Angst und Wut richtig nutzen |
Die Angst vor der Prüfung lässt uns fokussieren – wenn sie nicht überhand nimmt. / © Getty Images/PeopleImages
Angst kann so stark werden, dass sie lähmt. Grundsätzlich ist Angst jedoch etwas Gutes, denn sie ist ein Alarmsignal. »In dem Moment, wo ich merke, ich habe Angst, fahre ich hoch, kriege ich den Fokus scharf gestellt: Da liegt eine Herausforderung vor dir«, sagt der Psychologe und Autor Leon Windscheid.
Angst macht uns aufmerksamer. Angst könne auch ein Freund sein. Weil dann Adrenalin ausgeschüttet wird, das für einen Energieschub sorgt. Angst aktiviert uns, sie kann uns auf neue Ideen bringen und uns besser funktionieren lassen, wenn es darauf ankommt, so Windscheid. Er gibt folgende Tipps, wie man generell einen besseren Zugang zu seinen Emotionen und ihren Funktionen bekommt:
Der erste Schritt: »Verstehe erst mal, was du da fühlst«, sagt Windscheid. Es würde dabei nicht immer ein Richtig oder Falsch geben. Deshalb rät er: »genauer hinfühlen« – und das Gefühl benennen. Also: Aha, ich bin traurig, oder wütend, empfinde Freude oder Scham, so präzise wie möglich.
In Schritt 2 geht es um die Frage: Warum fühle ich das? Was will mir dieses Gefühl sagen? »Eine Wut wird mich auf eine Ungerechtigkeit hinweisen wollen, eine Angst will meine Aufmerksamkeit und sagt: Kümmere dich darum. Eine Eifersucht zeigt mir: Hey, diese Beziehung bedeutet mir etwas. Und Zufriedenheit zeigt mir: Du kannst jetzt mal entspannen, loslassen, alles ist gut.«
Dann kommt es darauf an, die Signale auszuwerten und reflektiert damit umzugehen. Gerade als negativ empfundene Gefühle stellen oft Energie bereit, so Windscheid. Wer etwa im Job sauer auf die Chefin ist und Wut spürt, für den könne sie wertvoll sein: als das Signal »hier stimmt etwas nicht«, das dafür sorgt, dass wir etwas ändern wollen. Hier sollte das, was wir ändern wollen, im Vordergrund stehen – nicht die Wut.
Windscheid betont, dass man auch mit Wut im Bauch klar sagen kann, was los ist. »Aber nicht einfach eskalieren und losschreien.« In diesem Fall wäre Angst übrigens nicht der beste Freund: »Wenn ich das stattdessen runterschlucke, weil ich Angst habe, für mich einzustehen, kann passive Aggression entstehen, also so etwas wie Sand im zwischenmenschlichen Getriebe.« Die Chance etwas zu verändern, wird dann kleiner.
»Wenn ich verstanden habe, warum ich etwas fühle, kann ich daraus etwas machen. Gefühle helfen uns dabei, dass wir rationalere Entscheidungen treffen, dass wir vorwärtskommen«, sagt Windscheid.