Apotheker diskutieren mit Optendrenk |
Besuch aus Wiesbaden in der Kammerversammlung: Dr. Sonja Optendrenk stellte sich der Diskussion mit den Delegierten. / © PZ/Wolf
»Ich kann Ihren Unmut verstehen. Der Deckmantel der angeblichen Wertschätzung für die geleistete Arbeit in den Apotheken ohne eine Anpassung des Honorars hat endgültig ausgedient. Immer mehr Bürokratie und Aufgaben können einfach nicht zu den alten Konditionen geleistet werden«, sagte die Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Sonja Optendrenk von der CDU. Trotz vollem Terminkalender war sie der Einladung von Kammerpräsidentin Ursula Funke gefolgt, um mit den Delegierten über die aktuelle gesundheitspolitische Lage zu diskutieren. Sie forderte die anwesenden Apotheker zu einem offenen Austausch zu Themen auf, die unter den Nägeln brennen. Und die Diskussionsmöglichkeiten nutzten die Delegierten reichlich.
Dazu gehört freilich in erster Linie eine Reformierung der Honorierung. Laut Optendrenk ist die Apotheke als niederschwellige Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung zu etablieren und ihre Leistung unabhängig von der abgegebenen Packung zu sehen. »Weil der Beratungsbedarf unabhängig davon ist, ob ein Patient überhaupt ein Arzneimittel kauft oder nicht, muss in irgendeiner Weise auch das Honorar dynamisiert werden.« Sie selbst habe 2004 im Bundesgesundheitsministerium (BMG) an der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung mitgearbeitet, wie sie berichtete. Am schon damals als wichtig erachteten Faktor der Dynamisierung sei nie gedreht worden. Jetzt sei die Zeit und Chance dazu, auch auf Länderebene innovativ zu sein und Vorschläge zu machen, wie eine Anpassung gelingen könne.
Es gelte, die Rolle der Apothekerinnen und Apotheker in der ganzheitlichen Gesundheitsversorgung auszubauen beziehungsweise zu stärken. Dass sie verantwortungsvoll mit mehr Kompetenzen umgehen können, hätten etwa die erweiterten Austauschmöglichkeiten während der Coronapandemie gezeigt. Auch pharmazeutische Dienstleistungen müssten ausgebaut werden. Aber auch da sei zu hinterfragen, was in der Apotheke vor Ort überhaupt leistbar ist, sprach Optendrenk den enormen Zeitdruck und Bürokratismus im Tagesgeschäft an. Und wenn man das Konzept der erweiterten Impfmöglichkeiten in der Apotheke weiterverfolge, sei ein verbesserter interdisziplinärer Austausch mit den Ärzten vonnöten. Ein Ende unnötiger Grabenkämpfe sei sowieso an der Zeit.
»Für die CDU in Hessen ist die `Apotheke ohne Apotheker´, wie von Lauterbach angedacht, definitiv kein Thema. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker weiterhin für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung erhalten bleibt und genutzt wird«, versprach die Staatssekretärin den Delegierten. Dazu nötig sei ein Überdenken von »Regulierungsmechanismen um des Regulierens willen«, also Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit etwa von Rabattverträgen, bürokratischen Auflagen oder Retaxierungen. So war die Frage einer Delegierten: »Wer kontrolliert eigentlich die Krankenkassen?« Thema Lieferengpässe: Die Arzneimittelproduktion nach Europa oder gar in Teilen nach Deutschland zurückzuholen, bezeichnete die Staatssekretärin als illusorisch.
Kammerpräsidentin Funke bedankte sich bei Optendrenk für die ungewöhnlich offenen Worte. Auch sie betonte die Notwendigkeit einer Apothekenreform. »Wir brauchen dringend eine Honorarreform, die uns nach rund 20 Jahren Stillstand und Abkopplung von jeglicher Kostenexplosion wieder eine auskömmliche wirtschaftliche Basis sichert. Das ist das Fundament für attraktivere Entlohnung unserer mit viel Engagement arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mehr pharmazeutische Aufgaben und Verantwortung, weniger Bürokratie-Unsinn – aber nicht zum Nulltarif, sondern mit adäquater Honorierung«, forderte sie ein echtes Apothekenstärkungsgesetz.
