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AOK Niedersachsen sieht Bedarf für Medikationsanalysen

Die AOK Niedersachsen sieht in der pharmazeutischen Dienstleistung erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation sehr viel Potenzial, befürwortet aber auch eine Evaluation des Nutzens. Die Position der Krankenkasse legte eine für die AOK tätige Apothekerin beim Zwischenahner Dialog des Landesapothekerverbands Niedersachsen dar.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 22.11.2022  09:00 Uhr

Nach Daten der AOK Niedersachsen steht von den bundesweit 150 Millionen Euro pro Jahr rein rechnerisch ein Zehntel, also 15 Millionen den niedersächsischen Apotheken zu, erklärte Claudia Schaa, Bereichsleiterin Arzneimittelmanagement bei der AOK Niedersachsen, beim 16. Zwischenahner Dialog vergangene Woche im namensgebenden Bad Zwischenahn. Dort waren auf Einladung des Landesapothekerverbands Niedersachsen (LAV) Vertreter von Apotheker- und Ärzteschaft sowie Industrie und Verwaltung zusammengekommen, um sich auszutauschen und zu vernetzen.

Bei aktuell rund 1800 Apotheken in Niedersachsen stehen damit theoretisch etwa 8333 Euro pro Jahr pro Apotheke für pharmazeutische Dienstleistungen bereit oder anders ausgedrückt: 92 Beratungen zur Polymedikation à 90 Euro. Damit könnten in Niedersachsen jedes Jahr rund 166.667 Beratungen zur Polymedikation durchgeführt werden.

Von diesen Zahlen ist man aktuell noch weit entfernt. Denn nach Auswertung der Krankenkassen wurden seit der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen im Juni bis einschließlich August 2022 bislang erst 64 pharmazeutische Dienstleistungen von 31 Apotheken abgerechnet – darunter nur achtmal die erweiterte Medikationsberatung Polymedikation, 33-mal die standardisierte Einweisung in die Inhalationstechnik und 23 mal die standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck.

Mehr als 400.000 AOK-Versicherte hätten Anspruch

Den Bedarf für die Medikationsberatung bei Polymedikation sieht die AOK Niedersachsen aber durchaus. Denn nach deren Zahlen haben allein 403.066 ihrer eigenen Versicherten mindestens fünf verschiedene ATC-Codes im zweiten Quartal 2022 verordnet bekommen. Allein für diese Patienten würde das Budget also nicht ausreichen.

»Die AOK Niedersachsen steht der Beratung zur Polymedikation in Apotheken positiv gegenüber«, betonte Schaa und brachte dazu noch das Beispiel des »Triple Whammys«. Dabei bekommt ein Patient die für die Nieren äußerst ungünstige Dreier-Kombination aus Sartan oder ACE-Hemmer und Diuretikum und nicht steroidalem Antirheumatikum (NSAR). Tatsächlich hatten im zweiten Quartal 2022 fast 30.000 AOK-Patienten in Niedersachsen diese Kombination verordnet bekommen. Zusätzlich dürfte es weitere tausende geben, die ein NSAR in Eigenregie zu Sartan/ACE-Hemmer und Diuretikum genommen haben. Letztere können eigentlich nur in der Apotheke erkannt werden. 

Schaa vermutet hinter dem zögerlichen Einstieg der Apotheken vor allem ein Kapazitätsproblem in den Offizinen, aber auch die bislang geringe Akzeptanz der Ärzteschaft. »Die beste Analyse und pharmazeutische Beratung nutzt nichts, wenn sie im Sande verläuft«, so die AOK-Vertreterin. Dabei sieht sie viel Potenzial in der interprofessionellen Zusammenarbeit. Ähnliche Kritik hatte der AOK-Bundesverband am selben Tag vormittags bei der Vorstellung seines neuesten Arzneimittel-Kompasses geäußert.

Kritik an Höhe der Vergütung

Als weitere Kritikpunkte nannte Schaa die mit nur acht Stunden zu erreichende Zusatzqualifikation als Voraussetzung für die Durchführung von Medikationsanalysen, die sie nicht für ausreichend hält, und die Höhe der Honorierung. Zudem sei das Prozedere für Apotheken und Patienten derzeit noch zu bürokratisch. 

Die Krankenkasse wünscht sich eine baldige Evaluierung der pharmazeutischen Dienstleistungen: Welche Versicherten werden damit erreicht? Wie alt waren sie im Schnitt? Wie viele Arzneimittel wendeten die Patienten an? Was folgte auf die Dienstleistung – eine Arztkonsultation mit Umstellung der Medikation? »Vielleicht finden wir so Antworten, was verbessert werden kann, damit daraus etwas Gutes resultiert«, so Schaa.

Eine Evaluierung erachtet der LAV-Vorsitzende Berend Groeneveld auch als sinnvoll an. Er sieht die pharmazeutischen Dienstleistungen als große und lang erwartete Chance für die Apotheken vor Ort, die allerdings angesichts von Pandemie und Personalmangel in einer schwierigen Zeit gestartet ist. Dabei hofft der Verbandsvorsitzende auch auf einen Schub, wenn denn E-Rezept, elektronischer Medikationsplan und Patientenakte endlich funktionieren.

Weitere Themen des 16. Zwischenahner Dialogs waren die rechtlichen Herausforderungen bei Kooperationen im Gesundheitswesen, Nachwuchsmangel in Apotheken und Arztpraxen sowie das Konzept der Gesundheitsregionen und medizinischen Versorgungszentren.

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