Apothekerschaft protestiert gegen BMG-Reformpläne |
Cornelia Dölger |
02.10.2023 14:50 Uhr |
Apotheken demonstrieren in Frankfurt am Main: Der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, erläutert der Presse die Gründe für den Protest. / Foto: PZ
Der Protesttag in Hessen war bereits vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) angekündigt worden, da die Politik der drängendsten Honorarforderung der Apothekerschaft bislang nicht nachgekommen ist. Im Vorfeld des Deutschen Apothekertags (DAT) wurden dann noch Lauterbachs Pläne zum Umbau des Apothekenmarkts bekannt. Die Wut darüber konnte er auch mit seinem Videoauftritt beim DAT nicht mindern. Die Apothekerinnen und Apotheker sind entsetzt und fühlen sich vom Minister hintergangen. Statt die Apothekenlandschaft – wie im Koalitionsvertrag versprochen – wirtschaftlich zu stärken, bewirkten die von Lauterbach angedachten Reformpläne wie etwa eine Aufweichung des Mehrbesitzverbots genau das Gegenteil: eine Unterminierung der flächendeckenden Versorgung durch die Vor-Ort-Apotheke. DerHessische Apothekerverband (HAV) fühlte sich von dieser Entwicklung in seinem Protestaufruf bestärkt: Viele Offizinen blieben am 2. Oktober geschlossen.
Bei einer Kundgebung auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main sprach unter anderem Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche zu den Protestierenden. Die Bundestagsabgeordnete hat grundsätzlich Verständnis für den Protest der Apothekerschaft, wie sie der PZ am Rande der Demonstration sagte. Sie halte es für richtig, dass die Apothekerinnen und Apotheker sich für ihre Interessen einsetzten.
Auf der anderen Seite kann sie Reaktion der Apothekerschaft auf den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Liberalisierung nicht nachvollziehen. Gerade in ländlichen Gebieten könne die Versorgung mit bestehenden Strukturen auf Dauer nicht aufrechterhalten werden. Um die Versorgung zu verbessern, müssten sämtliche Akteure im Gesundheitssystem zusammenstehen, die Politik sowie alle Heilberufsgruppen, so Schulz-Asche.
Das sieht der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, anders: Er sieht Lauterbachs Pläne zur Liberalisierung der Apothekenstruktur kritisch. Er will den Vorschlägen aber auch nicht allzu viel Bedeutung zumessen. »Da fehlt jedes Konzept.« Wie sollten beispielsweise die angedachten Zweigapotheken personell bestückt werden angesichts des ohnehin eklatanten Personalmangels, sagte er zur PZ. Er riet dem Minister dazu, sich endlich mit Fachleuten zusammenzusetzen.
Seyfarth erwartet »ein klares Commitment der Politik« zu den Forderungen der Apothekerschaft. Die Kundgebung an der Alten Oper sei ein Erfolg. Nun müsse die Politik »endlich aufwachen« und nicht nur Lippenbekenntnisse abgeben angesichts des Wahlkampfs in Hessen.
In ihrer Ansprache an die Demonstrierenden betonte Schulz-Asche, dass viele Probleme im Gesundheitssystem alt seien – die Ampel sei allerdings erst zwei Jahre an der Regierung. Mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) würden sie endlich angegangen. Wichtig sei zum Beispiel, dass die Höhe der Zuzahlungen gesenkt werde – worauf es im Publikum Pfiffe und Buhrufe gab und Zwischenrufe wie »Die treiben wir doch unentgeltlich ein!« Auch dass in vielen Fällen Retaxationen wegfallen sollen, begrüße die Politikerin, konnte aber auch damit beim Publikum nicht punkten.
Eindeutig gegen Lauterbachs Liberalisierungspläne sprach sich Ines Claus, Vorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion aus. Sie erteilte der »Apotheke light« ohne fachliche Beratung, Rezeptur und verpflichtenden Notdienst eine Absage. Dadurch würde die Gesundheitsversorgung nicht sichergestellt, im Gegenteil: Die Pläne trügen zum weiteren Apothekensterben bei, so Claus. Auch die Art und Weise, wie die Pläne kolportiert wurden, sei »unverständlich« und zeuge nicht von Wertschätzung.
