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Diskussion zum Pharmapaket

Antibiotika müssen EU-weit verschreibungspflichtig werden

Die EU verstärkt ihren Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Neben der Voucher-Lösung sind im EU-Pharmapaket, das morgen auf der Agenda des EU-Parlaments steht, noch weitere Schritte geplant. Der EU-Politiker Peter Liese stellte beim heutigen Pressegespräch klar, dass dringender Handlungsbedarf bestehe.
Jennifer Evans
09.04.2024  14:30 Uhr

Am morgigen Mittwoch stimmt das EU-Parlament über seine Position zur – heftig diskutierten –Reform des EU-Arzneimittelrechts ab. Darin sind auch Maßnahmen gegen die zunehmenden Antibiotikaresistenzen vorgesehen. Für Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, eines der wichtigsten Themen des gut 500-Seiten-starken EU-Pharmapakets. Das machte er beim heutigen Pressegespräch deutlich.

Liese zufolge sterben in Europa derzeit pro Jahr 35.000 Menschen an Infektionen, gegen die vorhandene Antibiotika wirkungslos sind – Tendenz steigend. Für einen bewussten Umgang mit Antibiotika sowie ein entsprechendes Anreizsystem zur Entwicklung neuer Präparate kämpft der EU-Politiker schon lange. Im Entwurf für das EU-Pharmapaket ist eine Lösung auf Gutscheinbasis enthalten, die zwar nicht überall gut angekommen ist, aber aus Mangel an alternativen Vorschlägen weiter Teil des Paktes ist, über das das EU-Parlament morgen abstimmt.

Die EU plant nun, Antibiotika künftig strenger zu regulieren und zielgerichteter einzusetzen. Konkret sollen Schnelltests auf CRP-Basis zum Einsatz kommen, die vorab Aufschluss darüber geben, ob ein Antibiotikum überhaupt nötig ist. »Wer etwa wegen eines Notfalls keine Diagnostik macht, muss das begründen«, so Liese. Außer Frage steht für ihn, dass die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten diese Schnelltests finanzieren müssen. In dem Fall scheue er auch nicht davor zurück, den Arztpraxen weitere Bürokratie zuzumuten.

Mehr Sensibilität für Resistenzen

Mit sogenannten Awareness-Karten solle es gelingen, mehr Sensibilität für die Resistenz-Problematik in der Bevölkerung zu erreichen, so Liese. Die Karten liegen den Präparaten bei und erinnern etwa daran, das Mittel nur einzunehmen, wenn der Arzt es einem persönlich verordnet hat. Auch sollen sie auf die wichtige Therapiedauer aufmerksam machen, damit ein Patient das Mittel nicht frühzeitig absetzt und sich daraufhin Resistenzen bilden.

Was die Überwachung angeht, sieht die EU die Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie die nationalen Behörden in der Pflicht. In der Tiermedizin gebe es beim Antibiotika-Einsatz inzwischen schon strengere Regeln als in der Humanmedizin, bedauerte Liese. Das müsse sich ändern.

Grundsätzlich hält der EU-Politiker es für unabdinglich, dass Antibiotika endlich in jedem europäischen Land verschreibungspflichtig werden. Dafür müsse eine europäische Regelung her. Insbesondere in südeuropäischen Ländern sei dies noch immer nicht der Fall. In Griechenland etwa würden 16 Prozent der Antibiotika ohne Rezept verkauft.

Ausschlaggebend für die Hersteller, überhaupt wieder neue Mittel auf den Markt zu bringen, ist ein neues Anreizsystem.  »In den letzten Jahrzehnten gab es praktisch keine neuen Antibiotika«, so Liese. Die Investition von bis zu 1 Milliarde Euro lohne sich nicht für Mittel, die nur sehr restriktiv zum Einsatz kämen.

Voucher-Lösung könnte Gamechanger werden

Mit der Reform ist nun vorgesehen, dass Unternehmen, die ein neues Antibiotikum auf den Markt bringen, einen Gutschein erhalten. Diesen kann es behalten oder weiterverkaufen. »Das heißt, das Antibiotikum wird zwar nur in kleiner Stückzahl verkauft, aber andere Medikamente, die in größerer Stückzahl verkauft werden können, erhalten dann, wenn die Firma diesen Gutschein verkauft, ein Jahr länger Marktexklusivität«, erläuterte Liese das Konzept.

Werde das neue Antibiotikum vor Ablauf des zusätzlichen Schutzjahrs wieder vom Markt genommen , verfalle der Gutschein. Vonseiten der Mitgliedstaaten hatte es viel Gegenwind gegeben. Aber: »All die Kritiker hatten kein überzeugendes Alternativkonzept«, hob Liese hervor. So könne das pharmazeutische Unternehmen zumindest durch die Antibiotikaentwicklung Geld verdienen, auch wenn das Präparat zunächst nur als Reserveantibiotikum zum Einsatz komme.

Nach Angaben des EU-Politikers ist die Rückmeldung der Pharmakonzerne zu der Voucher-Lösung »durchaus positiv«. Sie schätzen sogar, es könne ein Gamechanger werden. Die Kassen träten dagegen naturgemäß auf die Bremse. Doch Liese sieht erst einmal keine Mehrbelastung für das Gesundheitssystem, zumal die Zeitspanne der Marktexklusivität ja künftig reduziert werden soll. »Das müsste sich in etwa ausgleichen.«

Mehr Anreize für neue Mittel

Die Reform sieht vor, den Unterlagenschutz von derzeit acht Jahren auf 7,5 Jahre zu verkürzen. Ausnahmen bilden Arzneimittel gegen Erkrankung, für die es noch keine Therapie gibt. Sie erhalten ein zusätzliches Jahr. Gänzlich neue Mittel sollen generell mehr Anreize erhalten als sogenannte »Me-too- Präparate«, die gegen Leiden wirken, für die bereits andere Medikamente auf dem Markt sind.

Professor Volkhard Kempf von der Universitätsklinik Frankfurt schilderte beim heutigen Pressetermin, wie präsent das Problem von Todesfällen aufgrund antibiotikaresistenter Keime im Klinik-Alltag bereits ist: »Wir beobachten solche Infektionen in allen Altersgruppen und auch bei Personen, die keine Reisen in Länder mit hoher Prävalenz von Antibiotikaresistenzen unternommen haben.« Die Chance an einer solchen Infektion zu sterben, sei »sehr hoch«, betonte er.

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