Ampel will mehr Kompetenzen für Apotheken |
Lukas Brockfeld |
15.10.2024 13:00 Uhr |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag. / © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Auch wenn sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) optimistisch gab, scheint es zunehmend fragwürdig, ob sein Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) jemals Realität wird. Jetzt wollen die Ampelfraktionen mehrere in der Reform vorgesehene Veränderungen im Omnibusverfahren mit dem »Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit« umsetzen. Die Neuerungen können also auch im Fall eines Scheitern der Apothekenreform umgesetzt werden.
Das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit ist ein weiteres Reformvorhaben, das aktuell vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplant wird. Kernstück des Gesetzes ist die Schaffung eines »Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin«. Das neue Institut soll die »Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung« schlucken und die Gesundheit der Deutschen durch Forschung und Aufklärung verbessern.
Am Mittwoch soll im Gesundheitsausschuss über das Gesetz beraten werden. SPD, Grüne und FDP brachten zuvor gemeinsam mehrere Änderungsanträge ein, die die Apotheken unmittelbar betreffen.
So sollen Apotheker die Berechtigung erhalten, Patientinnen und Patienten mit Totimpfstoffen in der Apotheke zu impfen. Außerdem sollen künftig In-vitro-Diagnostika in der Apotheke durchgeführt werden. Konkret geht es um Schnelltests auf Adenoviren, Influenzaviren, das Norovirus, Respiratorische Synzytial Viren und das Rotavirus. Apotheken sollen die Erlaubnis erhalten, diese Tests zu bewerben.
Eine weitere Änderung betrifft die für das kommende Jahr geplante Einführung der elektronischen Patientenakte (EPA) für alle. Die Versicherten müssen sich identifizieren, um auf ihre eigene EPA zugreifen zu können. Das ist beispielsweise online mithilfe des elektronischen Personalausweises möglich. Künftig soll die Identifizierung auch vor Ort in der Apotheke möglich werden. Eine entsprechende Regelung wurde vom BMG bereits bei der Vorstellung der EPA angekündigt.
Mit der Einführung »favorisierter Apotheken« soll ein neuer Einlöseweg für E-Rezepte geschaffen werden, der pflegebedürftigen Menschen vorbehalten ist. Patienten können eine favorisierte Apotheke bestimmen, der es gestattet ist, E-Rezepte einzulösen, wenn sie zum Beispiel per Telefon dazu aufgefordert wurden. Für das Festlegen einer favorisierten Apotheke wird die Apotheken-Ident genutzt. Für Versandapotheken wird auch die Post-Ident zugelassen. Die neue Regelung soll die Medikamentenversorgung pflegebedürftiger Menschen mit geringer digitaler Kompetenz erleichtern.
Auch die Arzneimittelversorgung von Pflegeheimbewohnern soll erleichtert werden. Nach Zustimmung der Patienten sollen Ärzte Rezepte direkt an die heimversorgende Apotheke schicken können. Bisher müssen die Verordnungen von den Pflegeheimen weitergeleitet werden. Die neue Regelung soll die Arbeitsbelastung in den Heimen reduzieren.
In einer Stellungnahme begrüßte die ABDA die geplante Erweiterung des Spektrums an Impfungen und Testungen in Apotheken. Sie könnten einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Impfquote leisten, heißt es.
Den Abruf von elektronischen Rezepten aus der Telematik-Infrastruktur (TI) durch die sogenannten »favorisierten Apotheken« lehnt die Bundesvereinigung dagegen ab. »Da eine Vielzahl pflegebedürftiger Patienten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sind, kann die Regelung die Grundgedanken der apothekenrechtlichen Vorgaben aushebeln, wonach eine Versorgung dieses Personenkreises regelhaft auf der Basis eines Versorgungsvertrags nach § 12a ApoG erfolgen soll«, heißt es in der Stellungnahme. Die Regelung biete ein »Einfallstor« für Apotheken ohne Versorgungsvertrag.
Die ABDA hat zudem Sicherheitsbedenken. So heißt es in der Stellungnahme: »Nach dem Entwurf sollen die Versicherten nach der allgemeinen Bestimmung der favorisierten Apotheken selbst oder durch Beauftragte formlos den Abruf im Einzelfall auslösen können. Bei diesem Verfahren sind eine sichere Identifizierung und Autorisierung für den Empfänger nicht möglich.« Man bezweifele außerdem, dass ausreichende technische Vorkehrungen möglich seien, die die systematische Abfrage von Rezepten durch favorisierte Apotheken, die ohne vorherigen Einzelauftrag durchgeführt werden, verhindern.
Die Bundesvereinigung sieht keinen Bedarf für die Einführung »favorisierter Apotheken«, da das Weiterleiten von E-Rezepten über die Gematik-App oder das Card-Link-Verfahren bereits möglich ist. Sei ein Patient dazu nicht in der Lage, könne er schon heute einen Stellvertreter bestimmen.
Die ABDA kritisiert außerdem den Plan, dass Ärzte direkt Rezepte von Pflegeheimbewohnern an eine Apotheke weiterleiten dürfen. »Nach geltender Rechtslage ist allein der einzelne Heimbewohner oder – sofern er die Wahl der Apotheke nicht selber ausüben kann – das Heim berechtigt, ärztliche Verschreibungen der versorgenden Apotheke zuzuleiten. Die Möglichkeit des Heimbewohners, den Arzt im Einzelfall um Zuleitung an eine bestimmte Apotheke zu bitten, darf nicht in eine regelhafte Zuweisung an eine bestimmte Apotheke überführt werden.« Außerdem bestehe auch hier kein Regelungsbedarf, da die Integration der Pflegeeinrichtungen in die TI für die nahe Zukunft erwartet wird.