Apotheke vor Ort als Wunscharbeitsplatz |
Melanie Höhn |
07.07.2025 14:30 Uhr |
Korwin Hildebrandt kann sich vorstellen, den Familienbetrieb später zu übernehmen – doch er richtet auch Kritik an die Politik. / © AVWL
In Zukunft eine eigene Apotheke übernehmen? Dazu können sich nur 17 Prozent unter den Pharmaziestudierenden und Pharmazeuten im Praktikum entschließen, wie eine Umfrage der Bundesapothekerkammer unter angehenden Apothekerinnen und Apothekern im Jahr 2021 ergeben hat. 42 Prozent der Befragten waren vor dem Start ins Berufsleben noch unentschieden, ob die Selbstständigkeit für sie infrage kommt. Rund ein Viertel der Apotheken in Deutschland steht in nächster Zeit vor einem Besitzerwechsel. Die Suche nach einem geeigneten Übernahmekandidaten wird seit Jahren als »schwierig« bewertet, wie der Apothekenklimaindex der ABDA zeigt. Gründe dafür gibt es viele. Aber mindestens ebenso viele, sich doch selbstständig zu machen.
Um diese Gründe sichtbar zu machen, hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) eine Existenzgründerserie gestartet und stellt in den kommenden Wochen in einer lockeren Serie Apothekengründerinnen und -gründer vor. Den Anfang macht Korwin Hildebrandt aus Dortmund. Zwar will sich der Pharmazeut im Praktikum noch nicht hundertprozentig festlegen, aber das eigene Unternehmen zu führen, »darauf habe ich schon Lust«, sagt er laut einer AVWL-Mitteilung. Denn er ist in der Apotheke groß geworden: Der Urgroßvater gründete den Betrieb 1951 in Dortmund, die Oma übernahm ihn später, heute wird die Westfalia-Apotheke von seiner Mutter Kattrin zusammen mit einer Filiale geführt.
Dass er selbst einmal etwas anderes werden wollte als Apotheker, daran kann sich Korwin Hildebrandt gar nicht erinnern. »Als Kind war ich jeden Tag in der Apotheke. Natürlich habe ich damals nicht viel verstanden, aber doch gesehen wie dankbar die Menschen waren, wenn meine Oma oder meine Mutter ihnen helfen konnte«, erinnert er sich.
Korwin hat in Bonn Pharmazie studiert, gerade das zweite Staatsexamen bestanden und absolviert derzeit den ersten Teil seines praktischen Jahres in einer öffentlichen Apotheke. »Mit den Menschen zu arbeiten, macht mir viel Freude«, zieht er nach den ersten Wochen Bilanz. »Jemandem zu helfen gibt mir viel zurück«, sagt er und erzählt von einer Tumorpatienten, die unter Schleimhautschäden litt. »Wir haben sie hier ausführlich beraten. Es waren zum Teil ganz simple Tipps – zum Beispiel eine sehr weiche Zahnbürste zu verwenden – aber die Patientin war dafür unglaublich dankbar.« Die Apotheke vor Ort ist sein Wunscharbeitsplatz – und die Familienapotheken irgendwann einmal zu übernehmen, kann er sich gut vorstellen. Trotzdem sei ihm klar, dass man als Unternehmer viel arbeiten müsse.
Wenn ein Mitarbeiter kurzfristig wegen Krankheit ausfalle, müsse der Inhaber auch einmal die eigenen Pläne zurückstellen und einspringen. »Aber dafür hat man als Selbstständiger auch Freiheiten. Und man kann die Apotheke gestalten, wenn man sein eigener Chef ist«, sagt er. Er selbst zum Beispiel würde gern einen Schwerpunkt auf klinische Pharmazie legen.
Auf der anderen Seite sieht er auch die große Verantwortung und ein wirtschaftliches Risiko: Er kritisiert, dass die Planungssicherheit fehle, weil die Politik immer wieder kurzfristig neue Regelungen treffe. Nach Jahrzehnten ohne eine Erhöhung der staatlich geregelten Vergütung werde es zudem immer schwieriger, Mitarbeiter angemessen zu bezahlen. »Die Leistungen der Apotheke müssen aber so honoriert werden, dass die Inhaber die Fachkräfte ordentlich entlohnen können. Nur so bleibt der Arbeitsplatz für die Beschäftigten attraktiv.«
Andernfalls werde der Fachkräftemangel noch größer. »Wenn es aber in der Apotheke nicht genügend Fachkräfte gibt, dann stehe ich als Chef am Ende 60 Stunden pro Woche allein in der Offizin. Die Selbstständigkeit muss auch mit der Familie vereinbar sein – gerade in einem Beruf, in dem mehr als 70 Prozent der Beschäftigten weiblich sind«, lautet sein Wunsch an die Politik, wie eine Existenzgründungen in der Branche wieder interessant werden können. Und zwar für mehr als 17 Prozent der Nachwuchsapotheker.