»Apotheken soll ihre Kernkompetenz genommen werden« |
Lukas Brockfeld |
06.06.2024 16:04 Uhr |
Sigrid Joachimsthaler (Adexa), ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer (v.l.n.r.) traten am Donnerstag gemeinsam vor die Presse. / Foto: ABDA
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening präsentierte am Donnerstag in Berlin bedrückende Zahlen, die zeigen: Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland sinkt immer schneller. Ende vergangenen Jahres standen in der Bundesrepublik nur noch 17.571 Apotheken für die Versorgung der Menschen bereit. Das ist laut ABDA der niedrigste Stand seit den späten 1970-er Jahren. Deutschland liege mit 21 Offizinen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern inzwischen deutlich unter dem EU-Durchschnitt.
Als wesentliche Ursache für den Rückgang der Apotheken machte Overwiening die stagnierende Vergütung aus. Das Honorar liegt seit 2013 unverändert bei 8,35 Euro pro rezeptpflichtigem Arzneimittel. Seitdem sind zum Beispiel die Energie- und Personalkosten deutlich gestiegen. Die Stimmung in den Offizinen ist entsprechend gedrückt. 63 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber gingen im Jahr 2023 davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in den kommenden Jahren noch verschlechtern werde.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat eine große Apothekenreform angekündigt, die unter anderem die Umverteilung von Honorar und Vertretungsreglungen für PTA vorsehen. Overwiening warnte vor den möglichen Folgen: »Wenn die vom Bundesgesundheitsministerium derzeit angedachten Eckpunkte zu einer Apothekenreform Realität würden, würde die Versorgung vor Ort in einem noch nie dagewesenen Maß ausgedünnt, ja sogar ganz aufs Spiel gesetzt. Anstatt die Apotheken zu stabilisieren und Neugründungen für junge Apothekerinnen und Apotheker wieder attraktiv zu machen, soll den Apotheken ihre Kernkompetenz genommen werden, es würden die Versorgung gefährdende Scheinapotheken ermöglicht.«
Am 3. Juni traf sich Overwiening mit Lauterbach. Dabei zeigte sich laut der ABDA-Präsidentin, dass das Ministerium ebenfalls mit Sorge auf die Situation der Apotheken schaut. Es gebe allerdings keine Einigkeit bei den notwendigen Maßnahmen. Man sei aber weiter mit dem Ministerium im Dialog und versuche, die Politik für die Probleme in der Arzneimittelversorgung zu sensibilisieren. »Der Minister hat deutlich gemacht, dass die Ressortabstimmungen zum Referentenentwurf aktuell sehr intensiv laufen«, erklärte Overwiening.
Die Reformpläne der Bundesregierung werden nicht nur von der ABDA, sondern auch von der Apothekengewerkschaft Adexa abgelehnt. Der Bundesvorstand der Gewerkschaft, Andreas May, erklärte in einem schriftlichen Statement: »Von den Änderungen, die Minister Lauterbach nach bisherigem Kenntnisstand plant, wären die Mitarbeitenden in den Apotheken besonders betroffen. Ein wichtiger Punkt: Die PTA sind nach ihrer jetzigen Ausbildung weder in der Lage noch willens, eine Arzneimittelabgabestelle zu leiten – ich will in diesem Zusammenhang bewusst nicht von Apotheke sprechen. Außerdem ist auch die PTA mittlerweile ein Mangelberuf.«
Eine wesentliche Ursache für den Mangel an PTA ist nach Ansicht der Gewerkschaft die schlechte Bezahlung. Im ersten Berufsjahr bekommt eine ausgebildete PTA beispielsweise nur einen tariflichen Stundenlohn von 13,98 Euro brutto. Die Apothekeninhaber sind aufgrund ihrer eigenen wirtschaftlichen Probleme oft nicht in der Lage, ihre Mitarbeitenden angemessen zu entlohnen.
»Fakt ist: Die Tarifverhandlungen für das Jahr 2024 stagnieren seit letztem Herbst. Als Gewerkschaft für die noch verbleibenden Betriebe ist uns daher wichtig: Die Apotheken brauchen dringend mehr Geld! Sie brauchen vor allem eine angemessene, dynamische Vergütung von den Krankenkassen für die tägliche, unverzichtbare Leistung der Apothekenteams! Damit Adexa endlich auskömmliche Gehälter und tarifliche Arbeitsbedingungen aushandeln kann«, stellte May klar.
In der Debatte um die Vergütung der Apotheken wird oft auf die fehlenden Mittel der Krankenkassen verwiesen. Die ABDA-Präsidentin wollte dieses Argument am Donnerstag nicht gelten lassen: »Lediglich 1,9 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben entfallen auf die Apotheken, und die Zahl sinkt weiter.« Die Kassen würden aber gleichzeitig das Doppelte für sich selbst ausgeben, beispielsweise für Werbung oder Verwaltung. »Die Behauptung, dass es die Apotheken sind, die die Beiträge der Versicherten in die Höhe treiben, ist schlichtweg falsch. Vielleicht ist es aber an der Zeit, die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen gesetzlich einzuschränken«, so Overwiening.
Bei der Pressekonferenz wurde nicht nur das Statistische Jahrbuch vorgestellt, sondern auch die Ergebnisse einer von der ABDA initiierten Online-Umfrage, an der zwischen dem 22. April und dem 1. Juni 2024 knapp 41.000 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen. Hier zeigte sich einmal mehr das hohe Ansehen, das die Apotheken in der Bevölkerung genießen.
Rund 94 Prozent der Befragten gaben demnach an, nicht auf die Apotheke vor Ort als Institution in der Primärversorgung verzichten zu wollen. Jeweils 93 Prozent sind der Meinung, dass die in den Apotheken hergestellten Rezepturen sowie auch die Nacht- und Notdienste unbedingt erforderlich sind. Rund 94 Prozent der Umfrageteilnehmenden würden eine Vergütungserhöhung begrüßen – auch damit die Eröffnung neuer Apotheken wieder attraktiv wird.