Apotheken müssen beharrlich bleiben |
Daniela Hüttemann |
20.11.2023 16:00 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening blieb den Mitgliedern des Apothekerverbands Schleswig-Holstein keine Antwort schuldig. Links: der Vorstandsvorsitzende Hans-Günter Lund; rechts: die erste stellvertretende Vorsitzende Michaela-Alexandra Banzhaf und Geschäftsführer Georg Zwenke. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Es war in diesem Jahr eine besondere Mitgliederversammlung in Schleswig-Holstein: Die Berichte des Vorsitzenden des Apothekerverbands, Hans-Günter Lund, und Geschäftsführer Georg Zwenke fielen am vergangenen Samstag in Kiel äußert kurz aus. Dafür hatten die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und die Mitglieder die meiste Zeit das Wort. Overwiening berichtete von der berufspolitischen Arbeit in Berlin, von Gesprächen mit Ministern und Abgeordneten, den Entscheidungsprozessen innerhalb der ABDA und dem weiteren möglichen Vorgehen nach dem »Demovember« der Apothekerschaft.
Das Interesse war groß, einiges wurde kritisch hinterfragt und diskutiert, am Ende blieb ein kämpferischer Optimismus. Overwiening verglich die Apothekerinnen und Apotheker mit Hummeln: Aus aerodynamischer Sicht spricht alles dagegen, dass sie mit ihrer Anatomie fliegen können – das wissen nur die Hummeln nicht und fliegen trotzdem. Ebenso bittet sie den gesamten Berufsstand darum, auch wenn man sich nicht immer einig ist, sich aber nach außen gemeinsam und entschlossen für eine Honorarerhöhung und gegen die »Apotheke-light«-Pläne des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) zu stellen, auch wenn die Chancen gering erscheinen. Dafür hielt die ABDA-Präsidentin ein leidenschaftliches Plädoyer.
»Politik reagiert auf Proteste nicht unbedingt so, wie wir uns das wünschen«, schränkte Overwiening ein. Es war nicht zu erwarten, dass sofort alle Forderungen erfüllt werden. Es sei jedoch auf jeden Fall phänomenal, was die Apothekerschaft bundesweit und regional bei den vergangenen Protesten auf die Beine gestellt habe. »Damit hat niemand gerechnet, die Politik nicht und wir selbst nicht. Und dabei haben wir die Patienten auf unserer Seite«, betonte Overwiening. Das Verständnis sei da.
Die Apothekenteams kämpften ja nicht nur für sich selbst, sondern für eine wohnortnahe, patientenorientierte Arzneimittelversorgung. Damit trügen die Apotheken auch zum sozialen Frieden bei. Und ja, das koste den Staat nun einmal Geld. Es sei »seine verdammte Pflicht«, dafür zu sorgen, zum Beispiel durch Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, einer anderen Finanzierungsweise beitragsfreier Krankenkassen-Mitglieder oder einer schlankeren Organisation der Krankenkassen.
»Wir Leistungserbringer sind nicht die Kostentreiber«, erinnerte Overwiening. Hier könne nicht weiter gespart werden. Das System laufe noch, aber nur über Selbstausbeutung. Denn ein Drittel der Apotheken gilt mittlerweile als nicht mehr rentabel; 10 Prozent schreiben sogar rote Zahlen. »Man verlässt sich auf uns, wie auf den Strom aus der Steckdose.« Doch Overwiening warnte: So aufopfernd sich die Apotheken um ihre Patienten kümmerten, ginge doch immer mehr von ihnen die Puste aus.
Während die Bevölkerung, Medien und Regionalpolitiker die Forderungen der Apothekerschaft nachvollziehen können, mache die Politik in Berlin dicht, genau wie der GKV-Spitzenverband bei vielen Verhandlungen mit den Apothekerverbänden. Und doch tut sich langsam etwas. Derzeit gehe es den GKV-Finanzen besser. Die Apothekerschaft fordert daher unter anderem, den erhöhten Abschlag auf das Packungshonorar, der seit Februar 2023 durch das GKV-Finanzstabilisierungs-Gesetz gilt, auf dieses Jahr zu begrenzen. Eines der wichtigsten Ziele sei es zudem, endlich eine Dynamisierung der Apothekenvergütung zu erreichen. Schließlich seien die Apotheken seit 2004 von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt.
»Es ist für mich unvorstellbar, dass eine gesamte Regierung und ein Parlament so ignorant gegen die tatsächlichen Entwicklungen ist«, meinte Overwiening zum Abschluss. Sie ist überzeugt, die Apothekerschaft werde bestimmte Ziele erreichen, wenn sie es schaffe, die Parlamentarier, also Mitglieder des Bundestags, zu sensibilisieren. Dafür braucht es sprichwörtlich betrachtet das ganze, fleißige Hummelvolk.
Beispiel Lieferengpass-Gesetz: Das ALBVVG wäre ursprünglich gut aufgesetzt gewesen, die Parlamentarier hätten dafür gekämpft und seien nun enttäuscht, wie bürokratisch es geworden sei und wie es zum Teil vom GKV-Spitzenverband ausgelegt werde, so Overwiening. »Ich glaube an das Korrektiv des parlamentarischen Verfahrens.«
Dafür müssen die Apotheken in jedem Wahlkreis mit ihren Abgeordneten im Gespräch bleiben, sie zum Blick hinter die Kulissen einladen, die täglichen Schwierigkeiten zeigen, damit sich auch Nicht-Gesundheitspolitiker gegen manche krude Idee des Ministers stellen. »Es ist normal in der Politik und sogar Kalkül, dass die Dinge lange brauchen. Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen, wir müssen es immer wieder versuchen und auf Kurs bleiben, dann werden wir etwas zusammen schaffen, da bin ich sicher.«
Der AVSH-Vorsitzende Hans-Günter Lund hatte neben der ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening auch noch den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Hauke Hansen als Zuhörer zu Gast. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Dem stimmte der AVSH-Vorsitzende Lund zu: »Wir müssen beharrlich bleiben, es sind dicke Bretter zu bohren. Uns weht ein starker Wind ins Gesicht, dem wir nur geschlossen entgegen treten können.« Viermal sind die Apotheken den Protestaufrufen des Verbands in großer Zahl gefolgt (im Oktober 2022 sowie im Mai, Juni und zuletzt November 2023) – am 14. Juni war sogar eine Apotheke dabei, die am Ende des Monats für immer schließen musste.
Ähnlich wie der verstorbenen Mitglieder gedachte der Verband auch der geschlossenen Apotheken und nannte alle namentlich, die in diesem Jahr bereits betroffen waren: 22 in den vergangenen zwölf Monaten, von 606 auf 584 Apothekenbetriebe, informierte Geschäftsführer Zwenke. Viele mittlere und größere Städte wie Kiel, Lübeck und Itzehoe sind betroffen. Insgesamt hat die Apothekenzahl in Schleswig-Holstein seit 2008 um 21 Prozent abgenommen. In der gleichen Zeit stieg die Bevölkerung um 4,6 Prozent. »Wir haben also mehr Arbeit, auf weniger Schultern verteilt«, resümierte Zwenke. »Wenn sich jetzt nichts tut, schaffen die verbliebenen Apotheken es bald nicht mehr.«