Apotheken droht Kostenexplosion |
Automatiktüren, Beleuchtung, Kühlung, etc.: Den Apotheken droht wegen steigender Energiepreise ein kostenintensiver Winter. / Foto: imago/Becker&Bredel
Mit dem Herbstbeginn rückt die Energiekrise noch stärker in den Fokus. Auch für die Apotheken sind die gestiegenen und weiter steigenden Preise für Gas und Strom ein Thema. Beispielsweise durch den Betrieb von Kühlschränken, Kommissionierern und Automatik-Türen ist insbesondere der Stromverbrauch in den Offizinen hoch. Klar ist: Wie hoch der Energieverbrauch konkret ausfällt, hängt von vielen Apotheken-individuellen Faktoren ab, unter anderem von der Lage der Betriebsstätte. Doch während Zuschüsse für Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Vorbereitung sind und die Kassenärzte Ausgleichszahlungen fordern, ist von einer Entlastung für die Offizinen bisher nicht die Rede.
Wie schätzen Landesapothekerverbände und Apotheker die Lage ein? Inwiefern haben sich die Kosten für Gas und Strom in den Offizinen schon jetzt erhöht und welche Mehrkosten erwarten sie in der kalten Jahreszeit? Wie wird sich dies auswirken und wie sollte die Politik gegensteuern? Dazu hat die PZ bei Landesapothekerverbänden und einzelnen Apothekern nachgefragt.
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) erinnert daran, dass die Höhe der Kostensteigerungen von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den einzelnen Apotheken vor Ort und den Energieversorgern abhänge. »Auf der einen Seite haben wir Rückmeldungen einzelner Apotheker, denen ihr Energieversorger eine Vervierfachung der Gasabschläge angekündigt hat«, informiert Pressesprecherin Nina Grunsky. Auf der anderen Seite habe der AVWL für die Apotheken in Westfalen-Lippe mit den Stadtwerken Münster einen Rahmenvertrag vereinbart. Für Bestandskunden könnten die Stadtwerke die damit verbundenen Sonderkonditionen, die seit Anfang 2021 gelten, bis 2024 weiter garantieren.
Der Apothekerverband Nordrhein geht von »erheblichen Energiekostensteigerungen für die Apotheken aus«, und ein Ende der Preissprünge sei noch nicht abzusehen, sagt Verbandschef Thomas Preis gegenüber der PZ. »In den meisten Fällen werden das zumindest mehrere tausend Euro jährlich sein«, so Preis. Michael Sax, Inhaber einer durchschnittlich großen Apotheke in Würzburg, muss schon jetzt rund 9000 Euro mehr für Strom und Gas zahlen als im vergangenen Jahr, sagte er gegenüber der PZ. Mit 810 Euro habe sich der monatliche Abschlag für Strom im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, berichtet er. Für Gas zahlt Sax derzeit 360 Euro Netto pro Monat – und damit dreimal so viel wie 2021. Welche weiteren Mehrkosten durch weitere Preissprünge im Winter noch auf ihn zukommen, könne er derzeit noch nicht absehen. Vorübergehend könne er die Mehrkosten stemmen, aber über längere Zeit gefährde die Kostensteigerung die Existenz seiner Apotheke. »Der Staat sollte das regeln, am besten über Zuschüsse für Apotheken«, fordert Sax.
Noch weit höhere Kostensteigerungen fallen bei Apotheken an, die besondere Öffnungszeiten haben, wie beispielsweise Bahnhofsapotheken. Derzeit zahlt der Betreiber einer Bahnhofsapotheke, der sich gegenüber der PZ äußerte, für die Apotheke mit einer Fläche von 500 Quadratmetern 7,1 Cent für die Kilowattstunde (kWh). Aktuell liege das günstigste Angebot für einen Folgevertrag bei 66,9 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Verbrauch von über 103.000 kWh fielen demnach Mehrkosten von 62.000 Euro im Jahr an. Grob geschätzt, würden die Energiekosten damit um das Zehnfache steigen. Das würden wohl nicht alle Apotheken ohne Weiteres verkraften, fürchtet der Betreiber.
