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Neue Studienergebnisse

Antikörper Lecanemab bremst Alzheimer-Entwicklung

Der monoklonale Anti-Amyloid-Antikörper Lecanemab kann den Krankheitsverlauf bei Patienten mit Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium statistisch signifikant verlangsamen. Wissenschaftler werten die aktuellen Studienergebnisse als »Meilenstein« und »bedeutenden Fortschritt«, warnen aber vor zu großen Hoffnungen.
Brigitte M. Gensthaler
30.11.2022  18:00 Uhr

Die Daten der Phase-III-Studie »Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease« wurden vergangene Nacht auf dem CTAD-Kongress (Clinical Trial on Alzheimer's Disease) in San Francisco vorgestellt und zeitgleich im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht.

Die 18-monatige Studie schloss 1795 Patienten mit Alzheimer-Krankheit im Stadium einer milden kognitiven Beeinträchtigung (MCI) oder milden Demenz ein. Sie erhielten randomisiert entweder Lecanemab (10 mg/kg Körpergewicht intravenös alle 14 Tage) oder Placebo. Der primäre Endpunkt war die Veränderung eines Kognitionsparameters, des Clinical Dementia Rating – Sum of Boxes (CDR-SB). Sekundäre Endpunkte waren die Abnahme der Amyloid-Last in der Positronen-Emissionstomografie (PET) sowie Veränderungen in weiteren Kognitionsskalen und den Aktivitäten des täglichen Lebens.

Der Antikörper schnitt in allen primären und sekundären Endpunkten signifikant besser ab als Placebo. So reduzierte er die PET-Amyloidlast im Gehirn und verzögerte den Abbau der kognitiven Fähigkeiten um 27 Prozent. Das entspricht einer Differenz von 0,45 Skalapunkten auf dem CDR-SB-Score (Bereich 0 bis 18). Bei den Aktivitäten des täglichen Lebens machte der Unterschied 37 Prozent aus.

»Erstmals ist es gelungen, überzeugend nachzuweisen, dass die Reduktion von Amyloid zu einer statistisch signifikanten und klinisch robusten Verzögerung des Krankheitsverlaufs im Vergleich zu Placebo führt. Das ist ein Meilenstein in der Alzheimer-Forschung«, sagte Professor Dr. Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Uniklinik Köln, in einer Online-Veranstaltung des Science-Media-Centers. Professor Dr. Hans-Ulrich Demuth, Berater des Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Leipzig, sowie Mitglied des Deutschen Ethikrats, sprach von einer »Bremswirkung auf den Verlauf«. Entscheidend sei es dafür, Patienten in sehr frühen Stadien der Alzheimer-Erkrankung zu behandeln.

Krankheitsmodifikation mit Nebenwirkungen

Der krankheitsmodifizierende Effekt konnte klar nachgewiesen werden und sei aus Sicht der Patienten und Angehörigen »sehr bedeutsam«, sagte Jessen. Eine fast 30-prozentige Verzögerung des Verlaufs, sowohl hinsichtlich Alltagsfunktion als auch kognitiver Leistungen, sei relevant. Die Studiendauer über 18 Monate hielt er für ausreichend lang, zumal die Daten zeigten, dass der stabilisierende Effekt mit der Behandlungsdauer zunahm. Jessen warnte zugleich vor überzogenen Hoffnungen: »Man darf nicht auf Heilung oder Regression hoffen. Eine Rückführung in einen unbeeinträchtigten Zustand ist illusorisch.«

Wie auch bei anderen gegen Amyloid gerichteten Antikörpern traten unter Lecanemab auch unerwünschte Wirkungen auf, darunter infusionsbedingte Reaktionen bei 26,4 Prozent der Patienten sowie Ödeme und Mikrohämorrhagien (Amyloid-related Imaging Abnormality, ARIA) im Gehirn bei 12,6 Prozent. Diese Veränderungen sind im Magnet-Resonanztomogramm (MRT) sichtbar. Die Patienten merkten in der Regel nichts davon oder hätten eventuell nur leichten Schwindel, erklärte Jessen. Auch unter Placebo könnten diese ARIA auftreten, seien aber deutlich seltener.

Erst vor einigen Tagen wurde im Fachjournal »Science« von einem Todesfall berichtet, der ursächlich auf die Therapie mit Lecanemab zurückgehen soll. Die Patientin hatte während der Studienteilnahme einen Schlaganfall erlitten und in der Klinik Gewebe-Plasminogenaktivator (tPA) zur Lysetherapie erhalten, worauf es zu massiven Blutungen kam. Dies sei bereits der zweite berichtete Todesfall unter der Medikation gewesen und müsse sehr genau beobachtet werden, sagte Jessen.

Nur für Patienten in sehr frühen Alzheimer-Stadien

In den USA soll am 6. Januar 2023 über den Antrag auf beschleunigte Zulassung entschieden werden. Auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sei der Zulassungsantrag eingereicht, hieß es bei der Veranstaltung. Jessen rechnet mit einer Zulassung, denn die Studie habe einen »absolut überzeugenden Effekt mit ganz klarem Nutzen für Patienten und Angehörige« gezeigt. Allerdings sei die Antikörpertherapie nur für eine kleine Gruppe von Patienten in sehr früher Phase der Erkrankung geeignet und Blutgerinnungsstörungen seien ein Ausschlusskriterium.

Solche Therapien sollten zumindest anfangs nur an Expertenzentren ein- und umgesetzt werden. Denn der Umgang mit Prädemenzstadien und die Bewertung von ARIA erfordere Expertenwissen; zudem müsse der Einsatz von Lecanemab in einem Register dokumentiert werden, um langfristige Nebenwirkungen und Effektstärken verstehen zu können. »Das ist keine Substanz, die man einfach mal gibt«, so die Experteneinschätzung.

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