AOK nimmt pDL-Vergütung ins Visier |
Cornelia Dölger |
26.02.2025 13:54 Uhr |
Bis zu 35 Milliarden Euro »Effizienzpotenzial« sieht die AOK bei Gesundheit und Pflege. Auch die pDL-Vergütung hat sie im Blick. / © ABDA
Die neue Bundesregierung müsse den Ausgabenanstieg bremsen und wieder an die Entwicklung der Einnahmen koppeln, heißt es von der AOK. In dem Papier »Stabile Finanzen für Gesundheit und Pflege – jetzt!« skizziert die Kasse Maßnahmen »für mehr Effizienz«.
Neben strukturellen Reformmaßnahmen, die die Ausgabenentwicklung im Laufe der gesamten Legislaturperiode sukzessive stabilisieren sollen, plädiert die AOK in dem Programm für schnelle Maßnahmen, die »den Druck auf die Beitragssatzentwicklung bereits für das Jahr 2026 signifikant senken und daher noch vor Festlegung der Krankenkassen-Haushalte im Herbst umgesetzt werden« müssten. Die Spar- und Finanzierungsvorschläge haben demnach für beide Versicherungszweige ein Gesamtvolumen von bis zu 35 Milliarden Euro.
Um die Ausgaben in den Griff zu bekommen, will die Kasse unter anderem in der ambulanten und der stationären Versorgung sowie im Arzneimittelbereich ansetzen. In Letzterem sieht sie das größte Einsparpotenzial, etwa durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent (7 Milliarden Euro) sowie eine Anhebung des allgemeinen Herstellerrabatts von 7 auf 16 Prozent (1,8 Milliarden Euro).
Auch die Vergütung für die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) nimmt die Kasse ins Visier. Die Umlage über den Festzuschlag will sie streichen, stattdessen soll auf Direktabrechnung umgestellt werden. In der Umstrukturierung sieht sie ein Einsparpotenzial von 150 Millionen Euro. Außerdem sollen die nicht abgerufenen pDL-Mittel an die Krankenkassen zurückgezahlt werden.
Die Ausgaben senken soll zudem die Rückwirkung des Erstattungsbetrages für Arzneimittel nach dem AMNOG-Verfahren ab Marktzugang (50–100 Millionen Euro). Bis zu 600 Millionen Euro sollen Einsparungen im Hilfsmittelbereich bringen. Insgesamt errechnet sich die Kasse im Arzneimittelbereich ein »Effizienzpotenzial« von 9,7 Milliarden Euro.
Insgesamt 3,5 Milliarden Euro Sparpotenzial sieht sie im Krankenhaussektor, etwa über die Aufhebung von Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen beziehungsweise über eine bundeseinheitliche Prüfquote oder die Beendigung von Doppelfinanzierungen bei Pflegebudgets.
»Honorargeschenke ohne Versorgungs-Mehrwert« will sie im ambulanten Bereich zurücknehmen. Dazu zählen, die Entbudgetierung für Hausärzte (500 Millionen Euro) sowie der kinderärztlichen Honorare (270 Millionen Euro) wieder zurückzunehmen. Die Streichung der Zuschläge für die Terminvermittlung würde der AOK-Rechnung zufolge 150 Millionen Euro einsparen. »Gerade die Honorargeschenke, die vor der Wahl an die Ärzteschaft gemacht worden sind, schaffen keinerlei Mehrwert für die Versorgung«, so Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands.
Auch für die Einnahmenseite gibt es Ideen. So schlägt die AOK strukturelle Maßnahmen vor, fordert etwa, die Krankenhausreform »konsequent« umzusetzen und die Notfallreform nachzuholen. Mit der Reform wollte die Ampel die überfüllten Notaufnahmen entlasten, das Gesetz fiel aber dem Ampelbruch zum Opfer. An den Plänen gab es Kritik, weil es Ärzten ein zeitweises Dispensierrecht eingeräumt und »Zweit-Apotheken« mit vereinfachten Vorgaben erlaubt hätte. Die ABDA warnte seinerzeit vor »Parallelstrukturen«.
Weiter fordert die AOK die Refinanzierung von kostendeckenden Beitragspauschalen für Bürgergeldbeziehende in der Gesundheitsversorgung. Im Pflegebereich soll etwa der Bundesbeitrag dynamisiert werden. Dringenden Handlungsbedarf sieht die Kasse bei der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) zwischen den Kassen. Hier brauche es mehr »Zielgenauigkeit«.
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) reagiert mit harscher Kritik auf den AOK-Vorstoß. Derlei »erratische Eingriffe« zerstörten die Planungssicherheit der Unternehmen, so vfa-Präsident Han Steutel. Sie seien »Gift für die gerade entfachte Aufbruchsstimmung in einer Zukunftsbranche«. Angesichts der internationalen Entwicklungen und des »Stresstests«, den der heimische Pharmastandort womöglich vor sich habe, sei »eine unberechenbare Erstattungslage für Arzneimittel in Deutschland das Letzte, was wir jetzt brauchen«, so Steutel.
Der Virchowbund bezeichnete das Papier als »rigoroses Streichkonzert«, mit dem der AOK-Bundesverband die ambulante Versorgung »beschneiden« wolle. Kassenärzte würden »mit dieser Kürzungsorgie ihr Angebot weiter auf das gesetzliche Mindestmaß einschränken«.