Arte Povera – Der Alltag als Muse |
Jennifer Evans |
19.12.2024 08:00 Uhr |
Bourse de Commerce, Paris / © imago images/IP3press
Sand, Holz, Stein, Erde, Glas, Kleidung, Kaffee, Pflanzen, Seile – das sind nur einige der Materialien, mit denen italienische Künstlerinnen und Künstler ab den späten 1960er-Jahren ihre Werke schafften und eine neue Bewegung in Gang setzten. Die Kunstrichtung Arte Povera, was »arme Kunst« bedeutet, nahm ihren Anfang in Turin, Mailand und Rom. Hintergedanke ist die Rückbesinnung auf elementare und einfache sowie zum Teil vergängliche Materialien. Das Hauptkennzeichen der Werke ist Minimalismus.
Die Grenzen zwischen Installation und Skulptur verschwimmen dabei genauso wie Material und Raum.
Es ging nicht mehr darum, Realität zu interpretieren, sondern sie schmucklos zu zeigen. Ziel war es, die Trennung zwischen Kunst und Alltag aufzubrechen – jeder sollte sich mit der Arte Povera identifizieren können. Kunst sollte nicht mehr heilig, der Erschaffer kein Genie mehr und die Botschaft nicht mehr kompliziert sein.
Letztlich war es eine Rebellion gegen das Establishment, eine Abkehr von Konsum und Technologie. Und das Bestreben, Alltägliches zu etwas Bedeutungsvollen zu erheben. So machten schließlich Lumpen den Alten Meistern Konkurrenz.
Die radikalen Gedanken der Arte-Povera-Bewegung haben die westliche Kunst nachhaltig beeinflusst, weil sie neue Spielregeln einführte. Einige der berühmten Werke dieser Bewegung sind noch bis zum 20. Januar 2025 in Paris zu sehen. Die Einflüsse zeigen sich ebenfalls in den Bricolagen der Turiner Künstlerin Carol Rama, die noch bis zum 2. Februar 2025 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen sind. Auch sie bediente sich alltäglicher Materialen wie Puppenaugen, Spritzen, Zweigen oder Tierkrallen.
Arte-Povera-Ausstellung, Bourse de Commerce – Pinault Collection, 2 rue de Viarmes, Paris