Pharmazeutische Zeitung online
Live-Talk zum AvP-Verfahren

Anfechtung, Aussonderung und die Banken-Frage

Im AvP-Insolvenzverfahren strebt der Gläubigerausschuss einen Vergleich an, der insgesamt auf positive Resonanz stößt. Die maßgeblichen Akteure hinter dieser Rahmenvereinbarung stellten sich am 11. September in einem Online-Livetalk der PZ den Fragen der Apothekerinnen und Apotheker.
Alexander Müller
12.09.2023  10:20 Uhr

Fast den Tag genau drei Jahre ist es her, dass das private Rechenzentrum AvP die fälligen Beträge aus der Rezeptabrechnung nicht mehr ausschütten konnte, wenig später wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Aufarbeitung ist aufgrund der komplexen Vertragslage und einer offenbar chaotischen Buchführung bei der Schuldnerin sehr komplex.

Mit dem Vergleich soll das Verfahren jetzt vereinfacht werden. Er sieht vor, dass die geschädigten Apotheken eine Teilausschüttung vorab erhalten und im Gegenzug auf etwaige Aussonderungsrechte verzichten. Herausfordernd ist für Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos auch der Umgang mit den rund 800 Apotheken, die kurz vor der Insolvenz noch Geld von AvP erhalten haben. Denn diese Zahlungen sind aus Hoos Sicht zu Unrecht geflossen und werden von ihm angefochten. Und dann ist noch offen, ob der Insolvenzverwalter Geld von den Banken zurückfordern kann, die sich mit der gut terminierten Kündigung der Konsortialkreditverträge seinerzeit weitgehend schadlos hielten.

Durchgehend rund 800 Apothekerinnen und Apotheker nahmen am Livetalk teil, den die Pharmazeutische Zeitung zusammen mit dem Apothekerverband Nordrhein (AVNR) veranstaltet hat. Neben AVNR-Chef Thomas Preis und AvP-Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos waren die Anwälte Jochen Markgraf und Morton Douglas mit von der Partie.

Nach einleitenden Worten von Preis stellte Markgraf als anwaltlicher Vertreter des AVNR den Vergleich noch einmal detailliert vor. Im Zentrum stehen die Aussonderungsrechte, die nahezu alle betroffenen Apotheken an den Kostenerstattungsansprüchen geltend gemacht haben. 27 von ihnen haben auf Auszahlung geklagt.

Doch laut Markgraf sind bislang 15 Urteile des Landgerichts Düsseldorf ergangen, in denen das Bestehen von Aussonderungsrechten vollumfänglich abgelehnt wurde. Nur in einem Fall obsiegte die Apotheke. Hier lag eine Sonderkonstellation vor, weil genau zum fraglichen Zeitpunkt ein Wechsel des Abrechners erfolgt war und die Rezepte noch nicht bei AvP waren. In drei Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) ebenfalls gegen die Apotheken entschieden, in drei weiteren haben diese nach entsprechenden Hinweisbeschlüssen ihre Berufung zurückgezogen.

Drei Zahlungen vorgesehen

Ein zunächst angestrebter Musterprozess kam nicht zustande, auf dieser Basis wurde aber die Rahmenvereinbarung für den Vergleich entworfen. Der Vergleich kommt zustande, wenn gemessen an der Gesamtforderung mindestens 80 Prozent der Apotheken beitreten. Über die weiteren Details zu den unterschiedlichen Töpfen und Quoten hatte die PZ ausführlich berichtet. Vorgesehen sind Zahlungen in drei Tranchen an den Treuhänder im Dezember 2023, im Februar 2024 sowie im August 2024. Der Treuhänder ist verpflichtet, jeweils innerhalb eines Monats nach deren Erhalt an die Apotheken auszuzahlen.

Die Apotheken erklären im Gegenzug den Verzicht auf etwaige Aussonderungsrechte und sonstige Rechte an Kostenerstattungsansprüchen. Die Zahlungen werden mit den verbliebenen Insolvenzforderungen verrechnet.

Rechtsanwalt Morton Douglas vertritt in der sogenannten Working Party Group eine große Anzahl an Geschädigten. Aus seiner Sicht überwiegen die Vorteile eines Vergleichs ganz klar. Die bisherigen Verfahren hätten die Apotheken bisher fast alle verloren. Und selbst wenn eine Apotheke in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) siegen sollte, würden sich voraussichtlich Folgefragen und -probleme stellen. Nicht zuletzt steht am Ende die Tatsache, dass gar nicht genug Geld da ist, um alle Forderungen der Apotheken zu begleichen.

