Apotheker sehen rot – Patienten verstehen es |
Daniela Hüttemann |
25.04.2024 12:10 Uhr |
Passend zum Apothekensterben hat die Storchen-Apotheke in Winsen an der Aller Skelett Sir Toby ins Schaufenster gestellt. Das fällt auf und regt zu Gesprächen an. / Foto: Storchen-Apotheke Winsen
In einem Facebook-Reel sagt Inhaberin Sonja Beer: »Ich sehe rot, weil wir seit 13 Jahren keine Honoraranpassung bekommen haben.« Das würde jedem Kunden einleuchten, dass man als Apotheke damit heute nicht mehr über die Runden kommt, berichtet die Apothekerin gegenüber der PZ. Ihr Team beteiligt sich an der Aktionswoche »Wir sehen rot«, verteilt Handzettel, spricht Patienten an, bittet diese, an der Umfrage zur Bedeutung der Apotheke vor Ort unter www.apoliebe.de teilzunehmen und ist auf Social Media aktiv. Auch Skelett Sir Toby, der mit roter Fleece-Jacke bekleidet diese Woche das Schaufenster ziert.
»Die Kunden sprechen uns durchaus darauf an. Wir hatten diese Woche sogar schon einen Patienten, der gefragt hat, wie er uns helfen kann«, freut sich Beer. »Wirklich alle können es nachvollziehen, dass wir mit einem Honorar von 2011 nicht mehr über die Runden kommen. Es hat auch jeder mitbekommen, dass es mit der Gesundheitsversorgung insgesamt immer schwieriger wird.«
Die neuesten Zahlen zum Rückgang der Apothekenzahl und der durchschnittlichen Betriebsergebnisse, die diese Woche veröffentlicht wurden, überraschen Beer nicht. »Und das BGH-Urteil zu Skonti reißt uns noch mehr runter«, fürchtet die Inhaberin. »Ich sehe es aber auch als klaren Auftrag an die Politik, hier sofort aktiv zu werden.« Auf Social Media sagt sie: »Ich sehe rot, weil ich keine schlaflosen Nächte haben will, weil mir meine Liquidität verloren geht.«
Mit Besserung der Situation für die Apotheken in den nächsten Monaten rechnet sie zwar nicht, doch der Rückhalt in der Bevölkerung macht ihr Mut. »Wir müssen weiter Gespräche mit Patienten und Politikern führen und die Öffentlichkeit auf unsere Probleme aufmerksam machen. Vor allem der Politik müssen wir klar machen: So kann es nicht weitergehen.« Aufgeben sei keine Option. »Ich liebe meinen Beruf wirklich, auch die Selbstständigkeit. Das will ich nicht aufgeben, daher machen wir weiter.«
Ähnlich sieht es Birte Neumann, Inhaberin der Uhlen-Apotheke in Oldenburg. »Man hat schon bei den Protesttagen gemerkt, dass die Bevölkerung hinter uns steht. Das hat sich noch verstärkt, auch der Frust, dass die Probleme im Gesundheitssystem politisch nicht angegangen werden, sei es bei den Apotheken, bei den Praxen oder Krankenhäusern. Die Politiker scheinen noch nicht zu verstehen, wie stark das auch das Wahlverhalten beeinflussen könnte. Die Realität vieler Menschen kommt bei ihnen einfach nicht an.«
In der Uhlen-Apotheke tragen sie diese Woche auffällige rote Brillen, sprechen die Patienten aktiv an und bitten vor allem auch darum, an der Apoliebe-Umfrage teilzunehmen. »Während ich versuche, eine Alternative für ein nicht lieferbares Medikament zu finden, bitte ich den Patienten, schnell die Umfrage auszufüllen.« Neumann hofft, dass die Umfrage weitere Daten liefern, die die berufspolitische Argumentation unterstützen. »Die Patienten wollen und brauchen uns doch weiterhin als Problemlöser vor Ort.«
Sie selbst hatte schon den FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Dürr aus dem benachbarten Wahlkreis zu Besuch. Als Vater zweier kleiner Kinder kenne er die Antibiotika- und Fiebersaftproblematik. »Aber wie sehr wir uns ein Bein ausreißen, um die Patienten zu versorgen, und trotz Personal- und Zeitmangel, Kosten und Retaxgefahr die Medikamente selbst herstellen, wird immer noch zu wenig gesehen«, meint Neumann. »Wir haben eine sehr hohe Verantwortung und wollen das nicht auf dem Rücken unserer Patienten austragen, brauchen jetzt aber ihre Unterstützung.«
Die Apothekerkammer Niedersachsen hat für diese Woche auch Journalisten in die Apotheken eingeladen. Eine NDR-Reporterin war bei Neumann in Oldenburg für einen Radiobeitrag. Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, betont in einer Pressemitteilung zur Aktionswoche: »Die Bundesregierung muss unverzüglich handeln, um die bestehenden Versorgungsstrukturen zu erhalten und zu stärken. Keinesfalls dürfen die Apotheken als tragende Säule des Gesundheitssystems auf Kosten der Menschen in Deutschland kaputtgespart werden.«