Apotheke mit Michelin-Stern |
Alexandra Amanatidou |
08.07.2025 07:00 Uhr |
Die »Genuss-Apotheke« ist ein Restaurant in Bad Säckingen, einer Stadt in Baden-Württemberg an der Grenze zur Schweiz. / © ImagoZoonar
PZ: Bekommen Apotheker bei Ihnen Rabatt?
Pilz: Ich wüsste nicht, wie sie sich ausweisen könnten. Ich denke, unsere Gastfreundschaft bekommt jeder zum gleichen Preis.
PZ: Bad Säckingen ist eine Stadt mit mehr als 17.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie fünf Apotheken. Sind die lokalen Apothekerinnen und Apotheker Stammgäste bei Ihnen?
Pilz: Ja, schon. Aber ich glaube, das hat weniger mit dem Namen »Apotheke« zu tun als vielmehr mit der Qualität und dem Ambiente, das wir geschaffen haben. Bei uns kann man sich super wohlfühlen.
PZ: Ihr Restaurant heißt »Genuss-Apotheke«. Wie kam es zu diesem Namen?
Pilz: Wir haben vor einigen Jahren unweit von der jetzigen Genuss-Apotheke ein Restaurant geführt und sind fast täglich an dem Gebäude vorbeigegangen. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass der Apotheker die Apotheke geschlossen hat. Wir sind dann reingegangen und dachten: Wow, das ist ein toller, großer Raum! Ich suchte damals nach einer Location, um meiner Passion nachzugehen, nämlich eine Kochschule zu eröffnen.
Wir haben den Raum praktisch hergerichtet, also haben den Tresen und die Verkaufsschränke herausgenommen. Es gibt ziemlich viele Parallelen zur alten Apotheke, die wir nicht verändern wollten. Im Eingangsbereich gibt es zum Beispiel immer noch diese Nachtklappe oder dieses Messingfenster, durch das früher Medikamente oder andere Dinge herausgegeben wurden. Auch die großen Türen und Fensterbereiche haben wir so belassen, wie sie waren.
Schließlich war der Laden als Apotheke bekannt. Außerdem verfolgten wir einen ganzheitlichen Ansatz in unserer Küche. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit unserer Ernährung extrem viel zur Gesundheit beitragen können. Das heißt, wir bauen ganz gezielt funktionelle Faktoren in das Essen ein, die uns Pflanzen, Tiere und so weiter frei Haus liefern. Diese Dinge, die schon in der Natur vorhanden sind, zerstören oder verfälschen wir nicht, sondern arbeiten sie in purer Form in unsere Menüs ein.
PZ: Benutzen Sie auch Wildkräuter?
Pilz: Eine Zeit lang lag unser Fokus ganz stark auf unserer Wildkräuterküche. Das heißt, wir haben gezielt Wildkräuter gesammelt und eingesetzt. So konnten wir nicht sichtbare, aber schmeckbare Faktoren integrieren, die es den Gästen bekömmlicher machen, ein Menü von sechs, sieben oder zehn Gängen zu essen, ohne dass am nächsten Tag Reuegefühle oder ein Gefühl der Völlerei entsteht.
Koch und Inhaber der »Genuss-Apotheke« Raimar Pilz. / © Genuss-Apotheke
PZ: Apropos Völlegefühl: Welches Hausmittel bevorzugen Sie dagegen?
Pilz: Klingt doof, aber ich lasse es nicht so weit kommen. Ich finde, das Wichtigste, was man für seine Gesundheit tun kann, ist einfach aufzuhören, wenn es schön ist. Es ist wichtig, nicht zu übertreiben, denn dann verliert man die Lust, es zu wiederholen. Wenn etwas schön war, sollte man den Geschmack im Kopf behalten und wieder eine Sehnsucht danach entwickeln.
PZ: Apotheker arbeiten mit Rezepten. Dabei ist es wichtig, präzise zu sein. Wie wichtig ist es, in Ihrer Arbeit präzise zu sein? Oder arbeiten Sie eher intuitiv? Wie entsteht das Menü?
Pilz: Das Menü entsteht zunächst intuitiv. Der Grundansatz ist: Was möchte ich gerne kochen, worauf habe ich Lust? Dann hat man sicherlich einen Input oder Gedanken und dann beginnt das Wichtigste: das Rezeptieren. Ohne Rezepturen schafft man auch in unserem Qualitätsbereich keine nachvollziehbaren Ergebnisse, die reproduzierbar sind und die auch über einen gewissen Zeitraum eine stetige Konstanz darstellen.
Das ist eine Grundvoraussetzung. Diese Kombinatorik, bei der am Ende das herauskommt, was gewünscht wird – nämlich ein tolles Gericht oder die wirklich schöne Umsetzung der ursprünglichen Idee für dieses Gericht –, schafft man nur mit Dokumentation, Aufschreiben und Ausprobieren, bis man irgendwann den gewünschten Punkt erreicht hat.
PZ: Vor ein paar Jahren gab es ein Kochbuch, das ein Mediziner und ein Meisterkoch gemeinsam herausgebracht haben. Darin ging es darum, wie man bestimmte chirurgische Instrumente beim Kochen verwenden kann, zum Beispiel ein Skalpell. Benutzen Sie irgendwelche Instrumente?
Pilz: Ja, tatsächlich ganz viele. Meine Lieblingsapothekerin vor Ort versorgt mich mit Spritzen und Infusionsgeräten. Sie sagt: »Nimm das mal« oder »probiere das mal aus«.
Die Instrumente in der Küche verfeinern sich; sie werden immer kleiner. Wenn man jedoch Tiere infusionieren möchte, bevor man sie zubereitet, um den Geschmack von innen heraus zu haben, dann kommt man um chirurgische Instrumente nicht herum. Wir machen unheimlich viel durch Kalkulation, um Geschmäcker herauszubekommen. Was man im medizinischen Bereich ansetzt, das ist schon State of the Art, das gehört zu einer modernen Küche mittlerweile einfach dazu.
PZ: Hat sich jemand einmal wegen des Namens beschwert? Nach dem Motto: »Das ist doch keine Apotheke, so dürfen Sie Ihren Laden nicht nennen«.
Pilz: Es gab erste Ansätze, bei denen gesagt wurde, das sei irreführend. Das Wort »Apotheke« an sich, das konnten wir im Markenregister eintragen lassen. Wir haben unsere »Genuss-Apotheke« auch als Marke schützen lassen. Ein Apotheker hatte damals Bedenken, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Das war aber rein freundschaftlich gemeint. Das war eher ein Hinweis, nach dem Motto: »Du, Apotheke darfst du dich nicht einfach so nennen.« Es hat aber keinerlei Probleme dargestellt und heute sorgt es eher noch für Belustigung.
PZ: Gibt es Menschen, die anrufen und Medikamente haben wollen?
Pilz: Manchmal bekommen wir Anrufe, in denen Leute fragen, ob wir dieses oder jenes vorrätig haben, da sie es gerne abholen würden. Es sorgt immer wieder für ein Schmunzeln, wenn wir dann sagen: »Wir machen leider keine To-go-Geschäfte, aber Sie können gerne zu uns kommen und den Genuss vor Ort genießen.« Wichtig ist, dass man immer kommunikativ darauf reagiert. Es ist manchmal sehr witzig.