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Bundesarbeitsgericht

Arbeitgeber müssen Arbeitszeiten erfassen

Arbeitgeber müssen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfassen, sofern es keine europarechtlich konforme nationale Gesetzgebung gibt, die davon abweicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Auch Apotheken sollten aufmerken.
Cornelia Dölger
12.12.2022  12:30 Uhr

Der Beschluss stammt zwar schon  aus dem vergangenen September. Das Thema der Arbeitszeiterfassung kocht allerdings jetzt erst so richtig hoch. Der Grund dafür ist, dass erst seit Ende vorvergangener Woche eine Begründung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vorliegt. Und die hat es in sich, wie der Kölner Arbeitsrechtler Uwe Schlegel der PZ erklärte.

Ihren Ursprung nahm die Geschichte in dem Vorhaben eines Betriebsrats, in seinem Unternehmen eine voll elektronische Arbeitszeiterfassung zu initiieren. Per Antrag beim Arbeitsgericht sollte ihm hinsichtlich der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung in dem Betrieb ein Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) eingeräumt werden. Dagegen wendeten sich die betroffenen Arbeitgeberinnen – und das BAG, das höchste deutsche Arbeitsgericht, gab ihnen abschließend Recht. Laut dem BAG-Beschluss vom 13. September 2022 darf ein Betriebsrat keine (elektronische) Arbeitszeiterfassung anstoßen, wenn eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits gesetzlich geregelt ist. »Dieses Recht hat das BAG letztlich verneint, weil es nach Auffassung des BAG bereits eine gesetzliche Regelung gibt, die das vom Betriebsrat erstrebte Mitbestimmungsrecht gewissermaßen sperrt«, erklärte Rechtsanwalt Uwe Schlegel der PZ.

Beschluss ist ein »Paukenschlag«

So weit, so gut. Was derzeit die Arbeitgeberverbände und Lobbygruppen hochfahren lässt, ist allerdings eine andere Kernaussage des Beschlusses. Das BAG stellt dem Beschluss nämlich folgenden Leitsatz voran: »Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat.« Mit Bezug auf das Arbeitsschutzgesetz entscheidet das BAG also, dass Arbeitgeber grundsätzlich die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer dokumentieren müssen. Das stelle einen »Paukenschlag« dar, sagte Schlegel, der bei der Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft ETL Rechtsanwälte speziell Heilberufler berät. Mit dem Beschluss düpiere das BAG den Gesetzgeber, der nun gut daran täte, schnell zu reagieren und ein Gesetz auf den Weg zu bringen.

Denn anders als bei Überstunden, deren Erfassung nach § 16 Abs. 2 im Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben ist, gibt es in Deutschland bislang kein Gesetz, das Arbeitgebern die Erfassung der Arbeitszeit im Allgemeinen vorschreibt. »Das Thema Überstunden könnte mit dem BAG-Beschluss aber wieder in den Fokus rücken«, so Schlegel. Denn klar sei, dass eine Pflicht zur Aufzeichnung von Überstunden ganz unabhängig vom Beschluss des BAG bestehe. Vor diesem Hintergrund sollten Apothekeninhaberinnen und -inhaber, in deren Apotheken öfter Überstunden geleistet würden, natürlich aufhorchen, so der Rechtsanwalt. »Ich rate ihnen, sich sofort um eine Erfassung der Überstunden beziehungsweise der Arbeitszeit zu kümmern.« Denn wer Überstunden nicht aufzeichne, verstoße gegen das Arbeitszeitgesetz und müsse mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. Ob diese schon lange bestehende Vorschrift bei den Arbeitgebern überhaupt bekannt sei, sei übrigens dahingestellt, so Schlegel.

Analog oder digital

Die Erfassung der Arbeitszeit könne beispielsweise ganz klassisch analog durch Aufschreiben durchgeführt werden, aber auch elektronisch. Das BAG mache hierzu keine eindeutigen Vorschriften. Bei Softwarelösungen gelte die Faustformel, dass pro Mitarbeitendem und Monat nicht mehr als 2 Euro für Anschaffung und Wartung ausgegeben werden sollte, rät Schlegel. »Fallen Sie nicht auf die zahlreichen Glücksritter herein, die nun im Zuge des BAG-Beschlusses alle möglichen Softwaresysteme zu überhöhten Preisen anbieten.«


Sämtliche Mitarbeitende des Betriebs sind laut BAG-Beschluss von der Regelung betroffen, auch Außendienstler. Auch für Mitarbeitende im Homeoffice gelte diese Regelung. Der Arbeitgeber darf demnach die Aufzeichnung delegieren. Kontrolliert werden könnte die Einhaltung der Aufzeichnungspflicht etwa in Apotheken vom Amtsapotheker oder den Gewerbeaufsichtsämtern, wobei die Offizinen jetzt nicht sofort mit Kontrollen rechnen müssten. Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten, das habe seine Erfahrung als Rechtsanwalt gezeigt, träten oft erst bei einem arbeitsrechtlichen Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zutage. Wenn hierbei dann zum Beispiel herauskäme, dass die Pflicht zur Aufzeichnung von Überstunden nicht eingehalten wurde, könne es teuer werden.


Bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber reagiert. Laut Schlegel muss er sich eigentlich schon seit dem Jahr 2019 um eine nationale Gesetzgebung zur allgemeinen Arbeitszeiterfassung kümmern. Schlegel rechnet damit, dass der Gesetzgeber innerhalb eines überschaubaren Zeitraums reagieren wird und dass damit künftig die Nicht-Aufzeichnung von Arbeitszeit ähnlich wie die Nicht-Aufzeichnung von Überstunden mit einem Bußgeld bewehrt sein könnte.

 

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