AOK will Pflicht zur Lagerhaltung ausweiten |
Im vergangenen Winter waren unter anderem Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder knapp. / © Getty Images/SDI Productions
Lieferengpässe stellen die Apothekerinnen und Apotheker noch immer vor große Probleme. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) macht dafür in erster Linie alte Rabattverträge verantwortlich. Am vergangenen Freitag versprach er, dass sich die Lage im kommenden Winter entspannen werde.
Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs-Gesetz (ALBVVG) verpflichtet die Hersteller, Arzneimittel, für die ein Rabattvertrag gilt, sechs Monate zu bevorraten. Wie der »Spiegel« berichtete, pocht die AOK nun darauf, die Pflicht zur Lagerhaltung auf weitere wichtige Arzneimittel auszuweiten.
Laut Bericht kritisiert die AOK, dass die Pflicht zur Lagerhaltung nicht für Antibiotikasäfte für Kinder gilt und auch nicht für Arzneimittel gegen Krebs, die den Wirkstoff Tamoxifen enthalten. »Das ist ein offensichtlicher Systemfehler, der dringend abgestellt werden muss«, zitiert der »Spiegel« Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, die in der AOK-Gemeinschaft für die Verhandlungen der Generika-Rabattverträge zuständig ist. Denn sowohl bei Antibiotikasäften als auch bei Krebsmedikamenten gebe es Lieferengpässe. Bauernfeind fordert demnach eine entsprechende Mindestlagerhaltung »für alle versorgungsrelevanten Arzneimittel, unabhängig von Rabattverträgen«.
Ob eine Pflicht zur Lagerhaltung überhaupt etwas bringt, ist allerdings umstritten. Statt Produktionsanreize zu schaffen, entstehen unter anderem zusätzliche Kosten, kritisieren Pharmaverbände wie Pro Generika. Bei einem Verstoß gegen die Lagerpflicht drohen den Herstellern nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) allerdings keine Sanktionen seitens des Gesetzgebers, heißt es im Bericht.
In Deutschland konnte die Pflicht zur Lagerhaltung, die seit über einem Jahr gilt, die Lieferengpässe bisher nicht entscheidend entschärfen. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte meldet derzeit 737 Engpässe, im Vorjahr waren es 1017. Erklärt das BMG einen »Versorgungsmangel«, dürfen Medikamente vereinfacht aus dem Ausland importiert werden. Dies gilt derzeit etwa für Tamoxifen, für Kochsalzlösung oder für Impfstoffe gegen das RS-Virus, einen Erreger akuter Atemwegsinfektionen, mit dem sich insbesondere Säuglinge und Kleinkinder anstecken.
Das seit Ende Juli 2023 geltende ALBVVG sieht neben der Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung für Hersteller unter anderem den Aufbau eines Frühwarnsystems, vereinfachte Austauschregeln für Apotheker und den Wegfall von Festbeträgen für Kinderarzneimittel vor.