Apotheken als sicherer Hafen |
Daniela Hüttemann |
12.09.2024 14:30 Uhr |
Diskretion, Aufmerksamkeit und Empathie sind erforderlich, wendet sich jemand aufgrund erlebter Gewalt oder Suizidgedanken an das Apothekenteam. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Apotheken sind eine ideale Anlaufstelle für Personen, die häusliche Gewalt erleben oder Suizidgedanken haben, heißt es in einer aktuellen Publikation im »International Journal of Pharmacy Practice«. Beides gehe oft zusammen einher. Die Apotheken bieten den Betroffenen Sicherheit, Empathie, Gleichheit und Diskretion. Zu diesem Schluss kommt eine Forschergruppe um Dr. Josie Solomon, Apothekerin und Professorin für Human-Centred Health der Universität Lincoln, Großbritannien.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie nicht mehr weiterleben möchten oder denken Sie daran, Ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen? Reden hilft und entlastet. Die Telefonseelsorge hat langjährige Erfahrung in der Beratung von Menschen in suizidalen Krisen und bietet Ihnen Hilfe und Beratung rund um die Uhr am Telefon (kostenfrei) sowie online per Mail und Chat an. Rufen Sie an unter den Telefonnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 oder melden Sie sich unter www.telefonseelsorge.de. Die Beratung erfolgt anonym.
Bereits jetzt seien die Apotheken in England beteiligt an der Strategie gegen Suizide. 72.000 Apothekenmitarbeitende seien dementsprechend geschult und fast 11.000 Apotheken hätten entsprechende Aktionspläne. Zudem nehmen einige Apotheken bereits teil an Programmen wie »Ask for ANI« oder »Safe Spaces« für Gewaltopfer. Allerdings sei noch nicht wissenschaftlich untersucht, welchen Einfluss diese Angebote haben.
Nicht stigmatisierend soll das Hilfsangebot beworben werden. / Foto: Solomon et al.
Der Bedarf ist enorm: In England erleidet jeder Fünfte im Laufe seines Lebens Suizidgedanken und ebenfalls jeder Fünfte häusliche Gewalt. Deren Opfer unternehmen dreimal so häufig Suizidversuche wie andere Personen – oft wissen die Betroffenen nicht, an wen sie sich wenden können. »Opfer/Überlebende von häuslicher Gewalt leben oft in einem hohen Maß unter Isolation, Überwachung und Kontrolle durch den Täter und haben nur begrenzte Möglichkeiten, Hilfe zu suchen. Sie sind daher darauf angewiesen, dass Hilfe leicht verfügbar ist«, betonen die Studienautoren und sehen Apotheken als ideale Anlaufstellen.
Solomon und Kollegen wollen nun gemeinsam mit Apothekern, Betroffenen und Spezialisten eine komplexe Intervention entwickeln. Mit Fokusgruppen, Interviews und Workshops wurde ein erstes Konzept der sogenannten »Lifeguard Pharmacys – Bringing Hope to Life« erarbeitet. Ein Logo und Poster mit einer Mischung aus grünem Rettungsring und Apothekenkreuz sollen teilnehmende Apotheken kennzeichnen.
In Deutschland gibt es bereits auch entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten. Seit 2020 gibt es einen Gesprächsleitfaden »Suizidale Menschen in der Apotheke – Warnzeichen erkennen und reagieren«. Mehr zum Thema Suizidprävention in der Apotheke lesen Sie hier. Erst kürzlich appellierte die ABDA an alle Apotheken, sich an einer Kooperation mit dem Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« zu beteiligen. Apotheken können unter www.hilfetelefon.de/materialien-bestellen kostenfrei Infomaterialien bestellen und Betroffene auf das Hilfetelefon verweisen. Zudem haben einige Apothekerkammer regionale Kooperation mit Hilfsangeboten für Opfer häuslicher Gewalt.
Es wurden eine Checkliste und ein Training für Apothekenteams entwickelt, wie bei Hilfegesuchen zu verfahren ist. Das gesamte Team sollte kommunikativ gut geschult sein. Zudem sollten sich die Apotheken vorab mit entsprechenden Beratungsstellen in der Nähe kurzschließen. Da es auch belastend für das Apothekenpersonal sein kann, sollte es für dieses wiederum Gesprächsangebote geben.
»Insgesamt unterstützen die Ergebnisse die Entwicklung und Einführung dieser apothekenbasierten Intervention, die dazu beitragen kann, Barrieren bei der Suche nach Hilfe bei häuslicher Gewalt und Suizidgedanken zu überwinden, da sie Hoffnung macht, zugänglich und diskret ist«, so das Fazit der Studie.