Ralf Norbert Bartelt, Hautarzt und gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sprach in Frankfurt ebenfalls zu den Apothekenteams. Apotheken light oder Apotheken zweiter Klasse dürfe es nicht geben, rief er unter Beifall. Sie entsprächen weder der Qualifikation noch den Leistungen der Apothekenteams. Aus seiner Zeit als Dermatologe wisse er, wie wichtig etwa Rezepturen für eine umfassende medizinische Versorgung seien. Mit Lauterbachs Plänen würde dies »völlig konterkariert«. Im Übrigen: Der Minister plane ja auch keine medizinischen Versorgungszentren ohne Ärzte.
Bartelt betonte, er kämpfe für höhere Honorare der Apotheken, gleichermaßen müsse aber auch die Industrie gestärkt werden. Stattdessen werden etwa durch die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz festgeschriebene Erhöhung des Herstellerrabatts von 7 auf 12 Prozent weiter geschwächt.
Nur bessere Rahmenbedingungen würden helfen, zeigte sich auch Claus überzeugt. Ansonsten könnten Apotheken die gestiegenen Kosten nicht wieder reinholen. Sie nannte das Beispiel einer Apotheke, die 75 Prozent ihres Umsatzes durch Rx-Arzneimittel bestreitet. »Sollen die Mehrkosten dann aus den übrigen den 25 Prozent kommen?«, so die CDU-Fraktionschefin. Die Menschen hätten ja selbst wenig im Portemonnaie.
Den Mehraufwand der Apotheken beim Lieferengpassmanagement mit pauschal 50 Cent zu vergüten, sei »kein Handausstrecken, sondern es ist eine Beleidigung«. Die CDU reiche den Apotheken die Hand. »Wir müssen gemeinsam ans Honorar ran.«
Als »Überbietungswettbewerb an schlechten Ideen und Projekten« bezeichnete die hessische Linken-Vorsitzende Christiane Böhm Lauterbachs gesundheitspolitisches Agieren. Seine Liberalisierungspläne stärkten nicht die inhabergeführten Offizinen, sondern lediglich die Apothekenketten. »Nachdem Lauterbach die Krankenhauslandschaft zerstört hat, will er nun die Apothekenlandschaft zerstören«, so Böhm, die auch gesundheitspolitische Sprecherin der Linken ist. Wie Schulz-Asche verwies sie darauf, dass die Probleme des Gesundheitssystems alles andere als neu seien. Seit den 1980er Jahren sei sie auf Profit getrimmt, kritisierte die Linkenpolitikerin. Die Rabattverträge seien das beste Beispiel für eine Überökonomisierung der Mechanismen.
Diese gehörten abgeschafft, das Fixhonorar müsse dynamisch steigen, so Böhm. An die eigene Nase fassen müsse sich die hessische Landespolitik. Apotheken spielten dort kaum eine Rolle. »Unfassbar«, dass etwa an den PTA-Schulen im Land zwar Schulgeld-, aber keine Lernmittelfreiheit herrsche, so Böhm. Denn diese sei in der hessischen Verfassung festgeschrieben. So verwundere es nicht, wenn junge Menschen den Beruf in der Ausbildung nicht attraktiv genug fänden.
Auch die hessische FDP in Gestalt des Landtagsabgeordneten Yanki Pürsün räumte Versäumnisse in puncto Apothekenthemen ein. Der Sprecher für Soziales, Gesundheit und Integration der FDP- Fraktion kündigte in seiner Rede an, er werde sich für diese Themen einsetzen. Pürsün ließ erkennen, dass er die Geschehnisse beim DAT vergangene Woche mitverfolgt hat. Lauterbach habe in seiner Videobotschaft gezeigt, dass ihm Nähe zum Versorgungsalltag der Apothekerschaft fehle.
Die »Düsseldorfer Erklärung«, die die Apotheken als Replik auf die Ministerpläne abgegeben hatten, seien »überzeugend«, so Pürsün. »Die wollen wir aufgreifen.« Konkret wolle er sich dafür einsetzen, Retaxe »auf ein Minimum zu reduzieren« und Nullretaxe abzuschaffen, versprach er unter Klatschen und Jubel. Auch er sprach sich für höhere und dynamisierte Festbeträge aus. Die Kundgebung setze ein starkes Zeichen für die Apothekerschaft in Hessen, so Pürsün.