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Zukunftskongress des AVNR

Apotheken-Notruf von Bonn nach Berlin

Gelöst war die Stimmung erst mit dem Auftritt von Karl Lauterbach. Zwar war der Bundesgesundheitsminister nicht persönlich bei den Apothekern erschienen, aber immerhin als Handpuppe. Zuvor wurde im ehemaligen Plenarsaal des Bundestags in Bonn teils leidenschaftlich über die Zukunft der Branche diskutiert.
Alexander Müller
24.02.2024  22:14 Uhr

Den Auftakt zum 16. Zukunftskongress öffentliche Apotheke machte Gastgeber Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverband Nordrhein (AVNR). Und es wurde passend zum Ort gleich geschichtsträchtig: Mehr als 560 Apothekenschließungen im Jahr 2023 bedeuteten die höchste Zahl an in der Geschichte der Bundesrepublik, so Preis. »Es bestand für sie keine Chance, sich aus dem wirtschaftlichen Abwärtsstrudel zu befreien.«

Zehn Jahre ohne Honorarerhöhung hätten bei steigenden Lebenserhaltungskosten, Löhnen und Inflation dazu geführt, dass ein Drittel der Apothekeninhaber heute weniger verdiene als ein angestellter Approbierter. »Und zehn Prozent der Betriebe schreiben rote Zahlen, so dass sie über kurz oder lang werden schließen müssen.« Im Kammerbezirk Nordrhein habe sich der katastrophale Trend aus dem Vorjahr in den ersten sechs Wochen 2024 noch einmal beschleunigt.

Für das Apothekensystem forderte Preis einen »sofortigen Rettungsschirm« von der Politik: Absenkung des Kassenabschlags, eine spürbare Honorarerhöhung und eine gesetzgeberische Korrektur jenes aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs, damit Skonti rechtssicher möglich seien. Die Kernbotschaft des Apothekertags 2023 »Apotheken stärken jetzt!« sei inzwischen »ein Notruf der öffentlichen Apotheken an die Ampelregierung in Berlin«, so Preis.

Der AVNR-Chef sprach auch den zusätzlichen Aufwand bei der Umsetzung des E-Rezept an und nannte drei zentrale Problemfelder: wiederkehrende Ausfälle des zentralen Servers der Gematik, zu viele nicht plausible Rezepte und die Verwendung der ungeeigneten Stapelsignatur in den Arztpraxen.

Zu allem Überfluss drohten die Kassen den Apotheken auch noch mit Retaxationen. »In Zeiten der Digitalisierung darf es eigentlich gar keine fehlerhaft ausgestellten Rezepte mehr geben«, so Preis. Die Apothekenteams entschieden sich im Zweifel immer für die Versorgung der Patienten. »Uns dafür aber noch bestrafen zu wollen, ist unredlich, unfair und vertragspartnerschaftlich nicht in Ordnung«, so Preis, der sich ein klares Machtwort der Politik wünschte.

Neue Proteste angekündigt

Die Apothekenproteste aus dem vergangenen Jahr könnten bald fortgesetzt werden, wenn der Gesetzesentwurf zu Lauterbachs Apothekenreform vorgestellt werde. Denn der Minister habe den Bürgerinnen und Bürgern de facto androht, dass es Apotheken ohne Apotheker geben wird. Sollte der Minister an seinen Plänen solcher »Behelfsapotheken« festhalten, würden die Proteste wieder aufgenommen, kündigte Preis an. »Herr Minister Lauterbach, beerdigen Sie dieses Gesetzesvorhaben, damit Bürgerinnen und Bürger keinen Schaden nehmen und keine Leistungseinschränkungen hinnehmen müssen«, so sein Appell.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bekannte sich als erster Gastredner eindeutig zur inhabergeführten Apotheke vor Ort und sieht auch eine Honorarerhöhung als angemessen an. Allerdings sei Lauterbachs Reform im Bundesrat nicht zu stoppen, da nicht zustimmungspflichtig. Über Laumanns Auftritt gibt es einen eigenen Bericht.

Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn und Mitglied des Expertenrats des Bundeskanzleramts, warnte in seiner Keynote: »Stand jetzt wird unser Gesundheitssystem kollabieren, wenn die Babyboomer in die Rente kommen.« Ein radikaler Umbau sei notwendig, denn das deutsche System sei im internationalen Vergleich teuer und ineffizient. »Es nützt nichts, wenn wir mehr Geld ins System pumpen. Wir brauchen eine strukturelle Änderung.«

Streeck schwebt ein Primärarztmodell vor, bei dem der Hausarzt die Lotsenfunktion übernimmt. Denn aktuell sei das System auf mehrfache Leistungserbringung ausgelegt, während die Rücksprache mit Kollegen nur mit 6,99 Euro pro Patient und Quartal vergütet werde.

Ulla Schmidt und ihr DRG-Erbe

Das Problem sei das von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführte DRG-System (Diagnosis Related Groups, übersetzt: diagnosebezogene Fallgruppen). Ausgedacht habe sich das in beratender Funktion seinerzeit der heutige Minister Lauterbach. »Dieses Fallpauschalensystem hat ausgedient gehört abgeschafft«, fordert Streeck. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang aber, dass der Virologe selbst eine Karriere in der Politik anstrebt: Bei der Bundestagswahl 2025 will er im Wahlkreis Bonn für die CDU kandidieren.

Welche Rolle er den Apotheken in einem System hausarztzentrierter Versorgung zuschreiben würde, wurde Streeck vom Auditorium gefragt. »Es geht darum, Teams zu fördern.« Die Apotheken könnten in der Prävention verstärkt eingesetzt werden, Impfungen in der Offizin seien ein erster richtiger Schritt gewesen.

Ernüchternde Politikrunde

Die folgenden Diskussionsrunde »Arzneimittel- und Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf dem Prüfstand« brachte eine ernüchternde Erkenntnis: Auch wenn die Sorgen der Apotheken gesehen werden, sei derzeit einfach kein Geld im System, so eine parteiübergreifend geäußerte Position der Landtagsabgeordneten Marco Schmitz (CDU), Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) und Thorsten Klute (SPD).

Einzige Vertreterin der Bundespolitik war Kathrin Vogler von der Gruppe Die Linke im Bundestag. Sie sieht ein »ein Land im Föderalismus im Endstadium«, in dem die Verantwortung von einer Stelle zur anderem geschoben werde. Vogler würde sich einen 10-Jahres-Plan für die Strukturentwicklung der Apotheken wünschen.

Mostofizadeh gab zu, dass das Eckpunktepapier zur Apothekenreform keine substanziellen Verbesserungen für die Apotheken vorsehe. Anderen Branchen hätten aber ebenso Probleme, angesichts einer sinkenden Wirtschaftsleistung sei es wohl unvermeidlich, dass Leistungen gekürzt würden.

Selbst CDU-Mann Schmitz ging nicht in harte Opposition zur Bundespolitik. Die Apotheken hätten derzeit eine Notlage, »aber wir müssen überlegen, wo das Geld herkommt«, gab er zu bedenken.

Und Klute (SPD) wollte die laut den Eckpunkten geplante Absenkung des Kassenabschlags von 2 Euro auf 1,77 Euro als Erleichterung verkaufen. Auf den Hinweis von AVNR-Chef Preis, dass der Sparbeitrag der Apotheken sowieso bis 2025 befristet war, bemerkte Klute, dass solche Einschnitte in der Vergangenheit »ja auch mal verlängert und durchgezogen« worden seien. Dafür erntete er im Gebäude des alten Bundestags deutliche Buhrufe.

Zum Glück konnte Moderator Ralph Erdenberger im Anschluss noch Lauterbach interviewen. Gespielt und gesprochen von Imitator Uli Winters schien sich der Puppenminister aber weniger für die Apothekenreform als für die eben beschlossene Cannabis-Legalisierung zu begeistern…

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