AOK will flexibilisierte Apothekenlandschaft |
Ev Tebroke |
08.01.2025 14:00 Uhr |
Reform der Gesundheitsversorgung in Deutschland: Die AOK-Gemeinschaft sieht dringenden politischen Handlungsbedarf. / © imago images/Müller-Stauffenberg
»Es besteht ein riesiger Reformbedarf«, das stellte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, gleich zu Anfang klar. Bei der heutigen Präsentation der AOK-Positionen zur Bundestagswahl unterstrich die Vorsitzende in Berlin den dringenden politischen Handlungsdruck. Deutschland belege bei den Gesundheitsausgaben einen Spitzenplatz, sei bei der Versorgungsqualität aber leider nur Mittelmaß. Gleichzeitig stiegen die Zusatzbeiträge auf einen »historischen Höchstwert von bis zu 2,9 Prozent«, wie AOK-Bundesverband-Vize Jens Martin Hoyer, betonte.
Die AOK fordert daher eine Priorisierung des Themas Gesundheit. »Es muss auf der politischen Agenda deutlich nach oben rücken«, so Reimann. Mit dem Positionspapier unter dem Titel »Wie unser Gesundheitswesen besser wird – aber nicht teurer« will die Kassengemeinschaft mit ihren Vorschlägen nach eigenen Angaben zu einer »leistungsgerechteren und dabei effizienteren« Gesundheitsversorgung beitragen. Dabei sei auch eine Flexibilisierung der Apotheken vonnöten.
Reimann stellte jedoch klar: »Wir wollen keine Rationierungsdebatte, keine Leistungskürzungen für Versicherte. Wir wollen nicht bei Versorgungsangeboten in ländlichen und strukturschwachen Räumen sparen.« Aber es brauche eine Kehrtwende. »Wir können uns die sektorenbezogene Fragmentierung nicht länger leisten.« Es gehe nicht an, dass jede einzelne Gruppe der Leistungserbringer für sich individuell bessere Vergütungen erhält, ohne gleichzeitig eine spürbar verbesserte Versorgung zu leisten. Grundsätzlich fordert die AOK-Gemeinschaft laut Positionspapier »weniger berufspolitisches Standesdenken, mehr interprofessionelle Zusammenarbeit«.
Was die Apotheken betrifft, so wolle die AOK die Vor-Ort-Apotheke im ländlichen Raum stärken, statt auf Versandhandel zu setzen, unterstrich Reimann. Aber um flächendeckende Versorgung sicherstellen zu können, brauche es einen deutlichen Strukturwandel. Das zuletzt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Entwurf geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) birgt Reimann zufolge »gute neue Instrumente«. Die Vorschläge müssten wieder aufgegriffen werden, so die AOK-Vorstandsvorsitzende. Dabei befürwortet sie auch ausdrücklich die im ApoRG angedachte, von der Apothekerschaft heftig kritisierte »Apotheke light«, bei der nur eine PTA und nicht mehr zwingend ein Apotheker vor Ort sein muss. Dieser soll lediglich bei Bedarf digital zugeschaltet werden können. Es sei begrüßenswert, die PTA aufzuwerten, um flexiblere Arrangements zu bekommen, so Reimann. Was die AOK mit »Flexibilisierung« konkret verbindet, hat ihr Bundesverband in dem Positionspapier heute dargelegt.
Darin heißt es: »Um auch in Zukunft die flächendeckende Versorgung der Versicherten sicherzustellen, müssen wir die zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Anforderungen an Apotheken flexibler gestalten.« Konkret fordert die AOK-Gemeinschaft, die Vorgaben zu Ausstattung, Öffnungszeiten und Notdiensten von Apotheken zu reformieren. Auch gelte es, neue, dezentrale und digitale Zugangswege zur pharmazeutischen Beratung, Belieferung und Logistik zu entwickeln. Zudem sollte die Nacht- und Notdienstversorgung mit den ärztlichen Versorgungsangeboten koordiniert werden.
Was die Vergütung betrifft, so müsse sich auch diese »mehr als bisher darauf ausrichten, die flächendeckende Versorgung zu stärken.« Erreichen will die AOK-Gemeinschaft dies durch eine Umschichtung der Margen aus den Aufschlägen bei hochpreisigen Arzneimitteln in die Nacht- und Notdienstvergütung. Die Weiterentwicklung des Apothekenhonorars soll auf Basis einer transparenten Datengrundlage erfolgen. Dabei sollen »sowohl Kostensteigerungen als auch Wirtschaftlichkeitsreserven angemessen berücksichtigt werden«.
Deutliche Kritik übt die AOK an dem Vergütungssystem der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF). Hier erfolge keine passgenaue Finanzierung, heißt es in dem Positionspapier. Mittlerweile befinde sich »über eine halbe Milliarde Euro an ungenutzten Geldern der Solidargemeinschaft in diesem Fonds«. Das weitere Anwachsen bleibe ungebrochen, diese Versichertengelder würden allerdings kaum genutzt. »Das hochbürokratische Konstrukt verursacht zudem ein Ungleichgewicht zwischen den Einzahlungen der Krankenkassen und den Leistungen für deren Versicherte.«
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.