| Daniela Hüttemann |
| 18.06.2024 16:00 Uhr |
Das Pendant zum deutschen Apotheken-A ist der schwarz-weiße Schriftzug des dänischen Apothekerverbands. / Foto: Getty Images/ricochet64
Mehr als hundert Delegationen empfängt Healthcare Denmark jedes Jahr von ausländischen Kommunen, Krankenkassen und Verbänden, die von der dänischen Digitalisierung im Gesundheitswesen lernen wollen. Schaut man sich den Referentenentwurf zum Apothekenreformgesetz an, kann man sich vorstellen, dass auch das Bundesgesundheitsministerium dort abgeguckt hat.
Aktuell gibt es in Dänemark 525 Apotheken für die rund 5,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Damit versorgt eine Apotheke rein rechnerisch etwa 11.240 Menschen. Die Apothekendichte liegt bei 8,9 pro 100.000 Einwohner – die niedrigste im europäischen Vergleich (Deutschland: 21 pro 100.000 Einwohner; EU-Durchschnitt: 32).
Und früher war die Apothekendichte in Dänemark noch niedriger, denn vor der Liberalisierung im Sommer 2015 gab es nur 312 Apotheken. Dabei waren damals neben der Hauptapotheke vier Filialen erlaubt. Seit der Reform sind nun bis zu sieben Filialen im Umkreis von 75 Kilometern möglich. Die Neugründungen fanden jedoch vorwiegend in Städten oder stadtnah statt, vor allem im Großraum Kopenhagen. So entstanden 83 Prozent der Neugründungen mit weniger als 5 Kilometer Abstand zu einer bestehenden Apotheke.
Derzeit gebe es in Dänemark rund 170 Apothekeninhaberinnen und -inhaber, erklärte Apothekerin Gisela Weber Mezghani, Inhaberin der Løve-Apotek in Sonderburg und mehrerer Filialen, vergangene Woche beim Zwischenahner Dialog des Landesapothekerverbands Niedersachsen.
Dabei muss nur in jeder dritten Filiale und in einer Hauptapotheke ein approbierter Pharmazeut anwesend sein (in Dänemark nennen sich nur die Inhaber »Apotheker«), die Filialen können von PTA ohne zusätzliche Qualifikation geführt werden. Bei Bedarf können diese Rücksprache mit einem Pharmazeuten im Verbund halten. Das komme in ihrer Apotheke jedoch nur etwa zweimal pro Woche vor, berichtete Mezghani.
In Dänemark gibt es zudem bestimmte OTC-Produkte wie Nikotin-Pflaster, Schmerzmittel und Hustensäfte auch in Supermärkten an der Kasse (keine Freiwahl), die ohne Beratung abgegeben werden. Welche Produkte und welche Mengen vorrätig zu halten sind, sei vorgeschrieben, erklärte Mezghani.
Ähnlich wie in Deutschland verdienten die dänischen Apotheken mit rezeptpflichtigen Medikamenten aufgrund der Preisstruktur kaum Geld, sondern eher mit dem restlichen Sortiment, so die Apothekerin. Das Honorar für Rx-Packungen sei seit 2015 nur nach unten gegangen. Erst Anfang Juni sei ein neues Vergütungssystem beschlossen worden, das eine Honorarumverteilung von großen zu kleinen Apotheken vorsieht.
Mit dem neuen Gesetz sollen die Apotheken wieder mehr von ihrer Kernleistung, der Abgabe und Beratung von Arzneimitteln, leben können und weniger von Kosmetika und anderen freiverkäuflichen Waren abhängig sein. »Wir sparen durch die Substitution teurerer Arzneimittel viel ein. Das wird bislang aber nicht anerkannt«, kritisierte Mezghani.
