Arzneimittelausgaben steigen trotz aller Maßnahmen |
Lukas Brockfeld |
13.05.2025 13:54 Uhr |
Der AMNOG-Report zeige, dass auch im Arzneimittelbereich Einnahmen- und Ausgabenseite aus dem Gleichgewicht geraten sind, sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der Krankenkasse DAK-Gesundheit. / © Imago/IPON
Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) soll seit 2011 die steigenden Arzneimittelausgaben eindämmen. Dazu soll sich der Preis neuer Medikamente an ihrem Zusatznutzen im Vergleich zu bereits auf dem Markt befindlichen Therapien orientieren. Jedes Jahr bring die DAK-Gesundheit ihren AMNOG-Report heraus, in dem die Preisentwicklung von Arzneimitteln analysiert wird.
Der neueste Report wurde am Dienstagmorgen vorgestellt und zeigt, dass die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel im Jahr 2024 um 10,2 Prozent gestiegen sind. Dem stand ein Einnahmenwachstum von nur 5,7 Prozent gegenüber.
Die Daten zeigen auch, dass sich ein erheblicher Teil der Ausgaben auf eine relativ kleine Gruppe an Präparaten konzentriert. Demnach entfielen 35 Prozent der Arzneimittelausgaben auf die Top-10 Prozent der patentgeschützten Präparate. 10,8 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben entfiel auf ein Prozent der umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel.
Laut dem Report stiegen die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel bei der DAK zwischen 2019 und 2024 um 26 Prozent, für Generika um 11 Prozent. Die Ausgaben für Orphan Drugs haben sich im selben Zeitraum mehr als verdreifacht.
Außerdem zeigen die Daten, dass viel Geld für sehr neue Medikamente ausgegeben wird. So entfielen 15,7 Prozent der Ausgaben für patentgeschützte Medikamente auf Neueinführungen seit 2021, 41 Prozent auf Wirkstoffe mit 5-10 Jahren Marktpräsenz. Neue Arzneimittel führen laut dem Report meist zu Mehrausgaben und nicht zu einer Verdrängung.
»Der AMNOG-Report zeigt, dass auch im Arzneimittelbereich Einnahmen- und Ausgabenseite aus dem Gleichgewicht geraten sind. Insbesondere der Patentmarkt führt zu Kosten, die das System an den Rand seiner Funktionsfähigkeit führen könnten«, sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit, in einer Pressemitteilung.
Neue medizinische Innovationen und eine gleichzeitige Dämpfung der Kosten müssten allerdings kein Widerspruch sein. »Mit einer Vereinfachung des zuletzt komplex gewordenen AMNOG-Systems schafft man mehr Transparenz und Planbarkeit. Dynamische Preisabschläge, die an die Einnahmenentwicklung der GKV geknüpft sind, könnten ein wichtiger Baustein für eine langfristige Finanzierbarkeit der Arzneimittelausgaben sein«, so Storm.
Die DAK-Gesundheit beklagt, dass hohe Einstiegspreise, die unter anderem durch die kleinen Patientengruppen beim Markteinstieg begründet werden, durch die Indikationsausweitungen »schleichend« auf weitere, meist deutlich größere, Patientengruppen übertragen würden, was die Ausgaben der Versicherungen in die Höhe triebe. »Die neue Regierung muss hier mit einer echten AMNOG-Reform ansetzen,« sagt Andreas Storm.
Auch die Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes hält die DAK-Gesundheit für weitgehend wirkungslos. Der Kombinationsabschlag generierte 2024 laut AMNOG-Report nur 22 Millionen Euro an Einsparungen anstelle der geplanten 185 Millionen Euro. Auch die reduzierte Umsatzschwelle zur Vollbewertung von Orphan Drugs verfehlte die Einsparziele: Zwischen acht und 32 Millionen Euro wurden eingespart, geplant waren 100 Millionen jährlich.
Am erfolgreichsten war laut dem Report die Rückwirkung des Erstattungsbetrags. Hier beliefen sich die Einsparungen auf rund 100 Millionen Euro von vorgesehenen 150 Millionen, wobei die volle Summe vermutlich noch erreicht wird.
Die DAK-Gesundheit beklagt, dass die Anpassungen des AMNOG in der vergangenen Legislaturperiode bestenfalls kosmetische Verbesserungen erbracht hätten. Mit dem Auslaufen des erhöhten Herstellerabschlags sei sogar ein wichtiges Instrument verloren gegangen.
»Der Herstellerabschlag war das einzige Instrument mit wirklichem Einsparpotenzial. Zur kurzfristigen Kostendämpfung sollte die neue Bundesregierung deshalb einen dynamisierten Herstellerrabatt einführen, der allen Seiten Planungssicherheit gibt«, so Storm. Durch einen Schätzerkreis könnte im Oktober jeden Jahres eine Überprüfung und Anpassung des Herstellerabschlags erfolgen.
Laut Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld und Mitherausgeber des AMNOG-Reports, ist in der Vergangenheit viel schief gelaufen. »Ein Aufwuchs an Komplexität und fehlende Planbarkeit bestimmen seit knapp drei Jahren das AMNOG, bislang ohne messbaren Effekt auf die Ausgabendynamik neuer Arzneimittel«, so der Professor. »Zu diskutieren ist, ob das AMNOG selbst der richtige Ort ist, Ausgaben nachhaltig zu regulieren. Ein Neustart bei Pay-for-Performance-Modellen und eine Anpassung von Selbstbeteiligungen sollte vielmehr auf die politische Agenda.«