Eine endgültige Klärung der Rechtsfrage wäre in Muster- sowie Individualprozessen erst in einigen Jahren zu erwarten, so Douglas. Der Vergleich bedeute daher eine große Zeitersparnis und angesichts der hohen Inflation auch finanzielle Entlastung. Je höher die Beteiligungsquote am Vergleich ist, desto geringer seien die zu bildenden Rückstellungen und desto höher die Auszahlungen, erklärte Douglas. Von seinen Mandanten habe er bislang sehr positive Resonanz zur Rahmenvereinbarung erhalten. Er hofft, dass im Oktober ein Quorum jenseits der 90 Prozent erreicht wird.

Entscheidend sind die »Anfechtungsapotheken«

Insolvenzverwalter Hoos hat nach eigenen Angaben bereits jetzt rund 1000 Beitrittsbescheide erhalten. Die Beitrittsfrist endet am 9. Oktober. Der Erfolg wird auch vom Verhalten der Apotheken abhängen, die im September 2020 noch Geld erhalten hatten. Der damalige AvP-Manager Mathias Wettstein hatte noch am 11. und 14. September 2020 an 800 Apotheken insgesamt rund 126 Millionen Euro ausgezahlt. Weil laut Hoos aber bereits am 10. September ein Bescheid der Finanzaufsicht BaFin vorlag, sind die Zahlungen aus seiner Sicht anfechtbar.

Daher wurde für diese Apotheken ein eigener Vergleich erarbeitet. Demnach verzichten die Apotheken, die damals einen Abschlag erhalten hatten, auf ihre restlichen Insolvenzforderung und scheiden komplett aus dem Verfahren aus. Damit verbessert sich wiederum die Insolvenzquote für die restlichen Gläubiger. Die Berechnung des Vergleichsangebots erfolgt laut Hoos gesondert für jeden Einzelfall und richtet sich nach der jeweiligen Höhe des Anfechtungsbetrags und der Insolvenzforderungen der Apotheke. Die Varianz liegt daran, dass die Apotheken jeweils gemessen an den Umsätzen des Vormonats 2020 einen Abschlag erhalten haben.

Die betroffenen Apotheken können auch nur dem »Aussonderungsvergleich« beitreten, ein Beitritt zum »Anfechtungsvergleich« geht dagegen nur zusammen mit dem »Aussonderungsvergleich«. Entgegen früher genannter Fristen ist der Stichtag für beide der 9. Oktober 2023.

Wenn die Apotheken das Vergleichsangebot zur Anfechtung nicht annehmen, kommt es laut Hoos zu einer gerichtlichen Klärung. Er empfiehlt, dass die Apotheken in jedem Fall den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären, damit alle Beteiligten Zeit für die Klärung haben. Denn ansonsten muss Hoos bis Jahresende auf jeden Fall Klage einreichen, um die Verjährung zu unterbrechen.

Sollte der Rahmenvereinbarung am Quorum scheitern, tritt auch die Bedingung für den Anfechtungsvergleich nicht ein. Dann käme es ebenfalls zu einer gerichtlichen Klärung oder es müsste ein separater Vergleich geschlossen werden.

Hoos strebt Vergleich mit Banken an

Eine weitere Baustelle des Insolvenzverwalters ist die Auseinandersetzung mit den Banken. Diese hatten AvP im Herbst 2020 die Konsortialkredite gekündigt, kurz nachdem die Kassen überwiesen hatten. Hoos ist der Ansicht, dass auch dies anfechtbar ist und hat außergerichtlich Rückzahlungen geltend gemacht. Weil aber auch hier keine hundertprozentige Sicherheit besteht, strebt Hoos mit den Banken ebenfalls einen Vergleich an. Zu den Details konnte er noch nichts sagen.

Nachfragen aus dem Kreis der Teilnehmer am Livetalk kamen auch zu den 496.000 Euro, die laut dem Vergleichsentwurf an den Apothekerverband Nordrhein (AVNR) fließen sollen. Der AVNR wurde stellvertretend für alle Landesapothekerverbände in den Gläubigerausschuss berufen – AvP hatte seinen Hauptsitz in Düsseldorf und viele Geschädigte kommen aus NRW.

Der AVNR-Vorsitzende Thomas Preis erklärte, dass das sehr komplexe Verfahren seit nunmehr drei Jahren geführt werde und der Verband dafür fachkundige Beratung benötigt habe. »Das hat Geld gekostet. Da kommen diese Summen zustande.« In der Mitgliederversammlung sei dies aber in jedem Jahr ganz transparent erklärt und von dieser auch beschlossen worden. »Ich bin fest überzeugt, dass wir das Beste für die Kollegen herausgeholt haben.« Die Summe entspreche pro Apotheke einem Betrag von unter 200 Euro.

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