Apotheken und Industrie – gemeinsame Krise |
Alexander Müller |
20.09.2023 14:30 Uhr |
Die Gesundheitspolitiker Georg Kippels (CDU), Martina Stamm-Fibich (SPD) und Lars Lindemann (FDP) in der Diskussion mit BPI-Geschäftzsführer Kai Joachimsen (v.l.n.r.) / Foto: pz
Eigentlich sollte am Pariser Platz im Schatten des Brandenburger Tors die Fusion der Pharmaverbände BAH und BPI gefeiert werden. Doch die Stimmung war gedrückt, weil die Quote von 63 Prozent der BPI-Mitglieder nicht reichte, um den Zusammenschluss zu ermöglichen – das Quorum lag bei 75 Prozent. Die BAH-Mitglieder hatten sich dagegen zu 86 Prozent für einen gemeinsamen Verband ausgeschlossen.
»Damit ist die geplante Fusion des BAH und des BPI zum VPI nicht zustande gekommen. Schade, es wäre eine richtungsweisende Entscheidung gewesen«, konstatierte der BAH-Vorsitzende Jörg Wieczorek und ging gleich in die Offensive: Der Grundgedanke eines starken Verbandes werde fortgeführt, sagte er und fügte augenzwinkernd hinzu, dass er 45 Mitgliedsbeiträge dabei habe – für die Unternehmen, die im BPI für die Fusion gestimmt hatten.
Über die Gründe des Scheiterns wurde auf der Veranstaltung viel getuschelt, von Verlustängsten bezüglich der Besetzung von Ehrenamtsposten, aber auch von grundsätzlich unterschiedlichen Ideen bei der Organisation der Lobbyarbeit. Fest steht wohl jetzt, dass es keinen dritten Anlauf geben wird. Mit dem Rücktritt des BPI-Vorsitzenden Hans-Georg Feldmeier wurden auch schon persönliche Konsequenzen gezogen.
Wieczorek wollte sich, nachdem er seinen Köder ausgeworfen hatte, nicht länger mit der geplatzten Fusion befassen, sondern adressierte die aktuellen Probleme der Hersteller: »Die Lieferengpässe bei Generika haben die Schwachstellen im System schonungslos offengelegt.« Die Politik habe zu lange nicht auf die Warnungen gehört. Das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) der Regierung sei nur ein »Feigenblatt«, denn für die Medikamente der meisten anderen ebenfalls vulnerablen Patientengruppen finde es keine Anwendung. Die Politik habe die Chance verpasst, die Arzneimittelversorgung sicher aufzustellen.
In der anschließenden Diskussionsrunde konnte BPI-Geschäftsführer Kai Joachimsen den Bundestagsabgeordneten keine neuen Erkenntnisse entlocken. Die SPD-Gesundheitsexpertin Martina Stamm-Fibich, beklagte erneut die »prekäre« finanzielle Situation der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Etwas halbherzig nahm sie dabei ihren Parteikollegen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Schutz, der eben nicht die Voraussetzungen vorgefunden habe wie seine CDU-Amtsvorgänger Jens Spahn oder Hermann Gröhe. Die SPD sei bei der Koalitionsbildung nicht davon ausgegangen, »dass das Ministerium bei uns landet«.
FDP-Gesundheitsexperte Lars Lindemann ließ durchblicken, unter welchen Vorzeichen der nächste »Pharmadialog« fortgesetzt werden könnte: Es sei »ausreichend Geld im System«, es sei nur falsch verteilt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) zwinge das Land zur Priorisierung und das sei auch wichtig. Für die Industrie komme es aber auf Planbarkeit und Belastbarkeit an. »Wir müssen die Leitplanken, wir müssen das AMNOG noch einmal anfassen«, so Lindemann. Das werde »noch im vierten Quartal« erfolgen.
Am Ende der Diskussion fragte BPI-Geschäftsführer Joachimsen die als Gast anwesende ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening, was denn den Apothekern bei den anstehenden Reformen am wichtigsten sei. »Arzneimittel, damit wir sie abgeben können, und Apotheken, wo die Arzneimittel abgegeben werden können«, antwortete diese prompt. Was die Regierung unternehme, um die Apotheken zu stabilisieren und zu stärken, wollte Overwiening zumindest von den Vertretern der Ampelkoalition wissen.
Lindemann umschiffte zwar eine Stellungnahme zur Honorarfrage, machte aber mit Blick auf die Austauschregeln deutlich, dass man den Akteuren mehr Beinfreiheit verschaffen müsse. Die Abstriche bei den Retaxationen gingen ihm noch nicht weit genug. Die Apotheken benötigtem »größtmögliche Freiheit« bei der Substitution.
CDU-Gesundheitsexperte Dr. Georg Kippels schlug in dieselbe Kerbe und setze sich ebenfalls dafür ein, den Apotheken weitgehende Austauschfreiheiten zuzugestehen.
Dass die Apotheken dabei nicht nur auf den guten Willen der Politik, sondern auch auf Mitwirken der Krankenkassen angewiesen ist, zeigt sich aktuell an der Umsetzung des ALBVVG. Weil der GKV-Spitzenverband die Neuregelung so eng auslegt, dass es im Grunde überhaupt keine Erleichterungen für Apotheken geben würde, hat der Deutsche Apothekerverband (DAV) jetzt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) um eine Klarstellung gebeten. Auch die weiter getrennt marschierenden Industrieverbände und ihre Mitgliedsfirmen werden sehr genau hinhören, wie sich das Ressort von Minister Lauterbach hierzu verhält.