Der Apothekerverband verhandele über das Honorar, das jedoch auch an bestimmte Mengen gekoppelt ist. »Wenn wir mehr verkaufen, kann das Packungshonorar von einem Tag auf den anderen sinken – das gilt dann für alle Apotheken in Dänemark«, bemängelte Mezghani die mangelnde Planbarkeit. Immerhin: In Dänemark gibt es nur eine Krankenkasse und keine Retaxationen.
Die Apotheken seien verpflichtet, das günstigste Medikament abzugeben. »Auch wir haben jeden Tag Lieferengpässe«, berichtete Mezghani, denn Dänemark habe mit die günstigsten Generikapreise in ganz Europa. Es gebe lediglich zwei Pharmagroßhändler, die nur einmal täglich liefern. Die meisten Apotheken beziehen nur über einen Großhändler. Hat dieser ein Medikament nicht da, dauere es beim »fremden« Großhändler meist einen Tag länger.
Die Apotheken müssten jeden Abend ihre Lagerbestände für bestimmte Arzneimittel an die Behörden melden. Das sei in der Corona-Zeit eingeführt und beibehalten worden. Zudem können auch die Patienten über das digitale, vernetzte System einsehen, ob die Apotheke ihrer Wahl das gewünschte Arzneimittel auf Lager hat. Falls nicht, können sie es per Versand bei einer weitergelegenen Apotheke bestellten.
Der Apothekerverband Apotekerforenings betreibt mit apoteket.dk ein großes Portal, in dem alle Apotheken mit ihren Angeboten, aber auch viele allgemeine Informationen zu finden sind. Kernstück für die Bürger ist jedoch das staatliche Portal sundhed.dk, wo sie sich mit ihrer Identifikationsnummer einloggen, ihre Verordnungen und Behandlungen einsehen und zum Beispiel auch Folgerezept anfordern können. Das Portal wird jeden Monat von 2,3 Millionen Dänen genutzt.
Mit der »Fælles Medicinkort« können Angehörige der Gesundheitsberufe, die einen Bürger in aktueller Behandlung haben, Informationen über die Medikamente oder Impfungen des Bürgers einsehen sowie die Informationen registrieren und ändern.
Dänemark gilt als Vorreiter bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das Motto der Corona-Zeit »Stay at home« gilt dort immer, erklärte Peter Wiisbye von Healthcare Denmark bei der LAV-Veranstaltung. Der Patient soll möglichst ambulant behandelt werden, mit Möglichkeiten der Telemedizin auch zu Hause. Generell habe der Hausarzt eine »Gatekeeper«-Funktion vor Facharztbesuchen und Krankenhäusern, von denen Dänemark bis 2026 nur noch 53 haben soll (vormals 73), diese aber modernisiert und teils neu gebaut. Zudem habe man in den Ausbau der Notfall-Infrastruktur investiert wie Hubschrauber und Rettungswagen, um weitere Wege in Notfällen zu überbrücken.
Außer, dass Apotheken Zugriff auf die elektronische Patientenakte haben und alles über E-Rezepte läuft, sind sie in der Gesamtstrategie allerdings noch wenig berücksichtigt, gab Wiisbye zu. Zwar impfen sie bereits und können Medikationsberatung zur Adhärenzsteigerung als pharmazeutische Dienstleistung anbieten. Eine Lotsenfunktion, um Hausarztbesuche zu verhindern, ist ihnen bislang jedoch nicht zugedacht.
Tatsächlich sieht die dänische Apothekenreform vom 4. Juni nun neben der Honoraränderung auch eine Reihe von Änderungen am Apothekergesetz vor, damit die Apotheken andere Bereiche des Gesundheitswesens unterstützen und entlasten können, schreibt der Apothekerverband, wird jedoch nicht konkreter. Apotheken sollen unter anderem mehr an öffentlichen Impfprogrammen beteiligt werden. Immerhin fand in der letzten Saison bereits jede zweite Grippe- und Covid-Impfung in den Apotheken statt, berichtete Mezghani. Für mehr Dienstleistungen sieht sie derzeit aufgrund von Personal- und Zeitmangel jedoch nur wenig Spielraum.