Funke skizzierte, wie wichtig es sei, Tag für Tag mit sachlichen und stichhaltigen Argumenten Überzeugungsarbeit bei der Politik zu leisten und belastbare Kontakte zu pflegen. Die Landesapothekerkammer Hessen habe mit allen Gesundheitspolitikern aller demokratischen Parteien einen engen Austausch, es gebe praktisch keinen hessischen Abgeordneten, der nicht kontaktiert und über die Pläne einer zukunftsweisenden Arzneimittelversorgung durch die Apotheke vor Ort informiert worden wäre. Der heutige Besuch Optendrenks zeuge von den guten Kontakten.
»Unsere Pläne und unsere Forderungen müssen sich jedoch auch in den Wahlprogrammen der Parteien wiederfinden. Schließlich sind die Wahlprogramme Grundlage für einen Koalitionsvertrag. Und was nicht im Koalitionsvertrag steht, wird anschließend auch nicht umgesetzt werden.« Was Hessen betrifft, kann der Kammervorstand zum Ausgang dieser Legislaturperiode eine glänzende Weste vorweisen. Außer Hessen verfüge kein anderes Bundesland über einen Koalitionsvertrag, der auf den Stellenwert des Berufsstandes eingeht. »In Hessen ist es uns gelungen, dass unsere Ideen und Forderungen im Koalitionsvertrag der jetzigen hessischen Landesregierung stark verankert sind. Und zwar nicht nur ein höheres und angepasstes Honorar, sondern auch eine verstärkte Nutzung unserer Kompetenz als Apothekerinnen und Apotheker. Stichpunkt Festschreibung Stationsapotheker. In Hessen ist nicht nur von »pharmazeutischer Expertise« die Rede.
Nun müsse es gelingen, die Positionierung der Apothekerschaft auch auf Bundesebene zu verankern. Dazu sei allerdings Geschlossenheit in den Berufsreihen erforderlich, sagte Funke im Hinblick auf die gerade stattfindende hessische Kammerwahl. »Nur mit einem geschlossenen Vorgehen, das von allen Kammern und Verbänden getragen wird, wird man in der Politik ernst genommen.«
Von wegen gemeinsame Strategie: Für einige Unruhe hatte seit dem Deutschen Apothekertag (DAT) eine geplante Satzungsänderung der ABDA gesorgt, die die Rolle der Hauptversammlung der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker betrifft. In München hatte ein dort beschlossener Adhoc-Antrag hessischer Delegierter die Satzungsänderung infrage gestellt – denn damit sei eine Entmachtung des Apothekerparlaments verbunden. Vielmehr solle die Mitgliederversammlung einen Ausbau und eine Stärkung des DAT prüfen. Während der Delegiertenversammlung in Eschborn sagte Funke der Rücknahme der Satzungsänderung ihre volle Unterstützung zu. Mittlerweile wurde bekannt, dass die ABDA am 11. Dezember in ihrer Mitgliederversammlung darüber diskutieren wird.
In Funkes Bilanz der zurückliegenden Legislaturperiode durfte die hart erkämpfte Neureglung des Nacht- und Notdienstes mit Beginn des Jahres 2024 nicht fehlen. Diese bringe wesentliche Erleichterungen gerade für die Apotheken, die in der Vergangenheit besonders belastet gewesen waren. Folgende Zahlen beweisen die positiven Folgen der neuen Notdiensteinteilung: Im Jahr 2023 hatten die hessischen Apotheken 34.000 Dienste abzuleisten, nach der Umstellung sind es in diesem Jahr nur noch 23.000. 2025 werden es nur noch 20.000 Dienste sein; Nachbesserungen kommen vor allem für den Frankfurter Raum.
Durch eine Änderung der Dienstbereitschaftsrichtlinie wurde die Maximalentfernung zwischen den öffentlichen Apotheken im ländlichen Raum von 20 auf 25 Kilometer angehoben. Neben den größeren Zuschnitten wurde gleichzeitig auf ein digitales System umgestellt, das geodatenbasiert die Apotheken zur Dienstbereitschaft einteilt. Funke: »Hessen und Rheinland-Pfalz waren dabei Vorreiter. Nächstes Jahr werden Bayern und Baden-Württemberg mit diesem System folgen, 2026 dann Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.«