Angesichts der stark gestiegenen und steigenden Energiekosten werden auch in der Apothekerschaft Forderungen nach Entlastung lauter. Der Bayerische Apothekerverband hält angesichts der steigenden Energiekosten eine weitere Belastung der Apotheker durch den mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplanten erhöhten Kassenabschlag für »nicht tragbar«. Die Politik müsse hier gegensteuern, ansonsten würden Apotheker »überproportional belastet«. Auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe hält mit Blick auf die steigenden Energiekosten eine Erhöhung des Apothekenabschlags oder anderweitige Sparmaßnahmen zu Lasten der Apotheker für »vollkommen indiskutabel«. Nach vielen Nullrunden sei es vielmehr dringend an der Zeit, die Vergütung für Apotheken zu erhöhen. Mit Blick auf die sichere Versorgung der Bevölkerung habe die Politik zudem die Energieversorgung der Apotheken vor Ort sicherzustellen, teilte Pressesprecherin Nina Grunsky mit. »Das bedeutet, dass die Politik unbedingt verhindern muss, dass es aufgrund der explodierenden Energiekosten zu weiteren Schließungen und einer Ausdünnung des Versorgungsnetzes kommt«, so Grunsky.
Der Apothekerverband Nordrhein fordert – neben einer Rücknahme des erhöhten Kassenrabatts – »mit Nachdruck einen Energieschutzschirm für die Apotheken«, so Thomas Preis. Durch die steigenden Energiekosten, Tariferhöhungen für Apothekenmitarbeiter und sich verschlechternde Einkaufskonditionen werde die Situation für weitere Apotheken immer brenzliger. »Eine gute und sichere Arzneimittelversorgung darf nicht von den steigenden Energiekosten abhängen«, heißt es in einem Statement. Einsparungen durch Beschränkung der Öffnungszeiten oder Verlagerung der Arbeit des pharmazeutischen Personals ins Homeoffice seien aufgrund der Präsenz-, Versorgungs- und Öffnungsverpflichtungen nicht möglich. Ein Energieschutzschirm für Apotheken sei daher unbedingt notwendig.
Während der Landesapothekerverband Baden-Württemberg noch über »eventuelle politische Forderungen« berät, hat sich der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) gemeinsam mit Organisationen der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände an die Politik gewandt. In dem gemeinsamen Appell fordert der LAV, staatliche Steuern und Abgaben auf einen Minimum zu reduzieren sowie den Gas- und Strommarkt zu entkoppeln. Die Entkopplung solle durch eine Preisdeckelung der zur Stromproduktion genutzten Gasmenge erfolgen, teilt der LAV mit.
Der Hessische Apothekerverband (HAV) betont gegenüber der PZ, dass Apotheken einen sehr wichtigen Teil der Gesundheitsversorgung sicherstellen. Die wirtschaftliche Performance der Apotheken hänge stark von politisch gegebenen Rahmenbedingungen ab. Bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln könnten die Apotheken nicht einfach die Preise erhöhen, um die Kosten zu decken. »Wir können auch nicht die Energiekosten drosseln, indem wir die Kühlschränke oder die Kommissionierer abschalten«, sagt Holger Seyfarth, Vorsitzender des HAV. Entlassungen blieben die einzige Möglichkeit, Kosten einzusparen. Aber auch das komme nicht infrage, da die verbleibenden Beschäftigten dann noch weiter unter Druck gesetzt würden. Letztlich würde dies zu Versorgungsproblemen führen. »Die Politik muss dafür sorgen, dass die Arzneimittelversorgung über die Vor-Ort-Apotheken erhalte bleibt«, fordert Seyfarth und fügt hinzu: »Die Politik muss daher jetzt handeln!«