| Johanna Hauser |
| 20.11.2025 17:00 Uhr |
In Tierversuchen zeigte ein Antikörpermix eine gute Wirksamkeit gegen Influenza-A-Viren. / © Adobe Stock/BillionPhotos.com
Jährlich sterben bis zu 500.000 Menschen weltweit an der Grippe. Die verantwortlichen Influenza-Viren mutieren stark und verändern daher regelmäßig ihre Oberflächenproteine Neuraminidase (N) und Hämagglutinin (H), sodass der saisonale Grippe-Impfstoff jährlich an die zirkulierenden Stämme angepasst werden muss. Auch die Entwicklung von Antikörper-Präparaten gegen Influenza-A-Infektionen ist bisher daran gescheitert, dass sich die Viren so rasch verändern.
Wissenschaftler aus Connecticut haben nun in Tierversuchen einen neuen Ansatz getestet, der gegen eine ganze Reihe von Influenza-A-Viren wirkt und auch nicht so leicht durch Mutationen an Wirksamkeit verliert. Der Trick: Das Team um Dr. Teha Kim vom Jackson Laboratory in Connecticut nutzte einen Mix aus drei nicht neutralisierenden Antikörpern. Erste Tests an Mäusen lieferten positive Ergebnisse, wie das Team in der Fachzeitschrift »Science Advances« berichtet.
Bisher wurde hauptsächlich an neutralisierenden Antikörpern geforscht, die direkt an Viren binden und deren Zelleintritt verhindern. Das Team um Kim setzte dagegen auf sogenannte nicht neutralisierende Antikörper, die nicht Viren, sondern infizierte Zellen erkennen und beseitigen.
Die nicht neutralisierenden Antikörper richten sich – im Gegensatz zu durch Grippeimpfung erzeugten Antikörpern oder Therapeutika wie Oseltamivir – gegen unveränderliche Stellen des Virus, nämlich gegen Epitope innerhalb des konservierten N-Terminus des M2-Proteins. Das M2-Protein erfüllt durch seinen Sitz in der Lipidmembran zwei Funktionen: Es wird für den intrazellulären Lebenszyklus des Virus und den Austritt neuer Viruspartikel aus der Zelle benötigt.
Das Team kombinierte drei nicht neutralisierende Antikörper gegen M2-Epitope. Diesen Antikörpermix testete es an Mäusen auf seine prophylaktische und schützende Wirkung gegen eine ganze Reihe von verschiedenen Influenza-A-Viren. Der Antikörper-Mix reduzierte – nach gezielter Infektion – die Krankheitsschwere und die Sterblichkeit deutlich. Dabei war er sowohl wirksam, wenn er vor der Infektion gegeben wurde, als auch Tage danach und zwar auch bei Tieren mit Immunschwäche. So zeigten Untersuchungen mit dem gefährlichen Vogelgrippe-Erreger H7N9, dass durch die Gabe einer Dosis des Cocktails innerhalb von drei Tagen nach der Infektion 100 Prozent der Tiere überlebten. Nach vier Tagen überlebten noch 70 Prozent, nach fünf Tagen noch 60 Prozent der Mäuse. Escape-Mutationen wurden nicht beobachtet.
Die Forschenden schließen daraus, dass die Funktion des M2-Proteins für das Virus zu wichtig ist, um in diesem Mutationen zuzulassen. Zudem zeigten bereits niedrige Dosen der Antikörper eine gute Wirksamkeit und reduzierten sowohl Krankheitslast als auch Viruslast in der Lunge.
»Das Virus mutierte auch bei Verwendung einzelner Antikörper nicht weg«, sagt Dr. Silke Paust, Immunologin am Jackson Laboratory, in einer Pressemitteilung. »Aber in einer Grippesaison mit Millionen von Menschen, die diese Therapie einnehmen, wäre ich viel zuversichtlicher, dass wir eine Flucht aus der Therapie verhindern können, wenn wir den Cocktail verwenden.« Dies sei das erste Mal, dass man einen so breiten und dauerhaften Schutz gegen Grippe in einem lebenden System gesehen habe, erläutert die leitende Autorin der Studie.
Derzeit werden für alle sechs von der US-Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Wirkstoffe Mutationen beobachtet. Amantadin und Rimantadin, die den essenziellen M2-Protonenkanal blockieren, sind aufgrund von Resistenzen bereits wirkungslos. Umso wichtiger sind Therapeutika, die in der Lage sind, sowohl bei einer Pandemie zur Verfügung zu stehen als auch mögliche geringe Wirksamkeiten der saisonalen Impfung »auffangen« zu können. Der nun entwickelte Antikörper-Cocktail hat nach Ansicht der Autoren das Potenzial, diese Kriterien zu erfüllen. Da er so breit wirksam ist, könne er auch gegen neu auftretende Influenza-A-Viren eingesetzt werden und, anders als Pandemieimpfstoffe, im Voraus produziert werden. Bevor es so weit ist, sind aber noch klinische Studien nötig.