Arzneimittelengpässe bleiben »strukturelles Problem« |
Melanie Höhn |
18.09.2025 10:30 Uhr |
Die EU-Prüfer stellten fest, dass das System zur Verhinderung und Abfederung kritischer Arzneimittelengpässe verbessert werden müsse, da die rechtlichen Rahmenbedingungen unzureichend seien und Informationen, die ein Eingreifen ermöglichen, nicht rechtzeitig vorlägen. / © Imago/ABACAPRESS
Zwar hätten sich die zuletzt von der EU ergriffenen Gegenmaßnahmen als hilfreich erwiesen, doch gebe es nach wie vor strukturelle Probleme, und bei der Ursachenbekämpfung stehe man noch ganz am Anfang, hieß es in dem Bericht des EuRH. Da es noch einige Zeit dauern könne, bis die Maßnahmen anschlügen, bestehe weiterhin die Gefahr, dass bestimmte Arzneimittel – darunter auch gängige Antibiotika und andere lebenswichtige Pharmazeutika – in Europa nicht verfügbar seien.
In der EU seien die meisten Engpässe in den Jahren 2023 und 2024 gemeldet worden, wobei die EU-Länder zwischen Januar 2022 und Oktober 2024 bei 136 Arzneimitteln einen kritischen Mangel verzeichnet hätten.
»Arzneimittelengpässe können schwerwiegende Folgen für die Patienten haben, die öffentliche Gesundheit gefährden und sind für Ärzte, Apotheken und Länder mit hohen Kosten verbunden«, sagte Klaus-Heiner Lehne, der als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs für die Prüfung zuständig war. »Die EU braucht eine wirksame Lösung zur Behebung kritischer Engpässe. Dazu muss sie das Problem an der Wurzel packen. Dies ist auch für die strategische Autonomie Europas von großer Bedeutung.«
Die EU-Prüfer stellten fest, dass das System zur Verhinderung und Abfederung kritischer Arzneimittelengpässe verbessert werden müsse, da die rechtlichen Rahmenbedingungen unzureichend seien und Informationen, die ein Eingreifen ermöglichen, nicht rechtzeitig vorlägen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) habe in den vergangenen Jahren eine immer wichtigere Rolle gespielt, insbesondere während der Corona-Pandemie, und durch Koordinierung dazu beigetragen, die Auswirkungen von Engpässen zu verringern. Allerdings sei sie immer noch nicht rechtlich befugt, die EU-Länder auch jenseits von Gesundheitskrisen zu unterstützen. Zudem werde sie nicht ausreichend über Engpässe informiert, um diese verhindern zu können. Auch um bestehenden Engpässen laufend entgegenzuwirken, fehlten der EMA die nötigen Daten, da sie von der Pharmaindustrie häufig erst spät und nur unvollständig informiert werde, so der EuRH.
Die EU-Kommission habe unterschiedliche Ursachen für die Engpässe ausgemacht, wie etwa Schwachstellen in den Lieferketten. So sei die Produktion – insbesondere von Antibiotika und Schmerzmitteln – größtenteils nach Asien ausgelagert worden. Bei der Bewältigung dieser Probleme, die kaum begonnen habe, stehe man vor vielen Hürden. Beispielsweise habe die Verpflichtung der Pharmaindustrie, eine kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten zu gewährleisten, in der Praxis nicht viel genützt. Angesichts zunehmenden Mangels hätten viele EU-Länder begonnen, Arzneimittel zu horten. »Mit der möglichen Folge, dass sich Engpässe anderswo verschärfen, da sich die Länder nicht untereinander abstimmten. Dass es nun erstmals eine EU-weite Liste kritischer Arzneimittel gebe, sei zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch garantiere eine solche Liste noch keine bessere Verfügbarkeit«, hieß es in dem Bericht weiter. Die Prüfer stellten fest, dass bei einigen der aufgelisteten Medikamente ein bedrohlicher Mangel herrschte.
Der EU-Binnenmarkt für Arzneimittel sei zersplittert, was deren freien Handel und Verfügbarkeit einschränke, sodass nicht alle Bürger den gleichen Zugang zu Medikamenten hätten. Die meisten davon würden auch nur für einzelne Länder zugelassen. Selbst für die gesamte EU zugelassene Arzneimittel seien nicht in allen Ländern erhältlich. Auch gebe es von Land zu Land unterschiedliche Arzneimittelpackungen. Die EU-Kommission habe nicht dafür gesorgt, dass Hemmnisse im EU-weiten Handel beseitigt werden, so der EuRH. Folglich sei es schwierig, Arzneimittel umzuverteilen, um Engpässe zu vermindern.
Die EU-Kommission habe zwar erste Schritte unternommen, indem sie eine Änderung bestimmter EU-Vorschriften vorgeschlagen habe, und durch diese Neuregelungen könnte das System erheblich verbessert werden. Allerdings warnen die Prüfer, dass dies möglicherweise nicht alle Probleme lösen würde. So müsse auch dafür gesorgt werden, dass Engpässe rechtzeitig gemeldet würden und die Pharmaindustrie im Falle eines kritischen Mangels entsprechend entgegensteuere.