Ambulanzklinik mit angeschlossener Apotheke |
Lukas Brockfeld |
03.05.2024 16:08 Uhr |
Krankenhäuser sollen nach Ansicht der Kommission vermehrt ambulante Leistungen anbieten. / Foto: Adobe Stock/upixa
Deutschlands Krankenhäuser ächzen unter zahlreichen Problemen wie einer unzureichenden Finanzierung und einem zunehmenden Fachkräftemangel. Im Mai 2022 wurde daher eine neue Regierungskommission eingerichtet. Sie soll Empfehlungen vorlegen und Ziele für eine auf Leistungsgruppen und auf Versorgungsstufen basierende Krankenhausplanung formulieren. Dabei orientiert sie sich an Kriterien wie Erreichbarkeit und der demographischen Entwicklung.
In ihrer zehnten Stellungnahme fordert die »Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung« die Überwindung der Sektorengrenzen des deutschen Gesundheitswesens. Dazu sollen kleinere Krankenhäuser in der Fläche verstärkt ambulante Leistungen anbieten können, ein Primärarztsystem aufgebaut und die Versorgung regional und gemeinsam für den ambulanten und den stationären Bereich geplant werden.
Als kurzfristige Maßnahmen empfiehlt die Kommission den Aufbau von Krankenhäusern für sektorenübergreifende Versorgung (Level Ii). Diese sollen vorrangig ambulante Behandlungen anbieten, nach Tagespauschalen abrechnen und von den Bundesländern geplant werden. Außerdem sollen sie bei Unterversorgung einspringen und ambulante Leistungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) abrechnen. An ihren Standorten können auch andere Gesundheitsangebote angesiedelt werden, beispielsweise Apotheken oder Sanitätshäuser.
Als weitere kurzfristige Maßnahmen schlägt die Kommission den Aufbau von Institutsambulanzen, die Weiterentwicklung von Hybrid-DRGs und den Ausbau des Belegarztsystems vor.
Die Kommission hat zusätzlich diverse mittel-und langfristige Maßnahmen vorgeschlagen. Dazu gehört der Aufbau regionaler Gremien unter Vorsitz der Bundesländer, die die ambulante und stationäre Versorgung gemeinsam planen sollen. Außerdem soll ein Primärarztsystems aus Allgemeinmedizinern, Internisten, Pädiatern, Gynäkologen und Psychiatern aufgebaut werden, das zur Steuerung der Gesundheitsversorgung und dem Abbau der doppelten Facharztschiene beiträgt.
Zu den Vorschlägen zählt auch die flächendeckende Versorgung durch qualifiziertes Pflegefachpersonal. Dieses soll mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet werden, dazu soll der Arztvorbehalt eingeschränkt werden. Zusätzlich wünscht sich die Kommission die Vergabe von Regionalbudgets für Versorgungsaufträge für bestimmte Regionen und Bevölkerungsgruppen.
Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) begrüßt den vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog: »Um das System fit zu machen für die Behandlung der Babyboomer-Generation, müssen wir ambulante und stationäre Versorgung besser aufeinander abstimmen. Unnötige Krankenhausaufenthalte, fehlende Abstimmung zwischen Arztpraxis und Klinik sowie unnötiger Personaleinsatz sind weder im Interesse der Patienten noch der Behandelnden und schon gar nicht im Interesse der Gemeinschaft.« Deutschland könne sich ein ineffizientes Gesundheitssystem nicht mehr leisten.
Professor Tom Bschor ist Leiter der Regierungskommission und betont: »Kluge Konzepte zum Umgang mit dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel sind entscheidend für eine hochqualitative Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung in der Zukunft. Hierzu gehört, Behandlungen ambulant statt vollstationär durchzuführen, den deutschen Sonderweg der doppelten Facharztschiene kritisch zu hinterfragen und die gezielte Behandlungssteuerung im Rahmen eines Primärarztsystems zu fördern.«
Der Gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, lehnt dagegen viele der vorgeschlagenen Ideen ab. »Wir sind uns alle seit langer Zeit einig, dass wir Sektorengrenzen überwinden müssen. Der Vorschlag der Regierungskommission bietet interessante Aspekte, hat aber mit der Realität nicht viel zu tun«, erklärte der Liberale in einer Pressemitteilung. Die Vorschläge der Kommission bezeichnete er als realitätsferne »Reißbrettkonstruktion«.
»Wir werden im Gesetzgebungsverfahren darauf achten, dass wir kein einheitsstaatliches Gesundheitswesen bekommen, sondern ein föderatives Leistungserbringer-System mit durchlässigen Grenzen und fließender Zusammenarbeit. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir einen Einheitsbrei essen müssen, um Sektorengrenzen zu überwinden«, so Ullmann. Die Sektoren seien gerade im Bereich der niedergelassenen Fachärzte notwendig. Dieser müsste gestärkt werden, um die Ambulantisierung zu fördern.