Apotheker gehen bei Hilfsmitteln in die Offensive |
Cornelia Dölger |
26.06.2025 16:00 Uhr |
Auch Inhalationsgeräte zählen zu den Hilfsmitteln, die Apotheken ab 1. Juli nicht mehr an IKK-classic-Versicherte abgeben dürfen. / © Adobe Stock/dusanpetkovic1
Am Ende dürfte es auf die Kasse selbst zurückfallen. Denn wenn IKK-classic-Versicherte, weil sie in Apotheken nicht mehr mit Hilfsmitteln versorgt werden dürfen, womöglich sogar im Krankenhaus behandelt werden müssen, kommt es das Gesundheitssystem deutlich teurer zu stehen. Mehrkosten bedeuten am Ende höhere Beiträge – eine ebenso bekannte wie gefürchtete Spirale. Ein solches Szenario stellte heute der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) auf. Anlass ist das drohende Versorgungschaos, nachdem die IKK classic den Versorgungsvertrag mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) gekündigt hat.
Dabei hatte die Kasse im Sinn, Kosten zu drücken. Beide Partner konnten sich nicht auf eine Folgevereinbarung einigen, da die Kasse »auf wirtschaftlich nicht tragfähigen Konditionen« bestanden habe, so der DAV. Auch von angebotenen Einzelverträgen rät der DAV ab. Nun läuft zum 30. Juni der Hilfsmittelversorgungsvertrag aus.
Weil die IKK classic eine große Kasse mit drei Millionen Versicherten ist – von denen laut Kasse 65.000 vom Vertragsende betroffen sind –, sorgt der Fall derzeit für Schlagzeilen. Über die Fachwelt hinaus berichten Medien über das Chaos mit Ansage. Zuletzt hatte die Kasse die betroffenen Versicherten per Brief über das Vertragsende informiert und sie aufgefordert, sich neue Versorgungspartner zu suchen – die Apotheken seien ja demnächst nicht mehr mit im Boot.
Die Apotheken fühlen sich kaltgestellt und gehen nun in die Offensive. Per Flyer informiert der Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg die Kundinnen und Kunden über den Sachverhalt und bittet: »Fordern Sie die IKK classic auf, wieder faire Bedingungen für eine qualitativ hochwertige Hilfsmittelversorgung über Ihre Apotheken vor Ort zu schaffen. Nur gemeinsam können wir erreichen, dass Ihre Versorgung gesichert bleibt.«
Erklärend heißt es: »Wir möchten Sie weiterhin bestmöglich versorgen – aber zu fairen Bedingungen. Das Preisdiktat der IKK classic gefährdet eine wohnortnahe Versorgung. Deshalb setzen wir uns in Verhandlungen mit der IKK classic für eine tragbare Lösung ein – für Sie und Ihre Gesundheit.« Auf Preisverhandlungen hatte sich die Kasse laut DAV bislang nicht eingelassen.
Eben dieses »Preisdiktat« nimmt der AVWL zum Anlass, auf die Dringlichkeit von Reformen im Gesundheitswesen hinzuweisen. Insbesondere funktioniere das System der Selbstverwaltung nicht mehr. »Eigentlich ist es der Sinn der Selbstverwaltung, dass Krankenkassen und Leistungserbringer – wie zum Beispiel Apotheken – einen fairen Interessensausgleich aushandeln. Die Kassen aber verhandeln nicht mehr mit uns, sondern diktieren die Konditionen«, kritisierte der AVWL-Vorsitzende Thomas Rochell. Dieses Vorgehen führe dazu, dass die Patienten schlechter versorgt würden, zugleich trügen die Kassen zum weiteren Apothekensterben bei.
Im schlimmsten Fall könne das Beispiel IKK classic Schule machen, warnte Rochell, zumal in der Vergangenheit schon eine andere Kasse ähnlich wie jetzt die IKK agiert hatte. »Wir müssen befürchten, dass weitere Krankenkassen diesen sehr schlechten Beispielen im Bereich der Hilfsmittelversorgung folgen und auf diese Weise versuchen werden, Kosten zu drücken – und zwar zu Lasten der eigenen Versicherten und deren Apotheken.«
Auch der AVWL bittet daher die Patientinnen und Patienten, »uns zu unterstützen und Ihre Krankenkasse aufzufordern, wieder faire Bedingungen zu schaffen«. Rochell betonte: »Wir hoffen sehr, dass die Krankenkasse einlenkt und die Politik der Selbstverwaltung neue Leitplanken setzt.«