Apothekertag 1997
Mit einem "bewußten Ausrufezeichen", nicht mit einem "zögerlichen
Fragezeichen" sei das Motto des diesjährigen Apothekertags versehen,
begrüßte Hans-Günther Friese, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände, am 16. Oktober in Düsseldorf circa 700
Apothekerinnen und Apotheker zur Eröffnung des 49. Deutschen
Apothekertags.
Der Berufsstand müsse ideell und finanziell aktiv in "Projekte der Zukunft" investieren, in
denen die Leistung des Apothekers sichtbar werde. Die Orientierung hin zum Patienten
sowie eine intensivere Kommunikation mit Arzt und Patient seien dabei ganz
wesentliche Schritte. Friese: "Wir machen uns fit für das Jahr 2000 und danach; wir
wollen und werden keine Blockierer oder passiven Mitläufer, sondern aktive Gestalter
in allen Fragen der Arzneimittelversorgung sein."
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer sprach sich in seiner
Rede beim Deutschen
Apothekertag vehement dagegen aus, daß "wir pausenlos den Arzneimittelmarkt als
Spardose betrachten, aus der alle möglichen anderen Bereiche saniert werden sollen".
Die Arzneimittelpreise in Deutschland lägen heute unter dem Niveau von 1989, und die
Arzneimittelausgaben zu Lasten der GKV seien heute niedriger als noch vor sechs
Jahren. Am wichtigsten ist dabei aus seiner Sicht ein "Erhalt des hohen Qualitätsniveaus
bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Leistungserbringung".
Erneut verwies Seehofer in Düsseldorf auf die Unverzichtbarkeit des Apothekerberufs:
"Arzneimittel gehören in die Apotheke, und wir haben in Deutschland keinen anderen
Berufsstand als den Apotheker mit dem erforderlichen Sachverstand." In
Übereinstimmung mit den bei der Eröffnungsveranstaltung vertretenen Grußrednern aus
den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP sprach er sich
vehement gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln aus.
In den berufspolitischen Diskussionen und Vorträgen bei der
ABDA-Hauptversammlung des diesjährigen Apothekertags ging es vom 16. bis 18.
Oktober unter anderem um die berufliche und verbandspolitische Situation angestellter
Apothekerinnen und Apotheker sowie um die zu erwartenden Auswirkungen der
europäischen Integration auf Arzneimittelmarkt und soziale Sicherungssysteme. In
mehreren Arbeitskreisen wurde Themen wie "Der Apotheker als Kooperationspartner"
oder "Ambulante Versorgungssysteme" diskutiert; Stichworte waren unter anderem:
Botendienste und Versand im Einzelfall, Rezeptsammelstellen oder die Belieferung von
Alten- und Pflegeheimen.
Parallel zum Deutschen Apothekertag fand vom 16. bis 19. Oktober in Düsseldorf auch
in diesem Jahr die
Expopharm - Internationale Pharmazeutische Fachmesse statt. Mit
mehr als 20.000 Besuchern und über 490 in- und ausländischen Ausstellern auf 19600
Quadratmetern Ausstellungsfläche gilt sie als die größte Pharma-Fachmesse Europas;
mit dabei in diesem Jahr unter anderem 24 Aussteller aus Mexiko, jeweils 5 aus den
USA und China, sowie 6 aus Irland. Zu den Messeschwerpunkten gehörten neben
Produkten aus dem Selbstmedikationsbereich auch Kosmetika, Diätetika und
Körperpflegemittel aus dem Ergänzungssortiment sowie Apotheken-Hard- und
-Software, Apothekeneinrichtungen et cetera. Auch zahlreiche Selbsthilfegruppen boten
erneut auf ihren Ständen umfassendes Informationsmaterial zu den betreffenden
Krankheitsbildern und deren Therapiemöglichkeiten an.
Erstmals hatten die Apothekertags- und Messebesucher darüber hinaus in diesem Jahr
die Möglichkeit, sich bei dem neu installierten, parallelgeschalteten
Expopharm-Kongreß fachlich fortzubilden. Bei der zweitägigen
Fortbildungsveranstaltung am 18. und 19. Oktober wurden verschiedene Foren, unter
anderem von der Pharmazeutischen Zeitung (PZ), dem Zentrallaboratorium Deutscher
Apotheker (ZL), der Gesellschaft für Dermopharmazie, der MGDA, der BAK und
WIV sowie von mehreren Herstellern angeboten, mit dabei auch zwei
Fortbildungskomplexe für PTA.
Zu den Vortragsthemen des Expopharm-Kongresses gehörten beispielsweise
Erkrankungen der Haut und Neuentwicklungen im Bereich der Dermopharmazie,
Ernährungsberatung, die vergleichende Bewertung von Fertigarzneimitteln,
Personalführung in der Apotheke, elektronische Kommunikation und die Interpretation
von Laborwerten durch den Apotheker. Im Rahmen eines PZ-Forums wurden
außerdem zum dritten Mal der
PZ-Innovationspreis für das innovativste Arzneimittel des
vergangenen Jahres verliehen und die Arzneimittel-Neuheiten von Mitte 1996 bis Mitte
1997 vorgestellt.
