Apotheken wollen Versandhandel das Wasser abdrehen |
Cornelia Dölger |
17.09.2025 14:04 Uhr |
Mehrere DAT-Anträge drehen sich um den Versandhandel. / © PZ/Alois Müller
Seit der Versand mit Arzneimitteln vor gut 20 Jahren mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) freigegeben wurde, ist er den Apothekern ein Dorn im Auge. Die Branche ist sich einig, dass die Möglichkeit, per Onlineverschreibung und Versand an Arzneimittel zu kommen, Risiken für die Patienten birgt, von Folgekosten für die Behandlung von möglichen Komplikationen ganz zu schweigen. Ein Rx-Versandverbot ist daher eine lang gehegte Forderung. Mit dem einstigen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war in dieser Sache nicht zu diskutieren; er verwies stets auf EU-rechtliche Bedenken.
Wie es die jetzige Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) mit einem Versandverbot hält, hat sie noch nicht klar preisgegeben. Zumindest dem Onlinehandel etwa mit Cannabisblüten will ihr Ressort Einhalt gebieten. Auch beim derzeit laufenden Apothekertag in Düsseldorf war Cannabis Thema. Die Delegierten sprachen sich dafür aus, entsprechende Geschäftsmodelle in die Schranken zu weisen und »Rausch auf Rezept« zu unterbinden.
Mehrere Anträge wollen dem Versand komplett das Wasser abgraben. So wollen Apothekerkammer sowie -verband Hessen ein vollständiges Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
»Dieser entstehende Parallelweg unterläuft die bewährte und sichere Achse Arzt*Ärztin -Apotheker*
in-Patient*in nach Verordner*in-Versender*in-Konsument*in«, schreiben Kammer und Verband. Mitunter stark suchtauslösende, abhängigkeitsfördernde oder missbrauchsgefährdete Substanzen würden so zu frei zugänglichen Konsumgütern degradiert. Die Sorge: »Die Patient*innen werden zu Konsument*innen – ohne jede Kontrolle.«
Kammervize Schamim Eckert unterstrich in Düsseldorf, mittlerweile gehe es beim Versand zu wie bei »Wünsch dir was«. Die Suchtprävention, der Schutz vulnerabler Gruppen, die Therapiesicherheit und die Arzneimittelhoheit müssten wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Insofern sei der Antrag kein Rückschritt, »sondern ein Schutzschild«. In den meisten EU-Ländern besteht ein Versandverbot nach wie vor.
Ob man bei dem Vorhaben in die Vollen gehen und den Gesetzgeber direkt auffordern solle, ein vollständiges Verbot gesetzlich zu verankern, oder ob man sich auf die Paritätische Stelle konzentrieren und zuvorderst die gemeinsame Position unterstreichen solle, gab Lutz Tisch, Leiter der ABDA-Rechtsabteilung, zu bedenken.
Der Antrag des ABDA-Vorstands zur »Rückführung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das unionsrechtlich gebotene Maß« meine inhaltlich dasselbe, sei aber entsprechend vorsichtiger formuliert. »Mit einer klaren Aufforderung an den Gesetzgeber könnte eine öffentliche Diskussion hervorgerufen werden, die in ihrem Aufmerksamkeitswert alles andere komplett überdeckt«, so Tisch. Vor den Folgen der Freigabe durch das GMG warnt der Antrag indes mit klaren Worten; sie würden »in ordnungsrechtlichen Verwerfungen sichtbar, die durch gesetzgeberische Maßnahmen nicht rechtssicher korrigiert, sondern bestenfalls kaschiert werden können«. Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten ignorierten gezielt Vorschriften des deutschen Rechts unter Berufung auf angeblich bestehende Beschränkungen ihres Marktzugangs, dies mache nicht zuletzt »die seit vielen Jahren festzustellende Unterminierung der einheitlichen Preisbindung für Rx-Arzneimittel« deutlich.
Die Dringlichkeit, dem Versandhandel Einhalt zu gebieten, sei vorhanden, so ABDA-Präsident Thomas Preis. Gestern habe Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bei ihrem Auftritt in Düsseldorf zu erkennen gegeben, dass sie das Thema Rx-Versandverbot »noch einmal mitnehmen« wolle. »Wunderbar ergänzen« könne er in dieser Sache, dass erst vergangene Woche die europäische Arzneimittelbehörde EMA Bürgerinnen und Bürger vor zunehmenden Arzneimittelfälschungen im Internet und im Versand gewarnt habe, so Preis. In der Sache stießen die Anträge in dieselbe Richtung; die Delegierten stimmten zwar knapp dafür, den Antrag aus Hessen zu übergehen, votierten aber anschließend fast einstimmig für den ABDA-Antrag.
Auch Betäubungsmittel (BtM) sollen nach dem Willen der Apothekerschaft nicht per Versand an die Patientinnen und Patienten gelangen. Die Kammer aus Nordrhein und Westfalen-Lippe beantragten daher, das Versandverbot auf alle Betäubungsmittel (BtM) und weitere missbrauchsgefährdete Wirkstoffe, etwa Benzodiazepine, Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon), Pregabalin, Gabapentin, Barbiturate und bestimmte Opioide, zu erweitern. Entsprechend solle die Apothekenbetriebsordnung erweitert werden. Der Gesetzgeber solle zudem dafür sorgen, dass auch der Versandhandel diese Regelungen einhält.
Frank Dieckerhoff, Kammervize in Westfalen, unterstrich in Düsseldorf, dass immer mehr gewerbliche Portale dazu genutzt würden, sich ohne Indikation eine Verschreibung zu verschaffen. Dies gelte es zu stoppen. »Von diesem Apothekertag soll ein starkes Signal ausgehen.« Den Leitantrag nahmen die Delegierten mit großer Mehrheit an.
Erst gestern hatte Nina Warken angekündigt, dass vereinheitlichte Vorgaben bei lokalen Apotheken und Versendern zum Reformpaket gehören sollen. In den Anträgen spiegelte sich die Forderung der Apotheker wider. Die Kammern Berlin und Hessen fordern dabei nicht nur eine Vereinheitlichung, sondern vor allem behördliche Kontrollen. Daran mangelt es bekanntlich, unter anderem, weil die Zuständigkeit nicht klar ist. Der Gesetzgeber möge »eine zuständige Behörde benennen, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften für die korrekte Lagerung und den korrekten Vertrieb von Arzneimitteln auch gegenüber den ausländischen Versendern kontrolliert und durchsetzt«, heißt es aus Hessen. Fast einstimmig nahmen die Delegierten den Leitantrag an.