Apothekertag 1997
"Allzu viel wirklich Neues war unter den 34 Arzneistoffen des vergangenen
Jahres nicht dabei", resümierte PZ-Chefradakteur Dr. Hartmut Morck, bevor
er gemeinsam mit dem Heidelberger Pharmakologen Professor Dr. Ulrich
Schwabe, Vorsitzender der unabhängigen Jury, die innovativste Substanz des
Zeitraums von Mitte 1996 bis Mitte 1997 auszeichnete.
"Um wirklich innovativ zu sein, reichen chemische Neuerungen nicht aus", betonte
Schwabe. Die Jury für die Vergabe des PZ-Innovationspreises fordere daher zusätzlich
zu der chemischen auch pharmakologische Innovation (zum Beispiel neuer Wirkort,
neuer Rezeptor oder neues Enzym als Angriffspunkt einer Substanz) sowie
therapeutisch beziehungsweise medizinisch innovativen Charakter. Erst dann komme ein
Wirkstoff als Kandidat für den Preis in Frage.
In diesem Jahr sei die Auswahl nicht sehr schwergefallen, da eigentlich nur eine
Substanz, beziehungsweise Substanzgruppe alle drei Forderungen erfüllt habe: die
Protease-Inhibitoren. Unter ihnen habe sich die Jury dann letztendlich für Saquinavir
(Invirase® , Hoffmann La Roche) entschieden, da es die Erstentwicklung in dieser
Wirkstoffgruppe gewesen sei. Morck begründete die Entscheidung mit dem deutlichen
Therapiefortschritt für HIV-Infizierte: Durch Kombination aus einem Protease-Inhibitor
mit zwei Nukleosid-Analoga sei es gelungen, die Viruslast im Plasma der Infizierten
über längere Zeit unter die Nachweisgrenze zu drücken und so die symptomlose
Latenzphase sowie das Überleben der Betroffenen zu verlängern
"Stellvertretend für zahlreiche Wissenschaftler, die weltweit an der Entwicklung von
Saquinavir beteiligt waren", so seine Worte, nahm Hoffmann-La Roche
Vorstandsmitglied Dr. Karl H. Schlingensief am 18. Oktober in Düsseldorf den
PZ-Innovationspreis entgegen. Sein Unternehmen sei dankbar für die "große
Anerkennung" und verstehe sie als Anreiz für weitere Forschungsanstrengungen. Man
werde auch zukünftig auf innovative Arzneimittelforschung setzen, mit dem Ziel,
Lösungen für bisher unbewältigte Probleme anzubieten.
Saquinavir, das 1995 als als erster Vertreter der Protease-Inhibitoren in den USA
zugelassen worden war, sei ursprünglich aus über 200 Wirkstoffkandidaten selektiert
und dann weiterenwickelt worden, mit der Forschung dazu habe man bereits 1986
begonnen, berichtete Schlingensief. In Deutschland ist die Substanz seit Oktober 1996
im Markt verfügbar; die empfohlene Tagesdosis im Rahmen der Tripeltherapie liegt bei
1,8 g. Inzwischen werden hierzulande rund drei Viertel der HIV-Infizierten mit einem
Protease-Hemmer in der Tripeltherapie behandelt.
Das Auftreten opportunistischer Infektionen sowie die Zahl der
Krankenhauseinweisungen seien mit der Einführung der Protease-Inhibitoren in die
Kombinationsbehandlung deutlich zurückgegangen, betonte Schlingensief. Für sein
Unternehmen sei die Forschung mit der Markteinführung eines Präparates jedoch nicht
abgeschlossen. So habe man inzwischen die Galenik von Saquinavir gezielt
weiterentwickelt. Mit der Markteinführung der neuen Form in den USA wird innerhalb
der nächsten Wochen gerechnet.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Düsseldorf

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