Parteien wissen Stellenwert des Apothekers zu schätzen
"Die Pharmazie ist in Nordrhein-Westfalen ein starkes Bein, und die öffentlichen
Apotheken sind ein starker Partner". Mit diesen Worten begrüßte Dr. Karl Pröbsting,
Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und
Soziales, am Donnerstag vormittag vergangener Woche die Apothekertagsteilnehmer
und -teilnehmerinnen bei der Eröffnungsveranstaltung zum Deutschen Apothekertag
1997. Pröbsting verwies auf die Notwendigkeit der pharmazeutischen Beratung im
Rahmen einer Arzneimitteltherapie. "50 Prozent der Patienten machen Fehler bei der
Einnahme von Medikamenten", betonte er. Die Beratung durch den Apotheker könne
diesen Mißstand verbessern und somit einen wichtigen Beitrag zur Ökonomisierung im
Gesundheitswesen leisten.
Beatrix Philipp, Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags und
anwesend als Vertreterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hob in ihrem Grußwort
die Bedeutung der Apotheke als "arbeitsplatzpolitisches Segment" hervor. Trotz der
schwierigen Lage im Gesundheitssystem lasse sich bundesweit erfreulicherweise eine
Zunahme der Apothekenzahl sowie ein Anstieg der dort Angestellten verzeichnen.
Insbesondere auf dem Gebiet der Teilzeitbeschäftigung gingen die Apotheken mit gutem
Beispiel voran, so Philipp; fast zwei Drittel der Approbierten in Deutschland seien
teilzeitbeschäftigt.
Philipp dankte in Düsseldorf der Apothekerschaft für deren Vermittlertätigkeit zwischen
Gesetzgeber und Patienten im Rahmen der Zuzahlungserhöhungen und betonte: "Wir
bekennen uns in der 8. AMG-Novelle ausdrücklich zu Apothekenpflicht und gegen den
Versandhandel von Arzneimitteln". Gleiches gelte auch für das Teleshopping. Außerdem
halte ihre Fraktion an dem Grundsatz "stationäre Arzneimittelversorgung durch
Krankenhaus-Apotheken, ambulante Versorgung durch öffentliche Apotheken" fest,
versicherte sie.
Regina Schmidt-Zadel, anwesend als Vertreterin der SPD-Bundestagsfraktion, hob in
Düsseldorf den "hohen Stellenwert der Apothekerschaft im Gesundheitswesen" hervor
und lobte den "entscheidenden Beitrag", den die Apotheker im Hinblick auf die
Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik leisten. Die Politik müsse die geeigneten
Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß der Berufsstand seine Aufgaben auch ausüben
könne.
Schmidt-Zadel lobte die "sachgerechte Aufklärung", mit der die Apothekerschaft dem
Unmut der Patienten über die Zuzahlungserhöhungen entgegengetreten sei, und betonte:
"Die Apotheke mit ihrem fundierten Beratungsangebot ist der Vertriebsweg der Wahl
für Arzneimittel". Es dürfe im Zuge der notwendigen Sparmaßnahmen im
Gesundheitswesen nicht eine Spirale in Gang gesetzt werden, an deren Ende die
Existenz der Apotheken ruiniert sei. Der SPD sei sehr daran gelegen, die Rolle des
Apothekers zu sichern; ein Termin für Gespräche mit Standesvertretern sei bereits
festgelegt.
Dr. Wolfgang Weng als Vertreter der FDP-Bundestagsfraktion versicherte der
Apothekerschaft in seinem Grußwort, daß seine Partei die Auswirkungen von
Strukturverträgen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten sehr genau im Auge
behalten werde. Die Befürchtung, daß durch solche Vertragskonstruktionen allein bei
Arzneimitteln gespart werde, die Ausgaben insgesamt jedoch stiegen, sei nicht ganz von
der Hand zu weisen. Eine solche Entwicklung müsse gegebenenfalls sofort gestoppt
werden. Wie seine Vorredner verwies auch er auf die wichtige Rolle der
apothekerlichen Beratung im Rahmen der Arzneimittelsicherheit und erinnerte an die
ablehnende Haltung der FDP gegenüber dem Versandhandel mit Arzneimitteln.
Weng bekräftigte in Düsseldorf außerdem die Position seiner Partei zur
Arzneimittelversorgung von Pflegeheimen. "Die medizinische Behandlung von
pflegebedürftigen Personen ist und bleibt dem ambulanten Sektor zuzurechnen", sagte er
mit Blick auf eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Apothekengesetzes, nach der
Patienten in Pflegeheimen künftig nicht mehr durch öffentliche Apotheken, sondern
durch "Pflegeheim-Apotheken" versorgt werden sollen. Weng: "Die FDP hat klar und
deutlich erklärt, daß eine solche Entwicklung für sie nicht in Frage kommt und sie nicht
bereit sein wird, einen solchen Gesetzentwurf passieren zu lassen."
Als "ausgewogene Vereinbarung zwischen Krankenkassen und Apotheken, die nicht zu
Lasten Dritter geht", wertete er die Anhebung von Rezepturarbeitspreisen und
Notdienstgebühren zur Kompensation der Einbußen durch eine Kappung der
Apothekenpreisspannen im Bereich der hochpreisigen Arzneimittel. Bundeswirtschafts-
und Bundesgesundheitsminister hätten bereits signalisiert, daß sie eine solche Lösung für
akzeptabel halten.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Düsseldorf

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