»Apotheken sind ein ganz wichtiger Ort für Prävention« |
| Melanie Höhn |
| 11.11.2025 15:30 Uhr |
Diskutierten über ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem (v.l.): Moderatorin Cornelia Wanke, Ebru Yildiz, Johanna Nüsken, Martina Zimmermann, Georg Kippels, Sabine Deutscher und Moderatorin Clarissa Kurscheid. / © PZ/Melanie Höhn
Das Thema Apotheken kam bei der gestrigen Herbsttagung der Healthcare Frauen gleich mehrfach zur Sprache. Zunächst betonte Georg Kippels, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass das Gesundheitssystem viel zu stark als »Reparatursystem« gesehen werde, und forderte »eine gesellschaftliche Präventionsstrategie«.
Heutzutage würden sich viele Möglichkeiten in diesem Bereich ergeben, Stichwort Digitalisierung. Kleine Fortschritte im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen zum Thema Bewegung oder Herzrhythmus könnten mittlerweile gemessen und begleitet werden. Eine Kontrolle mit medizinischer Unterstützung werde ermöglicht, »durch den Hausarzt oder vielleicht demnächst in gewissem Umfang durch die Apotheke«, sagte er.
Es müsse ein »ununterbrochener vom sportlichen Gedanken getriebener Wettstreit gegen sich selbst sein, die Risikofaktoren zu minimieren«, so Kippels. »Das ist ein Bewusstwerdungsprozess, den müssen wir gemeinsam gestalten.« So etwas könne nicht per Gesetz angeordnet werden, »das muss gelebt werden, da muss Überzeugung entstehen«, erklärte der Politiker. Zudem sei ein fachlicher Austausch dazu nötig. »Das möchte nicht unbedingt jeder ausschließlich mit seinem Hausarzt machen, sondern vielleicht auch mit einer gesundheitskompetenten Institution«. Auch die Krankenkassen würden hierbei mit Präventionsberatungen eine große Rolle spielen.
Auch für Johanna Nüsken, Geschäftsführerin des Bundesverbands Managed Care, ist Prävention ein sehr wichtiges Strukturwandelthema, das machte sie bei der Diskussionsrunde deutlich. »Es muss sich rentieren, in die Gesunderhaltung der Bevölkerung zu investieren«, erklärte sie. Dafür brauche es neue Geschäftsmodelle und neue Orte der Versorgung: Apotheken seien hierbei ein »ganz wichtiger Ort für Prävention«. Aber auch Community Nurses und Primärversorgungszentren spielten beim Thema Prävention eine Rolle. »Wir müssen uns lösen von den Systemstrukturen, die wir im Moment haben und es braucht dafür auch eine neue Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen«, so Nüsken. Ärztinnen und Ärzte würden beim Thema Prävention einen wichtigen Beitrag leisten, aber es gebe viele andere Gesundheitsberufe, die »noch einen größeren Impact haben könnten und auch die müssen wir in die Gestaltung bringen«.
Neben dem Thema Prävention sorgte der Bereich Frauengesundheit für regen Austausch. Um letzteres Thema voranzubringen, brauche es vor allem Frauenförderung in Entscheiderpositionen, damit diese Themen überhaupt eine Chance haben, sichtbar zu werden, betonte Martina Zimmermann, stellvertretende Vorständin der Krankenkasse mkk.
Laut Statistischem Bundesamt sind Führungspositionen in Deutschland nur mit 29 Prozent weiblich besetzt, führte Moderatorin Clarissa Kurscheid aus. Der Anteil der Chefärztinnen und Klinikdirektorinnen liege bei knapp 14 Prozent, trotz weiblichem Studierendenanteil von über 70 Prozent im Fach Medizin. Indem die Frauen hörbar und sichtbar in der Öffentlichkeit gemacht werden, könnte diese Gesamtsituation verändert werden, betonte Ebru Yildiz, Leiterin der Stabstelle Westdeutsches Zentrum für Organtransplantation. »Es ist eine gläserne Decke, durch die ich auch jedes Mal versuche hindurchzulaufen«, so Yildiz. Es brauche dabei viel Eigeninitiative und ein »aktives Kümmern«, zudem müsse man als Frau sagen: »Wir können das. Warum hinterfragt ihr uns? Warum traut man uns das nicht zu? Das sollen die Männer erstmal beantworten.«
Georg Kippels erklärte dazu, dass die Konfrontationsbereitschaft seitens der Männer provoziert werden müsse und dass es dahingehend eine Diskussionskultur und ein Problembewusstsein brauche. Eines sei klar: »Wir haben in Gänze einen Fachkräftemangel«, weshalb es die kompetentesten weiblichen und männlichen Köpfe brauche, damit die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, gerade im medizinischen Bereich, gelöst werden könnten. »Für grundlegende Gesundheitsfragen braucht es zu 50 Prozent die Perspektive der Frau.«
In den Apotheken und in der Pflege beispielsweise sei die Beschäftigungszahl der Frauen sehr hoch, aber in den Spitzenbereichen werde es »übersichtlich«. Hier müsse man »den Zopf aus dem Sumpf herausziehen«, so Kippels. »Das macht so objektiv keinen Sinn, wir manövrieren uns in Leistungsdefizite hinein und deshalb kann ich nur jedem Mann dringend empfehlen: Denke vertiefend darüber nach und sprich mit deinem Gegenüber, wie wie gemeinschaftlich Probleme lösen. Es ist gut, gemeinsam Erfolg zu haben.«
Seitens der Politik müsse über eine entsprechende Vorbildfunktion gezeigt werden, dass Frauen in den Funktionen hervorragende Arbeit leisten und dieser Vorbildcharakter auch staatlich gefördert werde. Zudem brauche es gute Rahmenbedingungen für Existenzgründungen bei Frauen.
Sabine Deutscher, Mitglied des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg, ergänzte: »Ich finde, dass Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Eine Quote kann kurzfristig helfen, um den Prozess anzustoßen. Gemixte Teams sind die besten.«
Das Podium diskutierte außerdem die Frage, wie es gelingt, Effizienzsteigerungen und Digitalisierung im Gesundheitswesen umzusetzen, ohne Menschlichkeit und Fürsorge zu beeinträchtigen. Georg Kippels bezeichnete dies als eine »positive Herausforderung«. Die technischen Möglichkeiten müssten als Chance gesehen werden, um Freiräume zu schaffen. Alle Abläufe seien extrem unter zeitlichem Druck, aber es müsse immer wieder versucht werden, Zeit für menschliche Nähe zu schaffen.
»Wir müssen Menschlichkeit als Ziel der Digitalisierung stellen: Dabei meine ich nicht nur das entwickeln, sondern wir müssen auch Patienten mitdenken«, sagte Ebru Yildiz, Leiterin der Stabstelle des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation.
»Für mich besteht große Chance, dass Digitalisierung und KI genutzt werden, um Freiräume zu schaffen«, sagte Sabine Deutscher, Mitglied des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg. Es dürfe keine Angst geschürt werden, sondern Patientinnen und Patienten müssten mehr aufgeklärt werden. Zudem sei die elektronische Patientenakte (ePA) eine »riesige Chance im System, sektorenübergreifend zusammenzuarbeiten«.
Johanna Nüsken betonte, dass Digitalisierung ein wichtiger Bestandteil eines Strukturwandels im Gesundheitswesen sei. »Wir können nur gewinnen, wenn wir die großen Strukturreformen im Gesundheitswesen angehen«.