Erhöhung des Honorars ist laut Overwiening auch nötig, um pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) flächendeckend anbieten zu können: »Die Dienstleistungen kommen zu einer Zeit, in der wir viele Krisen wie Lieferengpässe, Fachkräftemangel und die Nachwirkungen der Pandemie zu bewältigen haben. Daher ist der Druck in den Apotheken groß.« Um Patientinnen und Patienten auf die pDL aufmerksam zu machen, würde man beispielsweise Werbung im Fernsehen schalten. »Von Seiten der Politik können wir ein breiteres Spektrum an pDL gebrauchen, aktuell ist das ein viel zu eng geschnürtes Korsett. Außerdem braucht es entsprechende Freiräume in der Bürokratie«, erklärte die ABDA-Präsidentin.
Der CDU Vorschlag beinhaltet eine Erhöhung des Apotheken-Fixums von 8,35 Euro um einen »angemessenen Betrag«. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband erklärte, was eine Erhöhung auf zwölf Euro für die Beitragszahler bedeuten würde. »Wenn wir davon ausgehen, dass die Differenz von acht auf zwölf Euro auf 620 Millionen Packungen pro Jahr trifft, dann bedeutet das konservativ geschätzt eine Mehrbelastung von 2,7 Milliarden Euro.« Das seien 0,17 Beitragssatzpunkte, vorausgesetzt es fände keine zusätzliche Finanzierung durch Steuergeld statt.
In den vergangenen Tagen äußerten sich mehrere wichtige Verbände zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung. Die ABDA sprach sich in einer Mitteilung für eine Erhöhung des Apothekenhonorars aus, zum Beispiel, indem der befristet von 1,77 auf 2 Euro erhöhte Kassenabschlag sofort wieder gesenkt werde. Außerdem bräuchten die Apothekerinnen und Apotheker mehr Handlungsfreiheit »um sachgerecht Entscheidungen im Einzelfall bei gleichzeitiger Vermeidung überbordender Bürokratie zu treffen«.
Der GKV-Spitzenverband lehnte mehr Geld für die Apotheken ab und sprach sich stattdessen für eine »Verbesserung der Informationslage über die Verfügbarkeit von Arzneimitteln« aus. Die Krankenkassen wünschen sich ein permanentes und anlassloses Monitoring aller Arzneimittel, zum Beispiel in dem alle an der Versorgung beteiligten Akteure verpflichtende Meldungen von Nicht-Verfügbarkeiten machen müssen.
Auch der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels Phagro wünscht sich ein besseres Monitoring der Arzneimittellieferkette und ein effizientes Frühwarnsystem bei Arzneimittelengpässen. Außerdem kritisiert der Verband die Bürokratie, mit der die Händler bei der Bewältigung von Verorgungsproblemen zu kämpfen hätten.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) wünscht sich bessere Rahmenbedingungen für die Hersteller. Gesetze wie das ALBVVG und das Medizinforschungsgesetz (MFG) gingen in die richtige Richtung, seien aber noch unzureichend.